Neues Portfolio »Signs – Vom Licht getroffen«
Von Friedhelm Denkeler,
Die Wegzeichen, Symbole und Markierungen meiner Zeit
Geht man mit offenen Augen durch Stadt, Flur und Wald, kann man die merkwürdigsten Zeichen, Symbole und Markierungen finden, seien sie von der Natur oder von Menschenhand bewusst oder per Zufall geschaffen. Finden bedeutet ursprünglich »einen Weg betreten«, das heißt auf den eigenen Füßen neue Perspektiven oder Ahttps://journal.denkeler-foto.de/Signs_Pressemitteilung-Denkeler-Kirchner.pdfltbekanntes mit neuen Augen entdecken. Neues entdecken kann man auch im Altbekannten, auf dem täglichen Stadtgang, in der Wohnung oder im eigenen photographischen Archiv – so wie mit dem Portfolio »Signs«.
Ein Zeichen ist im weitesten Sinne etwas, das auf etwas anderes hindeutet, etwas bezeichnet und somit eine Bedeutung hat, die wir als Menschen verstehen können. Ein Symbol (oder auch Sinnbild) hingegen zeigt, wofür es steht. Es hat einen tieferen Sinn für einen Begriff oder Vorgang, oft ohne erkennbaren Zusammenhang mit diesem. Es bedeutet nur etwas, weil die Menschen die Bedeutung gelernt haben oder sie durch Gewohnheit zustande kommt. Ein Symbol kann für etwas aus der richtigen Welt stehen oder für ein Gefühl oder für einen Gedanken. Die Arten, wie Menschen ihre Territorien mit Markierungen versehen, wie sie Landschaften in Besitz nehmen, ähneln sich überall.
Es ist eine Binse – ohne Licht wären die vorliegenden Photographien nicht entstanden; schließlich heißt Photographie übersetzt Schreiben mit Licht. Im Dunklen wäre das Negativ nicht geschwärzt worden; also habe ich nicht die Zeichen, sondern das von ihnen ausgehende Licht im Sinne einer dokumentarischen Aufzeichnung fotografiert. Aber in jedem guten Bild steckt etwas, das sich nicht allein auf den Bildgegenstand beschränkt, sondern eigene Gefühle, Erfahrungen und das Unbewusste des Autors mit einschließt. Dann verliert der fotografierte Gegenstand seine Bedeutung.
Das Portfolio ist erstmals öffentlich in der Einzel-Ausstellung »Signs – Vom Licht getroffen« im »Atelier André Kirchner« in der Grunewaldstraße 15, 10523 Berlin, vom 11. Mai bis 22. Juni 2024, zu sehen. Die Vernissage findet am 10. Mai 2024, 17 bis 20 Uhr statt. Zur Pressemitteilung.
Der traurige Frühling – passend zur Weltlage
Von Friedhelm Denkeler,
Wilhelm Lachnit malte 1933 nach einer sechswöchigen Gestapo-Haft ein Bild, das er »Der traurige Frühling« nannte. Lachnit als ›wacher‹ Künstler, sah, was kommen würde, während die Deutschen noch mehrheitlich dem Führer zujubelten. Teile seines Werkes wurden von den Nationalsozialisten als Entartete Kunst eingestuft und beschlagnahmt. Lachnit konnte nur noch eingeschränkt arbeiten und stand unter ständiger Beobachtung der Gestapo.
»Alles Lebendige ist hier gewichen, der Gesichtsausdruck wirkt wie versteinert. Lachnit bedient sich eines allegorischen Vokabulars: In Anspielung auf Botticellis berühmte Primavera verkehrt er die frohe Botschaft mit neusachlicher Nüchternheit in ihr Gegenteil – unterhalb der blutroten Rose sind zwei Äste eines Dornenkranzes zu erkennen, denen auf der anderen Seite die sonderbar makellose, fast wie eine Antenne hervorragende Kugel einer Pusteblume entspricht. Nicht Tod und Wiedergeburt, sondern Passion und Vergeblichkeit sind die traurige Botschaft.« [Quelle: »Räume, Dinge, Menschen – ein Ausstellungsrundgang«]
Wilhelm Lachnit (*1899, †1962) arbeitete hauptsächlich in Dresden. Nach dem Studium war er als freischaffender Künstler tätig und begann sich für den Sozialismus zu begeistern; 1925 trat er in die KPD ein und gründete die Dresdner ASSO (Assoziation revolutionärer bildender Künstler) mit, die 1933 verboten wurde. Ein großer Teil seines Werkes wurde während eines Bombenangriffes auf Dresden zerstört.
1945 entstand das großformatige Gemälde Der Tod von Dresden, das eine weinende Mutter inmitten eines symbolischen Trümmerinfernos zeigt. Die DDR-Kulturfunktionäre lobten das Gemälde als starke Leistung, so dass er 1947 als Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden tätig sein konnte. Wegen seines als formalistisch bezeichneten Stils fiel er zunehmend in Ungnade und gab 1954 schließlich resigniert seine Professur auf.
Lachnit ist fast ein unbekannter Meister des zwanzigsten Jahrhunderts, insbesondere im Westen Deutschlands ist sein Werk kaum bekannt. Der traurige Frühling wurde zu DDR-Zeiten von der ostdeutschen Nationalgalerie angekauft und befindet sich heute in der Neuen Nationalgalerie in Berlin.
Die Winter-Highlights 2024 im Lichtspieltheater
Von Friedhelm Denkeler,
Im richtigen Kino waren wir nie im falschen Film – Ein kurzer Rückblick auf 11 Filme von Januar bis März 2024
Einzelne Artikel zu den gesehenen Filmen in diesem Winter zu schreiben waren mir zu aufwendig. Aber zum Quartalsende will ich sie in Kurzform doch einmal erwähnen (Quelle der Inhaltsangaben: Yorck-Kino). Natürlich war auch der zweifache Oskar-Gewinner »The Zone of Interest« von Jonathan Glazer mit Sandra Hüller dabei. Alle Filme sahen wir in den Berliner Yorck-Kinos. Deren Motto »Im richtigen Kino bist du nie im falschen Film« hat sich bewahrheitet: Alle Filme waren sehenswert.
- »Poor Things« von Yorgos Lanthimos mit Emma Stone und Willem Dafoe. Bella (Emma Stone) wird von dem ebenso brillanten wie unorthodoxen Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) von den Toten zurück ins Leben geholt. Voller Hunger auf die Welt und nach neuen Erfahrungen bricht sie mit einem durchtriebenen Anwalt zu einer Reise über die Kontinente auf.
- »Stella. Ein Leben.« von Kilian Riedhof mit Paula Beer und Katja Riemann. Die junge Jüdin Stella Goldschlag, (Paula Beer), träumt davon, irgendwann einmal als Jazz-Sängerin berühmt zu werden. Ihr seit der Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933 ohnehin schon bedrohtes Leben wird schließlich ins absolute Chaos gestürzt, als sie 1943 an die Gestapo verraten und gefoltert wird. Die Nationalsozialisten machen aus ihr eine sogenannte ›Greiferin‹. Damit weder sie noch ihre Familie in Vernichtungslager nach Auschwitz deportiert werden, muss Stella andere Juden ans Messer liefern. Basiert auf wahren Begebenheiten.
- »Die Giacomettis« von Susanna Fanzun mit Alberto Giacometti, Giovanni Giacometti, Diego Giacometti. Die Engadiner Regisseurin Susanna Fanzun begibt sich auf die Spuren der Familie Giacometti. Meisterhafte Gemälde – gepaart mit Skizzen, persönlichen Briefen, Zeitzeugen und atemberaubenden Aufnahmen der alpinen Landschaft – lassen ins Innerste dieser eindrücklichen Familie blicken. Vom Vater Giovanni bis zu den Kindern Alberto, Diego, Ottilia und Bruno, waren alle mit bemerkenswertem künstlerischem Talent ausgestattet. Allen voran der Bildhauer und Maler Alberto, der die Kunstwelt mit seinen dünnen Skulpturen revolutionierte.
- »Joan Baez: I Am a Noise« von Karen O’Connor mit Joan Baez, Mimi Fariña, Bob Dylan. Seit ihrem Debüt im Alter von 18 Jahren steht die Musikerin, Bürgerrechtlerin und Aktivistin Joan Baez seit über 60 Jahren auf der Bühne. Für die heute 82-Jährige war das Persönliche immer auch politisch. Ihre Freundschaft mit Martin Luther King und ihr Pazifismus haben ihr Engagement geprägt. In dieser Biografie, die mit ihrer Abschiedstournee beginnt, zieht Baez schonungslos Bilanz und stellt sich den manchmal schmerzhaften Erinnerungen.
- »Rickerl – Musik is höchstens a Hobby« von Adrian Goiginger mit Voodoo Jürgens, Agnes Hausmann. Eine Reminiszenz an die Seele des Austropops: Erich ›Rickal‹ Bohacek (gespielt von dem österreichischen Musiker Voodoo Jürgens) ist Idealist und Chaot zugleich. Der Straßen- und Beislmusiker kommt gerade so mit Hilfe von Gelegenheitsjobs als Totengräber, Sexshop-Angestellter und Hochzeitssänger über die Runden. Er hofft, mit seinen gefühlvollen Liedern irgendwann den großen Durchbruch zu haben, steht er sich dabei oft selbst im Weg. Seine große Stütze ist sein achtjähriger Sohn.
- »The Holdovers« von Alexander Payne mit Paul Giamatti. Im Elite-Internat Barton Academy betreut der unbeliebte Lehrer Mr. Hunham die unglücklichen Schüler, die nicht wissen, wo sie die Feiertage verbringen sollen. Nach ein paar Tagen sind nur noch der aufmüpfige Schüler Angus und Köchin Mary übrig. Trotz eisiger Temperaturen und Unstimmigkeiten, findet das ungleiche Trio über die Ferien zueinander.
- »And the King Said, What a Fantastic Machine« von Axel Danielson mit Maximilien Van Aertryck. Von der ersten Kamera bis zu den 45 Milliarden Kameras, die es heute weltweit gibt, weiten die visuellen Soziologen unter den Filmemachern ihr Objektiv aus, um sowohl die einzigartige Besessenheit der Menschheit vom Bild der Kamera als auch die sozialen Folgen aufzuzeigen.
- »The Zone of Interest« von Jonathan Glazer mit Christian Friedel, Sandra Hüller, Ralph Herforth. Regisseur Jonathan Glazer beleuchtet die Schrecken des Holocaust aus der Perspektive von Rudolf und Hedwig Höss, dem Kommandanten von Auschwitz und seiner Familie, die in ihrem Bilderbuchheim Mauer an Mauer mit dem Vernichtungslager ein äußerst privilegiertes Leben führen.
- »Julie – Eine Frau gibt nicht auf« von Eric Gravel mit Laure Calamy, Anne Suarez. Die alleinerziehende Mutter Julie rackert sich täglich ab, um ihre beiden Kinder auf dem Land großzuziehen und gleichzeitig ihren Job in einem Pariser Palast zu behalten. Sie hat kaum Zeit für sich und ihre eigenen Träume, die sie aufgegeben musste. Als sie endlich zu einem Vorstellungsgespräch in ihrem erlernten Beruf eingeladen wird, bricht ein Generalstreik aus, der den Verkehr lahmlegt. Julie stürzt sich in ein Wettrennen gegen die Zeit.
- »Die Herrlichkeit des Lebens« von Georg Maas, Judith Kaufmann mit Sabin Tambrea, Henriette Confurius. 1923 lernen sich Dora Diamant und Franz Kafka an einem Ostseestrand kennen. Gegen alle Widerstände und trotz grundverschiedener Lebensrealitäten entsteht eine tiefe Liebe. Doch bleibt den beiden nicht viel Zeit, denn der Gesundheitszustand des jungen Schriftsteller verschlechtert sich. Ein Film basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michael Kumpfmüller, der 2011 erschien, und mit Franz Kafka und Dora Diamant zwei besondere Menschen porträtierte.
- »Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt« von Davide Ferrario mit Giuseppe Cederna, Niccolò Ferrero. Die Privatbibliothek von Umberto Eco, die vom italienischen Autor selbst bis zu seinem Tod geführt wurde, umfasst mehr als 30.000 zeitgenössische und 1.500 antike Bücher. Davide Ferrario nimmt uns mit auf einen Rundgang und kombiniert dafür neues Filmmaterial mit Material, das er 2015 mit Eco für eine Videoinstallation auf der Biennale von Venedig gedreht hat. Er gewährt Einblick in die Bibliothek, die als Fenster des komplexen Denkens Ecos verstanden werden kann und seine Idee der Bibliothek als »Gedächtnis der Welt« zeigt.