Wilhelm Lachnit malte 1933 nach einer sechswöchigen Gestapo-Haft ein Bild, das er »Der traurige Frühling« nannte. Lachnit als ›wacher‹ Künstler, sah, was kommen würde, während die Deutschen noch mehrheitlich dem Führer zujubelten. Teile seines Werkes wurden von den Nationalsozialisten als Entartete Kunst eingestuft und beschlagnahmt. Lachnit konnte nur noch eingeschränkt arbeiten und stand unter ständiger Beobachtung der Gestapo.
»Alles Lebendige ist hier gewichen, der Gesichtsausdruck wirkt wie versteinert. Lachnit bedient sich eines allegorischen Vokabulars: In Anspielung auf Botticellis berühmte Primavera verkehrt er die frohe Botschaft mit neusachlicher Nüchternheit in ihr Gegenteil – unterhalb der blutroten Rose sind zwei Äste eines Dornenkranzes zu erkennen, denen auf der anderen Seite die sonderbar makellose, fast wie eine Antenne hervorragende Kugel einer Pusteblume entspricht. Nicht Tod und Wiedergeburt, sondern Passion und Vergeblichkeit sind die traurige Botschaft.« [Quelle: »Räume, Dinge, Menschen – ein Ausstellungsrundgang«]
Wilhelm Lachnit (*1899, †1962) arbeitete hauptsächlich in Dresden. Nach dem Studium war er als freischaffender Künstler tätig und begann sich für den Sozialismus zu begeistern; 1925 trat er in die KPD ein und gründete die Dresdner ASSO (Assoziation revolutionärer bildender Künstler) mit, die 1933 verboten wurde. Ein großer Teil seines Werkes wurde während eines Bombenangriffes auf Dresden zerstört.
1945 entstand das großformatige Gemälde Der Tod von Dresden, das eine weinende Mutter inmitten eines symbolischen Trümmerinfernos zeigt. Die DDR-Kulturfunktionäre lobten das Gemälde als starke Leistung, so dass er 1947 als Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden tätig sein konnte. Wegen seines als formalistisch bezeichneten Stils fiel er zunehmend in Ungnade und gab 1954 schließlich resigniert seine Professur auf.
Lachnit ist fast ein unbekannter Meister des zwanzigsten Jahrhunderts, insbesondere im Westen Deutschlands ist sein Werk kaum bekannt. Der traurige Frühling wurde zu DDR-Zeiten von der ostdeutschen Nationalgalerie angekauft und befindet sich heute in der Neuen Nationalgalerie in Berlin.