Laras Schrotthaufen im wilden Norden

Von Friedhelm Denkeler,

Impressionen von der dOCUMENTA 13 in Kassel

Ein weiterer Standort der Documenta 13 ist der Haupt-/ Kulturbahnhof von Kassel. Jonathan Borofskys Man Walking to the Sky (Himmelsstürmer), die Ikone der documenta 9 (1992), ist mittlerweile vom Friedrichsplatz hierher umgezogen (siehe Foto), stürmt noch immer dem Himmel entgegen und hat nichts von seiner Aussagekraft verloren.

"Documenta 9 (1992): Jonathan Borofskys "Man Walking to the Sky", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Documenta 9 (1992): Jonathan Borofskys Man Walking to the Sky«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Es ist noch früh am Morgen und eine Documenta-Mitarbeiterin weist darauf hin, dass noch alles geschlossen sei, wir uns aber schon einmal den ›Schrotthaufen‹ ansehen könnten. Gemeint ist das Werk Momentary Monument IV der Italienerin Lara Favaretto am Ende des ehemaligen Güterumschlagsplatzes. Der Fotograf hat eine herrliche Aussicht auf Kunst, alte Gleise, eine wild wuchernde Natur (siehe Foto) und da es früh am Morgen ist, trüben ausnahmsweise auch erst wenige Kunstbegeisterte seine Sicht.

"Kassel Hauptbahnhof: Der wilde Norden", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Kassel Hauptbahnhof: Der wilde Norden«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Lara Favaretto hat hier mehrere Lastwagenladungen voller Metall-Schrottteile aus Kasseler Recyclinghöfen auskippen lassen. Der Blick auf vierzig Tonnen Altmetall lässt eine fremde Welt entstehen, in der es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt, je nachdem, wo man gerade steht. Das Werk ist eine einzige amorphe Masse. Man sollte es sich nicht entgehen lassen (siehe Foto).

"Documenta 13: Momentary Monument IV von Lara Favaretto", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Documenta 13: Momentary Monument IV von Lara Favaretto«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Aus diesem Schrotthaufen nimmt Favaretto einzelne Teile heraus und präsentiert sie museal in einem Raum innerhalb der Lagerhallen (siehe Foto). Die entstandenen Lücken im Schrotthaufen füllt sie mit ähnlichen Teilen aus rohem Zement aus. »Im Denken der Documenta gewinnt auch der Schrott eine Schönheit eigenen Rechts« [DIE ZEIT].

"Documenta 13: Lara Favaretto: Ein Metallobjekt, das während des Abladens des Metallschrotthaufens ausgewählt wurde", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Documenta 13: Lara Favaretto: Ein Metallobjekt, das während des Abladens des Metallschrotthaufens ausgewählt wurde«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Über den 1850 gebauten Bahnhof wurde bis 1991 der gesamte Fernverkehr abgewickelt; heute läuft dieser über Kassel-Wilhelmshöhe. Der ehemalige Hauptbahnhof wird unterdessen nur noch für den Nahverkehr genutzt; große Teile des Bahnhofs stehen leer, werden gewerblich vermietet oder für Ausstellungen bespielt.

Penone und der Bronzebaum

Von Friedhelm Denkeler,

Impressionen von der dOCUMENTA 13 in Kassel

"Documenta 13: Die Karlsaue in Kassel", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Documenta 13: Die Karlsaue in Kassel«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Nach den künstlerisch nicht so ganz überzeugenden Eindrücken im Fridericianum und in der Documenta-Halle suchten wir einen Ausgleich in einem Außenbereich der Documenta 13, dem anderthalb Quadratkilometer großen barocken Landschaftspark Karlsaue an der Fulda, der zum ersten Mal als Ganzes in die Documenta einbezogen wurde. Es wurde der längste Kunst-Spaziergang, den ich je machte.

"Documenta 13: Idee di pietra von Giuseppe Penone in der Karlsaue", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Documenta 13: Idee di pietra von Giuseppe Penone in der Karlsaue«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Die Karlsaue ist ein um 1570 symmetrisch angelegter Lustgarten mit Perspektivachsen und künstlichen Kanälen. 1785 wurde er zu einem Englischen Garten umgestaltet. Seit 1959 dient er auch als Veranstaltungsort für die Documenta.

In der Nähe der Orangerie erblickt man bereits von der »Schönen Aussicht« aus, einen ›toten‹ Baum, in dessen Geäst irritierenderweise ein riesiger Granitfindling gestrandet ist (siehe Foto). Erst wenn man sich dem Werk weiter nähert, kann man erkennen, dass der neun Meter hohe Baum aus Bronze besteht.

Der schwere Stein muss vom Himmel gefallen sein und erinnert gleichsam an eine Wolke, die sich dort niedergelassen hat. Die Gesetze der Schwerkraft sind überwunden. Das irritiert gewohnte Denkweisen und stellt sie auf den Kopf.

Diese Plastik Idee di pietra (Ansichten eines Steines) des Italieners Giuseppe Penone, einem Vertreter der Arte Povera, war das erste Kunstwerk der Documenta 13, das in der Karlsaue bereits im Juni 2010 eingeweiht wurde. Das Werk könnte als das Symbol der Documenta 13 in die Geschichte eingehen. Am Fuße des Baumes pflanzte Penone eine kleine Stechpalme, die es mit dem Wachsen nicht besonders eilig hat; mal sehen, wie groß sie zur nächsten Documenta geworden ist. Und nun begann ein wahrer Kunst-Parcours durch die Karlsaue. Einige, der über fünfzig Kunst-Punkte möchte ich in den nächsten Tagen vorstellen.

Der Fliegende Teppich

Von Friedhelm Denkeler,

Impressionen von der dOCUMENTA 13 in Kassel

"Documenta 13: Die Documenta-Halle mit Arbeiten von Thomas Bayrle", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Documenta 13: Die Documenta-Halle mit Arbeiten von Thomas Bayrle«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Die Documenta-Halle ist erfahrungsgemäß wegen ihrer vielen Ebenen und den langen, zum Teil sehr hohen Wänden schwer bespielbar (siehe Foto).

Der Frankfurter Altmeister Thomas Bayrle hat sie nun mit zwei riesengroßen Arbeiten bestückt: Ein collagiertes Flugzeug, welches aus Tausenden kleiner Bildchen zum Ganzen wird und die unübersehbare Wandarbeit Carmageddon, die er mit Autobahnfragmenten aus Karton geschaffen hat.

Zu Füßen dieser beiden Giganten stehen diverse aufgeschnittene Auto- und Flugzeugmotoren herum und bewegen sich teilweise. Als den Lautsprechern hört man ein leises Gemurmel.

Yan Lei aus Peking hat einen kleinen, aber sehr hohen Raum in der Documenta-Halle optimal genutzt: Bis unter die Decke hat er die Wände mit Bildern behängt, aber das allein reichte ihm noch nicht; auch von der Decke baumeln Bilder herunter und zusätzlich kann man noch einen Schrank voller Bilder öffnen.

Lei untersucht die Beziehung zwischen Künstlern, Malerei und Kultur. 360 Tage lang hat er für sein Limited Art Project je ein Bild aus dem Internet gespeichert und auf Leinwand übertragen; also eine Art Jahrestagebuch.

"Documenta 13: Der Fliegende Teppich (mit Arbeiten von Yan Lei)", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Documenta 13: Der Fliegende Teppich (mit Arbeiten von Yan Lei)«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Während der 100 Tage der Documenta werden die Bilder nach und nach im VW-Werk in Baunatal nahe Kassel durch Auszubildende monochrom überlackiert und wieder aufgehängt. »Die Quellbilder und ihre Geschichte werden versiegelt und so für die Ewigkeit unzugänglich gemacht« [Katalog].

"Documenta 13: Limited Art Project von Yan Lei", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
„Documenta 13: Limited Art Project von Yan Lei“, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

»Dieser letzte Bruch, der das Bild negiert, fordert zur Suche nach ästhetischer Reflexion und Erinnerung statt nach leichter Unterhaltung auf. Zudem impliziert eine solche Geste einen symbolischen Protest gegen die Alternative: das zu tun, was von einem erwartet wird« [Katalog]. Ein erster Höhepunkt der diesjährigen Documenta. Wer allerdings erst gegen Ende der Documenta kommt, sieht dann nur noch Farbflächen. Die Documenta geht noch bis zum 16. September 2012.

Viel Wind um nichts

Von Friedhelm Denkeler,

Impressionen von der dOCUMENTA 13 in Kassel

Die Documenta beginnt mit einer visuellen Enttäuschung – der zentrale Friedrichsplatz ist kunstlos. Die Documenta-Container für Garderobe, Tickets und WC und ein besetzter Teil des Platzes mit Zelten der Occupy-Bewegung machen den Platz auch nicht schöner. 1992 befand sich hier immerhin Jonathan Borowskys Himmelstürmer und 2007 das Mohnfeld von Sanja Ivekovc.

"Documenta 13: Fridericianum mit Arbeit von Ryan Gander", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
„Documenta 13: Fridericianum mit Arbeit von Ryan Gander“, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Der Besuch des Fridericianums, das Hauptgebäude einer jeden Documenta seit 1955, steht an und es folgt die nächste Enttäuschung: Die großen Hallen links und rechts des Foyers und jeweils die beiden dahinterliegenden Räume sind vollständig leer (siehe Foto), nur an den offenen Türen weht ein leichter Wind: Zugluft oder Luftnummer? Der britische Künstler Ryan Gander lässt künstlich Wind erzeugen, wie und warum ist leider nicht erkennbar.

Also sehen wir uns die Rotunde an. Dort, wo früher das ›Herz‹ der Documenta schlug, befindet sich jetzt laut Documenta-Macherin Carolyn Christow-Bakargiev (von allen der Einfachheit halber CCB genannt) das Brain der Documenta 13. Geht es so im Gehirn zu?

"Documenta 13: Baktrische Prinzessin", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Documenta 13: Baktrische Prinzessin«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Wir sehen ein Sammelsurium von Kunstwerken, Objekten und Dokumenten: Die Baktrischen Prinzessinnen (siehe Foto) aus dem dritten Jahrtausend v.Chr. aus Zentralasien, eine Auswahl von Gegenständen aus Hitlers Wohnung, Man Rays Object to be Destroyed, Konrad Zuses Funktionsmodell für einen Computer, eine Marmor-Skulptur, die aussieht wie ein Sack Mehl (siehe Foto) und Artefakte aus dem Nationalmuseum in Beirut, die während der Bombardierungen im Bürgerkrieg miteinander verschmolzen sind; um nur einige Objekte zu nennen.

"Documenta 13: Selbst mit Sack aus Carrara-Mamor (von Sam Durant)", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Documenta 13: Selbst mit Sack aus Carrara-Mamor (von Sam Durant)«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Liegt hier etwa das »Konzept der Konzeptlosigkeit« von CCB vor? Hoffentlich bringen die nächsten Documenta-Orte mehr Klarheit. Morgen früh geht es in die Documenta-Halle.

Die Karlsaue ins Bild ›geruckt‹

Von Friedhelm Denkeler,

"Schöne Aussicht oder Landschaft im Dia", Foto © Friedhelm Denkeler 2007
»Schöne Aussicht oder Landschaft im Dia«, Foto © Friedhelm Denkeler 2007

Impressionen von der dOCUMENTA 13 in Kassel

Das Museum der 100 Tage, die dOCUMENTA 13 in Kassel, wurde am 9. Juni 2012 eröffnet. Bevor wir uns in der nächsten Woche selbst ein Bild von dieser dOCUMENTA machen, zeige ich heute eine Impression vom Besuch der letzten documenta aus dem Jahr 2007: Rahmenbau (oder: Landschaft im Dia) der ehemaligen Architekten- und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co. Der Stahlbilderrahmen in der Nähe des Friedrichsplatzes und oberhalb der Orangerie zeigt eine herrliche Aussicht auf die Karlsaue.

Der Rahmenbau wurde 1977 für die documenta 6 errichtet. Vor 1906 stand an dieser Stelle ein Triumphbogen. Diese Außenarbeit und weitere, wie die Spitzhacke von Claes Oldenburg in der Fuldaaue (documenta 7, 1982) und der Himmelsstürmer (Man walking to the sky) von Jonathan Borofsky vor dem Kulturbahnhof (documenta 7, 1982), befinden sich noch heute im Kasseler Stadtbild; und natürlich wächst und grünt auch das Projekt 7000 Eichen von Joseph Beuys mit dem Untertitel Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung (1987 wurde das umfangreiche Projekt zur documenta 8 abgeschlossen).

Die begehbare Stahlskulptur Rahmenbau misst 31 x 17 x 14 Meter (LxBxH). Das Objekt besteht aus zwei Rahmen, einem größeren von 14 x14 Metern und einem kleineren von 2,80 x 2,80 Meter. Dadurch sieht man zwei verschiedene Landschaftsausschnitte, der kleinere bildet einen Ausschnitt aus dem größeren. Symbolhaft kann man dies auch als optische Scharfeinstellung einer Spiegelreflex-Kamera ansehen. Ein Steg erlaubt es den Besuchern, sich vom großen Rahmen kommend, dem kleinen zu nähern. Man verlässt dadurch den Blick durch den großen Rahmen und findet immer wieder eine neue Perspektive und herrliche Aussicht.

Das Vermächtnis einer Autorenfotografin

Von Friedhelm Denkeler,

Hildegard Ochse (1935 – 1997) im Haus am Kleistpark in Berlin

"Eröffnung der Ausstellung im Haus am Kleistpark", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Eröffnung der Ausstellung im Haus am Kleistpark«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Die in Westfalen geborene Hildegard Ochse beginnt um 1975 in Berlin zu fotografieren. Parallel erwachte zu dieser Zeit das öffentliche Interesse an der Fotografie: Im damaligen Berlin (West) entstand mit der Galerie Nagel die erste kommerzielle Fotogalerie, das fotografische Werk von Heinrich Zille wurde als solches wahrgenommen und in Kreuzberg entstand die von Michael Schmidt geleitete Werkstatt für Photographie. Hildegard Ochse nahm dort am Unterricht von Ulrich Görlich teil und besuchte die Workshops US-amerikanischer Fotografen wie Lewis Baltz, John Gossage und Larry Fink.

Der Begriff Autorenfotografie wurde von Klaus Honnef 1979, damals Kurator am Rheinischen Landesmuseum in Bonn, in die Debatte eingeführt. Ein Autorenfotograf verfolgt zeitlebens ein einziges Thema, betrachtet die Wirklichkeit aus einem bestimmten Blickwinkel heraus oder entwickelt eine Bildsprache, die man sofort wiedererkennt. Er realisiert nur seine eigenen künstlerischen Vorstellungen als freier Fotograf, das heißt in der Regel ohne explizierten Auftrag von außen.

Aber: Der Autorenfotograf ist weder Amateur noch Hobbyfotograf, auch kein unbewusst arbeitender Berufsfotograf. So gesehen sind die Arbeiten von Atget und Zille auch als Werke von Autorenfotografen anzusehen. Sie schaffen mit ihrem Werk eine authentische Realität, da sie dokumentarisch vorgehen; gehen aber gleichzeitig von ihrem persönlichen Bewusstsein aus, indem sie auswählen, wiederholen und verdichten.

Hildegard Ochse hat sowohl in Berlin als auch auf zahlreichen Reisen fotografiert. Im Haus am Kleistpark werden insbesondere ihre Berlin bezogenen Arbeiten anhand von sieben, thematisch zusammengefassten Bildserien vorgestellt:

Stadtvegetation (1979/80): Wilde Natur in der Stadt: Kräuter, Sträucher und Bäume wachsen auf Parkplätzen, an Rändern der Häuser und auf den noch zahlreichen Ruinengrundstücken. Die Stadtvegetation folgt keinen gesellschaftlichen Regeln und wächst, wie es ihr beliebt. Der Kurator Enno Kaufhold zieht Vergleiche mit der damaligen jungen Generation, die sich aus dem sozialen Reglementieren befreien wollte und das letztendlich gleich der Natur auch umsetzte.

Ganz so politisch sehe ich die Bilder dieser Serie nicht: Sie haben auch etwas Melancholisches, aber eigentlich ist der Inhalt auch unnennbar; etwas von dem Susan Sontag gesagt hätte: Es ist ein Versuch, das Unsagbare auszudrücken. Ähnlich sehe ich die abstrahierenden Bilder der Berliner Mauer, die unmittelbar nach deren Fall entstanden sind: Die Mauer – Metamorphosen (1990). »Gras wird wachsen über den sichtbaren Wunden von Krieg und Vernichtung« sagte Hildegard Ochse dazu. Nur die später einsetzenden Baumaßnahmen boten der Natur Einhalt.

"Dr. Enno Kaufhold und Benjamin Ochse bei der Führung durch die Ausstellung", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
«Dr. Enno Kaufhold und Benjamin Ochse bei der Führung durch die Ausstellung«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Die Aufnahmen aus der Berliner S-Bahn heraus, die vom Spiel mit Schärfe und Unschärfe leben, hat Ochse hingegen noch zu Mauerzeiten fotografiert: S-Bahn – Stadtlandschaften (1983). Beim Blick aus den Fenstern könnte man denken, die Bahn fährt durch unkultivierte Landschaften und fern der Zivilisation. Und irgendwie war es so auch: wilde Natur neben und auf den Gleisen, marode und verlassene Industrieanlagen. Diese drei Serien gehören für mich zu den besten dieser Ausstellung.

Ein Zeitdokument schafft Hildegard Ochse mit dem Café Mitropa (1980), einem angesagten Neon-Cafe in der Schöneberger Goltzstraße (heute Café „M“). Es war das Stammlokal der damaligen Künstleravantgarde, Blixa Bargeld von den „Einstürzenden Neubauten“ ist nur ein Name unter vielen. Auf einem der Fotos liegt die Musikzeitschrift „Spex“ auf dem Tisch unter den Neonröhren in dem spartanisch eingerichteten Café Mitropa. Mit den im selben Ausstellungsraum hängenden Fotos aus Zoologischen Gärten (1983/84) thematisiert Ochse das Eingesperrtsein eigentlich wild lebender Tiere, die entgegen ihrer Natur nun in betongleichen Käfigen gehalten werden.

Die Serien Königliche Porzellan-Manufaktur KPM (1987), in der Ochse die Mitarbeiter der KPM mit ihren manuellen Kunstfertigkeiten in den Vordergrund rückt und auch Der Eid auf die Verfassung – Beamte (1987), eine Porträtserie von Berliner Verwaltungsbeamten, sind besondere Zeitdokumente und weniger künstlerische Arbeiten. Ich gehe davon aus, dass im Werk von Hildegard Ochse, die ich aus der gemeinsamen „Werkstatt“-Zeit kenne, noch weitere „Schätze“ lagern, die entdeckt werden müssen.

Mehr als 5 000 Schwarz-Weiß-Fotografien umfasst das Werk von Hildegard Ochse. Die Ausstellung zeigt hiervon 190 Originalabzüge aus ihrem Nachlass. Diese erste Retrospektive der Autorenfotografin erlaubt, das Werk neu zu entdecken. Die Ausstellung wurde von Dr. Enno Kaufhold kuratiert. Begleitend zur Ausstellung zeigt Benjamin Ochse, der Sohn von Hildegard Ochse, zwei Videos zu den fotografischen Arbeiten seiner Mutter. Ort: Haus am Kleistpark, Grunewaldstraße 6 – 7, 10823 Berlin, Di bis So 10 – 19 Uhr, bis 29. Juli 2012. www.hausamkleistpark.de, www.hildegard-ochse.de, Video zur Ausstellung mit Enno Kaufhold

Die Quadratur der Stadt

Von Friedhelm Denkeler,

»Paris | Berlin – So kann man es auch sehen«. Fotografisches aus zwei Städten von Horst Hinder und Philippe Saunier im Berliner Bayer-Haus.

Das Quadrat ist ein ganz besonderes Bildformat. Es ist ausgewogen und harmonisch, nimmt sich als Format stark zurück und rückt damit den Bildinhalt in den Vordergrund … Das Quadrat als mystische Beigabe im Bild oder als eigenständige Bildform besitzt in der Kunstgeschichte eine lange Tradition: angefangen mit Albrecht Dürers magischem Quadrat in seiner Melancolia I (1514), Kasimir Malewitschs ikonengleichem Schwarzen Quadrat (1915) und Josef Albers Serien Hommage to the Square (60er Jahre des 20. Jahrhunderts). [Dr. Simone Kindler)

Horst Hinder, der seit über 25 Jahren in Berlin lebt und arbeitet, hat die Stadt fotografisch auseinander genommen und Quadrat für Quadrat wieder neu zusammengesetzt. Das größte Bild „2880 Pixel“ befindet sich gleich in der zweiten Etage im Bayer-Haus am Kurfürstendamm: Es misst 300 x 60 Zentimeter und besteht aus 2880 kleinen Einzelaufnahmen in der Größe 2,5 x 2,5 cm. Wenn man das Bild mit großem Abstand betrachtet, wirkt das Ganze wie eine Landschaft mit dem darin „versteckten“ Schriftzug „Berlin“. Tritt man ganz nah an das Bild heran, so sind 2880 einzelne Stadtimpressionen wahrzunehmen. Nicht ganz zufällig hat Hinder auch ein Stück Pflaster mit den 3-linigen blauen Marathonstreifen mit eingebaut: Er ist aktiver Marathonläufer.

"Horst Hinder mit "5x5", Nr. 7 und Nr. 8", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Horst Hinder mit »5×5, Nr. 7 und Nr. 8«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

In der dritten Etage zeigt Hinder aus seiner Serie Berliner Pflaster die Arbeiten Der junge Herr Bergmann, Der rauchende Herr Bergmann und Der alte Herr Bergmann (100 x 100 cm). Sie sind aus jeweils 49 Aufnahmen des Bodenpflasters der Bergmannstraße in Kreuzberg zusammengesetzt – und wenn man den richtigen Abstand hat und genau hinsieht, wird Herr Bergmann auch jedes Mal sichtbar.

In den Collagen 5 x 5 der 4. Etage (siehe Foto) entstehen durch jeweils 25 Einzelaufnahmen neue architektonische Ansichten der Stadt auf 140 x 140 cm. Erwähnen möchte ich weitergehend die Arbeit Yak und Yeti in der 5. Etage. Hinder hat sie aus 784 Einzelaufnahmen zum Thema Dopplungen komponiert. Die Arbeit ist ein ›Suchbild‹ und hat man sich erst eingesehen, so springen dem Betrachter die einzelnen Dopplungen förmlich ins Auge.

Horst Hinder, der die Ausstellung selbst konzipiert hat, stellt darüber hinaus die Fotografien von Philippe Saunier seinen eigenen Arbeiten auf den jeweiligen Etagen gegenüber. Saunier zeigt eher kleinformatige Fotos in schwarz/weiß aus seiner Heimatstadt Paris und aus Berlin. Durch das Negativ-Mittelformat, die vorzüglich auf mattem Baryt-Papier abgezogenen schwarz-weiß-Fotos und die ohne störendes Glas präsentierten Bilder, bilden Sauniers Arbeiten einen guten Kontrast zu Hinders quadratischen Werken in Farbe.

Und so entstehen poetische Stadtansichten, getragen von einer ruhigen und ausgewogenen Komposition. Philippe Saunier sucht die einsamen Eindrücke in den Straßen der Metropolen, bewusst meidet er die Touristenströme. Saunier hat eine Vorstellung, eine konkrete Idee, wo er seine Aufnahmen in den Städten machen möchte, sei es im Osten Berlins wie zum Beispiel am Alexanderplatz. Es sind keine Aufnahmen, die en passant entstehen, sondern bewusste Kompositionen. [Dr. Simone Kindler]

"Das Foyer im 4. und 5. Stock des Bayer-Hauses", Foto © Philippe Saunier 2012
»Das Foyer im 4. und 5. Stock des Bayer-Hauses«, Foto © Philippe Saunier 2012

Das siebengeschossige Bürogebäude Bayer-Haus mit dem Rasterfachwerk wurde 1951/52 errichtet und ist 1988 denkmalgerecht restauriert worden. Die Chemie-Firma Bayer hatte dort ihren Sitz. Das Haus war eines der ersten Neubauten in West-Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg und galt damals als das „schönste Haus Berlins“. Durch den Besuch der Ausstellung ergibt sich eine gute Gelegenheit, das Treppenhaus, das den Charme der 1950er Jahre wiederspiegelt und die auf jeder Etage befindlichen, großzügigen Foyers kennenzulernen (siehe Foto), die es heute ermöglichen dort Bilder zu zeigen. Die Ausstellung ist im Bayer-Haus am Olivaer Platz, Kurfürstendamm 179, 2. bis 5. Etage, 10707 Berlin, Mo-Fr 8-19 Uhr, noch bis Ende August 2012 zu sehen. www.horst-hinder.de,  www.philippesaunier.org

Die wahren Optimisten

Von Friedhelm Denkeler,

»Die wahren Optimisten sind nicht überzeugt, dass alles gut gehen wird, aber sie sind überzeugt, dass nicht alles schief gehen kann«, Friedrich Schiller, Foto/Grafik © Friedhelm Denkeler 2007
»Die wahren Optimisten sind nicht überzeugt, dass alles gut gehen wird, aber sie sind überzeugt, dass nicht alles schief gehen kann«, Friedrich Schiller, Foto/Grafik © Friedhelm Denkeler 2007
Anmerkung zur Kategorie »«

In dieser Kategorie erscheint am ersten Tag eines Monat öfter ein bildlich umgesetzter Post mit einem Zitat. Das kann eine Photographie mit einem Spruch sein oder ein Bild, das grafisch mit dem Zitat des Monats gestaltet wurde.

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Der Architekt des Lichts und des Minimalismus

Von Friedhelm Denkeler,

Die Lichtinstallationen von Dan Flavin im Hamburger Bahnhof

Der Hamburger Bahnhof beherbergt seit 1996 das Museum für Gegenwart der Nationalgalerie in Berlin. Es werden dort Hauptwerke der Nationalgalerie, der Sammlung Marx und der Friedrich Christian Flick Collection gezeigt. Wenn man den dreiflügligen Ehrenhof betritt, fällt als erstes die Lichtinstallation von Dan Flavin an der historischen Fassade des ehemaligen Bahnhofs auf. Sie besteht aus 120 blauen und grünen fluoreszierenden Leuchtstoffröhren. Es ist das letzte ortsgebundene, zu Lebzeiten des Künstlers, ausgeführte Werk.

"Dan Flavin im Hamburger Bahnhof", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Dan Flavin im Hamburger Bahnhof«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Auf besonderen Wunsch des Künstlers ist diese Lichtinstallation rund um die Uhr im Betrieb. Den blaugrünen Gruß vom nächtlichen Hamburger Bahnhof kennen die Fahrgäste auf der nahe gelegenen Stadtbahnstrecke.

Jetzt wurden im Ostflügel des Museums die Werke des US-Amerikanischen Künstlers Dan Flavin (1933-1996) aus den Sammlungen des Museums zusammengeführt. Flavin begann 1961 mit Licht als künstlerischem Material zu arbeiten und nutzte hauptsächlich industriell gefertigte Neonröhren für die Installationen.

Seine Werke konstruierte er eng angepasst an die Raumstrukturen, Ecken und Gesimse der jeweiligen Standorte. Die Licht-Objekte spiegeln sich in der Deckenverkleidung und in den Fenstern. Stimmungsräume entstehen, die den Besucher mit einbeziehen: Die Farben „färben“ auf die Betrachter ab. Für Fotografen haben diese Arbeiten eine hohe Anziehungskraft.

Flavin nahm an der documenta 1968 und 1977 in Kassel teil. Seine Werke verlöschen zwar, wenn die Lampen ihren Geist aufgeben – nach ca. 2000 Stunden. Das mag auf die einzelne Leuchtstoffröhre zutreffen, die man aber stets austauschen kann (zumindest solange es sie noch zu kaufen gibt!). Als Kunstwerke des Minimalismus aber sind seine Arbeiten von Dauer. Sie sind im besten Sinne zeitlos.

Seit beinahe 100 Jahren nutzen Künstler das immaterielle Medium Licht in Form von Glühbirnen, Neonröhren und Scheinwerfern. Dan Flavin lässt das Publikum Räume durch den Einsatz maschinell produzierter Neonröhren anders wahrnehmen. Anthony McCall hingegen formt mit Licht Skulpturen; seine Lichtprojektionen sind gleichzeitig in der Historischen Halle im Hamburger Bahnhof zu sehen (siehe Die Lichtdome vom Hamburger Bahnhof). Dan Flavin’s Werke finden Sie in dieser PDF-Datei der Universität Heidelberg.

John Cage als bildender Künstler und die Aufbrüche der Malerei in den realen Raum in der Akademie der Künste

Von Friedhelm Denkeler,

John Cage und … Bildender Künstler – Einflüsse, Anregungen

John Cage (1912-1992) war bisher als Komponist, Musiker, Philosoph und Literat bekannt, seine Werke als bildender Künstler und insbesondere sein Einfluss auf die Kunst hingegen weniger. Dies will die aktuelle Ausstellung, die Cages visuelles Werk mit der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts verknüpft, korrigieren.

"Akademie der Künste", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Akademie der Künste«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Anlässlich des 100. Geburtstags von Cage zeigt die Akademie der Künste am Hanseatenweg ein ganzes Jahr über eine Reihe ausgezeichneter Ausstellungen.

Aktuell sind Klanginstallationen, Zeichnungen, Notationen, Foto- und Filmdokumente – von John Cage selbst, von Zeitgenossen und Freunden, darunter Richard Buckminster Fuller, Marcel Duchamp, Robert Rauschenberg, Nam June Paik und Mark Tobey.

Erstmals zeigt die Schau mit Werken von Paul Klee, László Moholy-Nagy und Anni und Josef Albers die Verbindung zwischen Cages bildkünstlerischer Entwicklung und den Aufbrüchen der klassischen Moderne, die man so noch nie beisammen sah.

Ob alle diese Werke essenziell etwas mit Cage zu tun haben, sei dahingestellt, aber es macht Freude die Ausstellung zu sehen; und Cage Denk- und Arbeitsweise wird ein Stück sichtbarer.

Der gebürtige Kalifornier behauptete, es geschähe immer etwas, das Klänge erzeuge. Und aus Klängen bestehen auch alle seine Blätter: grafische Arbeiten an der Grenze zwischen Partitur und Bildkunst: Rhythmisch gesetzte Striche, Noten, die wie Kalligrafien aussehen, Linien, die zu kringelnden, tanzenden, sich verknotenden oder sturmartig über den Karton wirbelnden Chiffren werden. [DIE ZEIT]

In der Ausstellung kann man einen Klangraum betreten, den John Cage bereits 1987 auf der Documenta vorgestellt hat. Hier liegen 300 Schallplatten von Rock mit bis Klassik aus. Auf fünf Schallplattenspielern können zeitgleich die Besucher „ihre“ Musik abspielen und dem so entstandenen Konzert lauschen.

Aufbruch. Malerei und realer Raum

Mit der zweiten Ausstellung will die Akademie anhand von 100 Arbeiten aufzeigen, was seit der Mitte des 20. Jahrhunderts unternommen wurde, um die Flächigkeit, den Rahmen und das alte Spiel von Vorder- und Hintergrund zu überwinden: Günther Uecker schlägt Nägel in die Leinwand, Gotthard Graubner wattiert Leinwände zu Kissenbildern, Lucio Fontana durchstieß die Leinwand mit einem Locheisen und Frank Stellas Bilder verlieren das Rechteck und wachsen in den Raum.

Die Gemeinsamkeit aller Arbeiten der europäischen und nordamerikanischen Künstler: Der Blick des Besuchers geht nicht mehr ins Bild, sondern aus dem Bild heraus zum realen Raum. Das Tafelbild besitzt eine fiktive Räumlichkeit, es vermittelt eine Raumillusion; Skulpturen dagegen werden aufgrund ihrer Dreidimensionalität als tatsächliche Faktoren im realen Raum wahrgenommen.

Beide Ausstellungen sind in der Akademie der Künste, im Hansaviertel am Hanseatenweg 10, 10557 Berlin zu sehen: John Cage nur noch bis zum 17. Juni 2012, Aufbruch bis zum 1. Juli 2012. www.adk.de

Roman Ondák: “Do Not Walk Outside This Area”

Von Friedhelm Denkeler,

Unter den Linden verschwindet die Kunst in den Wolken – Deutsche Guggenheim vor dem Rückzug

Die Deutsche Bank und das New Yorker Guggenheim schließen den Ausstellungsort Unter den Linden in Berlin zum Jahresende – nach 15 Jahren erfolgreicher Ausstellungsgeschichte. Über einige der Ausstellungen der letzten zwei Jahre habe ich hier im Journal berichtet (siehe hier und hier).

Für die Kunstinteressierten ist dieser Schritt nicht nachvollziehbar: Die Bank verliert mit dem Deutschen Guggenheim ein Alleinstellungsmerkmal und die Linden verlieren ihre wichtigste Kunstadresse. Die Bank will in den Räumlichkeiten weg von Kunst, hin zu Wirtschaft und Politik. Aber diese Dialoge mit der Wirtschaft haben wir in Berlin zur Genüge, in unmittelbarer Nachbarschaft alleine Bertelsmann, Allianz und die DG-Bank.

Das Deutsche Guggenheim in Berlin hat seit 1997 insgesamt 16 Auftrags-Arbeiten an zeitgenössische Künstler vergeben. Jeff Koons (2000), Bill Viola (2002), Gerhard Richter (2002), John Baldessari (2004), Jeff Wall (2007), Agathe Snow und in diesem Jahr Roman Ondák. Einen Künstler des Jahres soll es aber weiterhin geben und er soll auch eine Ausstellung erhalten. Roman Ondák zeigt aktuell seine eigens für den Ausstellungsraum konzipierte Arbeit.

"Do Not Walk Outside This Area", aus "Horizonte", Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Do Not Walk Outside This Area«, aus »Horizonte«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Mit seinen Installationen, Performances und Zeichnungen untersucht Ondák die Grenzen zwischen Kunst und alltäglichem Leben. Das beginnt gleich am Beginn der Ausstellung: Das erste Werk, das man erblickt, ist das rote Besetzt-Zeichen einer altmodischen Türklinke. Das Gegenstück ist auf der Rückseite der Ausstellungswand zu finden („Wall Being a Door“).

Der Mittelpunkt der Ausstellung ist jedoch der Tragflügel einer Boing 737 über den man balancieren kann. Und endlich kann man auch den Warnhinweis lesen, den man aus dem Kabinenfenster bisher nicht so richtig zuordnen konnte: Do Not Walk Outside This Area. Für die spektakulärste Arbeit dieser Ausstellung ließ Ondák in Holland den riesigen Flügel einer Original-Boeing 737-500 absägen und ihn passgenau in einen Raum der Ausstellungshalle in Berlin einfügen. Wenn man über den Flügel vom ersten in den zweiten Raum geklettert ist, ist die Ausstellung auch schon zu Ende. Ein Zurückgehen ist nicht erlaubt.

Wer kommt eigentlich auf die Idee in 20 000 Fuß Flughöhe auf dem Flügel herumzuwandern? Und was genau macht das outside der schwarzen Linie so verboten? Und noch etwas ist verboten – nämlich das Fotografieren in den Ausstellungsräumen, übrigens zum ersten Mal im Deutschen Guggenheim. Deshalb habe ich ein Foto aus meinem Fundus zum Thema Fliegen herausgesucht. Die Ausstellung läuft noch bis zum 18. Juni 2012.

Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten

Von Friedhelm Denkeler,

"Es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage", Foto © Friedhelm Denkeler, 2003
»Es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage«, Foto © Friedhelm Denkeler, 2003

Franz Beckenbauer: Es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage!

  • Rudi Völler: Zu 50 Prozent stehen wir im Viertelfinale, aber die halbe Miete ist das noch lange nicht!
  • Heribert Faßbender: Es steht im Augenblick 0:0. Aber es hätte auch umgekehrt lauten können.
  • Horst Hrubesch: Manni Bananenflanke, ich Kopf, Tor! (schildert die Entstehung eines seiner Tore)
  • Andy Möller: Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien!
  • Lothar Matthäus: Ich hab gleich gemerkt, das ist ein Druckschmerz, wenn man drauf drückt.
  • Marco Rehmer: Wir sind hierher gefahren und haben gesagt: Okay, wenn wir verlieren, fahren wir wieder nach Hause.

Have You Ever Seen The Rain?

Von Friedhelm Denkeler,

Ein wunderschöner, melancholischer Song aus dem Jahr 1971

Someone told me long ago
There’s a calm before the storm, I know!
It’ll rain on a sunny day, I know!
Shining down like water.
I wanna know, have you ever seen the rain?

Have You Ever Seen The Rain? Ja, wenn ich aus dem Fenster sehe, irgendwann im Sommer, irgendwo im Sauerland. Na gut! Wir haben die Schafskälte. Aber nach dem Regen kommt der Sonnenschein und der bekannte Klassiker Have You Ever Seen The Rain? aus dem Jahr 1971 von John Fogerty von den Creedence Clearwater Revival (CCR) verbreitet auch heute noch seine gute Laune. Ein einfaches Stück mit einer großen Wirkung.

"Gewitterwolke über Kornfeld", aus "Horizonte", Foto © Friedhelm Denkeler 2008
»Gewitterwolke über Kornfeld«, aus »Horizonte«, Foto © Friedhelm Denkeler 2008

Herausgesucht habe ich das Video, in dem John Fogerty den Song 2010 mit großem Orchester in der Night of Prooms darbietet: John Fogerty: »Have You Ever Seen The Rain?«

Das Original, das in England 1971 auf Platz 1 der Musikcharts stand, ist einer der besten Songs von CCR und ein Stück Musikgeschichte geworden. In Deutschland war eher die B-Seite Hey Tonight bekannt, die inzwischen auch ein Klassiker ist. John scheint den Regen zu lieben, später sang er noch Who´ll Stop The Rain. Wo bleibt eigentlich der diesjährige Sommerhit? Ich kann ihn nirgends finden. 1971 war mein Sommerhit jedenfalls Have You Ever Seen The Rain.

Quadrotura – Lomographien

Von Friedhelm Denkeler,

Aus dem Portfolio »Quadrotura – Lomographien«, Foto © Friedhelm Denkeler 2004
Aus dem Portfolio »Quadrotura – Lomographien«, Foto © Friedhelm Denkeler 2004

Kunst oder Nicht-Kunst – das ist hier die Frage

Der Fotoapparat Lomography Action Sampler ist der Revolverheld unter den Kameras: Ein Schuss – vier Bilder. Bei einer Belichtungszeit von einer Sekunde belichtet der Apparat vier Bilder in Serie auf einem Fotoprint. Alles, was in dieser einen Sekunde passiert oder nicht passiert, wird auf einem 35 mm-Kleinbildfilm festgehalten. Und wenn nichts passiert, bewegt man während der Belichtungszeit einfach die Kamera und das möglichst aus der Hüfte heraus.

Die Lomo hat mit der herkömmlichen Fotografie wenig gemeinsam: Sie versucht zwar mittels Brom und Silber auf vier Bildern, die oft unterschiedlich belichtet sind, die Wirklichkeit festzuhalten. Eine Wirklichkeit, die vierfach existiert, die verwackelt ist, durch Bewegungsunschärfe gezeichnet, durch falsche Farben brilliert, aus unmöglichen Positionen aufgenommen wird und das eigentliche Motiv oft abschneidet. Das alles übt einen besonderen Reiz auf Künstler aus.

Bisher galt es, die schärfsten Fotografien zu machen und mit realistischen Farben wiederzugeben. Mit der Lomographie, wie sie genannt wird, erreicht man genau das Gegenteil. Und da hat die Lomographie etwas mit der Polaroid-Sofortbild-Fotografie gemeinsam. »Bedingt durch die technisch perfekten und überarbeiteten Digitalbilder, gibt es ein neues Interesse an Authentizität und Wirklichkeit, nach Unschärfe und ‚falschen‘ Farben und es geht auch um Nostalgie« (siehe Neue Aufmerksamkeit für die Polaroid-Fotografie) und das alles trifft auf die Lomographie ebenso zu.

Die Lomo-Kamera »Lomography Action Sampler Transparent«, zum dem Portfolio »Quadrotura – Lomographien«
Die Lomo-Kamera »Lomography Action Sampler Transparent«, Foto © Friedhelm Denkele 2012

Anfang der 1990er Jahre begann im Wiener Underground der Siegeszug der Lomographie. Studenten entdeckten die einfach gebaute, mit einer billigen Linse versehene und für den Massenmarkt vorgesehene, russische Kamera LOMO LC-A. Sie gründeten 1992 unter dem Motto »Die Zukunft ist analog« die Lomographische Gesellschaft, die seitdem jedes Jahr neue Lomographische Kameras auf den Markt bringt. Große Ausstellungen in allen Teilen der Welt, bei denen bis zu 100.000 Lomographien gezeigt wurden, haben die Lomographie inzwischen international bekannt gemacht.

Zwischen den Jahren 2000 und 2004 habe auch ich mit der Lomo experimentiert. Die Ergebnisse sind inzwischen anhand von 200 Lomographien in einem Künstlerbuch zusammengestellt. Eine Auswahl der Fotos ist auf der Website www.denkeler-foto.de zu sehen. Die Fotos sind in Berlin im Britzer Garten, im Botanischen Garten, im Zoologischen Garten, am Potsdamer Platz, in den Potsdamer Platz-Arcaden, im Sony-Center, am Kulturforum, auf dem Alexander Platz, Unter den Linden sowie in Babelsberg, Linum, Teltow, im Sauerland und auf Malta, entstanden.

Zum Schluss noch die zehn goldenen, aber simplen Regeln der Lomographie:

Nimm deine Kamera überall mit hin!

Verwende sie zu jeder Tages- und Nachtzeit!

Lomographie ist nicht Unterbrechung deines Alltags,
sondern ein integraler Bestandteil desselben!

Übe den Schuss aus der Hüfte!

Nähere dich den Objekten deiner lomographischen Begierde so weit wie möglich!

Don’t think!

Sei schnell!

Du musst nicht im Vorhinein wissen, was dabei herauskommt!

Im Nachhinein auch nicht!

Vergiss die Regeln!

Die Lichtdome vom Hamburger Bahnhof

Von Friedhelm Denkeler,

Anthony McCall´s »Five Minutes of Pure Sculpture« im Hamburger Bahnhof in Berlin

"Lichtdom", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Lichtdom«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Die Historische Halle des Hamburger Bahnhofs hat in der letzten Zeit bereits zwei spektakuläre Umwandlungen erfahren: Mit zwölf lebenden Rentieren (und allerlei Kleintier) verwandelte Carsten Höller mit Soma die Halle zum Tableau Vivant und Tomás Saraceno baute vor kurzem seine hängenden, begehbaren Gärten Cloud Cities in den Raum hinein.

Jetzt hat der in New York lebende Anthony McCall in der eigentlich lichtdurchfluteten Halle alle hohen Fenster lichtdicht verhängen lassen und sie in eine riesige, dunkle Höhle verwandelt.

Wenn man sich nach einiger Zeit an die totale Dunkelheit gewöhnt hat, sieht man in der mit feinem Nebel gefüllten Halle seine einzigartigen Lichtprojektionen – die Solid Light Film. Sie bestehen aus weiß auf schwarz gezeichneten, animierten Linien, so dass aus zwei-dimensionalen Zeichnungen drei-dimensionale Skulpturen werden.

Mit seinen neuen Arbeiten projiziert er die Bilder aus zehn Metern Höhe von der Decke auf den Boden, so erinnern sie noch mehr an Skulpturen oder an hallenhohe Lichtdome. Der Besucher kann sie umgehen, mittendurch schreiten oder die Strahlen mit ihren Händen unterbrechen, wodurch sie die auf die Wand oder den Fußboden projizierten Konturen verändern.

Anthony McCall, britischer Lichtkünstler mit Wohnsitz in New York, hat in seiner ersten Einzelschau in Deutschland etwas zu bieten, das aus Überwältigung und zugleich völliger Leichtigkeit und Flüchtigkeit besteht. Inhaltsschweres oder Theoretisches gibt es nicht in dieser Raumarchitektur aus Licht, Dunkelheit, Nebel.[Frankfurter Rundschau]

McCall´s frühere, waagerecht auf eine Wand projizierten Arbeiten, die gleichfalls zu sehen sind, erinnern an das Betrachten eines Films im Kino. Sein OEuvre existiert im Grenzbereich von Kino, Skulptur und Zeichnung. Die Ausstellung im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – ist noch bis zum 12. August 2012 in Berlin zu sehen.

My Day With Marilyn

Von Friedhelm Denkeler,

Marilyn Monroe – Die schönste, berühmteste und schwierigste Schauspielerin ihrer Zeit

»Marilyn, ist es wahr, dass Sie im Bett nichts weiter tragen als Parfüm?«. »Da wir in England sind, würde ich sagen, ich schlafe in nichts weiter als in Yardley´s Lavender!«

Es waren die kürzesten neunundneunzig Minuten eines Films und eigentlich sollten sie niemals enden: Sie stehen für eine große Romanze mit der berühmtesten Frau der Welt. Marilyn Monroe (gespielt von Michelle Williams) und ihre einwöchige Liaison mit dem dritten Regieassistenten Colin Clark (Eddie Redmayne) von Sir Laurence Olivier (Kenneth Branagh), der 1956 in London in den Pinewood Studios den Film »Der Prinz und die Tänzerin« drehte und gleichzeitig auch die Hauptrolle übernahm, wird zu einem zarten Liebesfilm.

»My Day With Marilyn«, aus »Quadrotura – Lomographien«, Foto © Friedhelm Denkeler 2000
»My Day With Marilyn«, aus »Quadrotura – Lomographien«, Foto © Friedhelm Denkeler 2000

Der Film beruht auf einer wunderbaren Geschichte – wenn sie denn wahr ist: Der britische Dokumentarfilmer Colin Clark hat 2006 seine Tagebuchaufzeichnungen veröffentlicht. In der ersten Fassung fehlte allerdings eine Woche, diese Woche wurde später publiziert und ist jetzt als »My Week With Marilyn« unter der Regie von Simon Curtis in den Kinos zu sehen. Der Traum aller Männer seiner Zeit wurde für Colin wahr. Marilyn sucht ihn sich als Freund, Beschützer und Vertrauten aus. So könnte es gewesen sein…

Dass deshalb alle Rettungsversuche, die die Männer um sie herum unternehmen, zum Scheitern verurteilt sind, ist tragisch – aber nur für die Männer. In seinem größten Moment deutet der Film nämlich an, dass Marilyn Monroe nie vor Marilyn Monroe geschützt werden wollte. Sie wollte dieses Leben, auch wenn sie letztlich daran scheiterte. [Der Spiegel]

Bruce Davidson mit ›Subway‹ in der C/O-Galerie

Von Friedhelm Denkeler,

Bedrohliche Zeichen an der Wand und die Angst fährt immer mit

1980 befand sich New York im Ausnahmezustand: Viele Teile der Stadt versanken in Müll, Ruinen, Gewalt und Armut. Die U-Bahn war ein gefährlicher Ort: Überfälle, Verwahrlosung, Tunnelfeuer und technische Defekte waren an der Tagesordnung.

Ausgerechnet in dieser Zeit porträtiert Bruce Davidson dort unerschrocken und direkt die Reisenden. Er spricht sie stets vorher an und bittet um ihre Einwilligung. Seine Fotos dokumentieren somit das tägliche Leben in New York vor der großen Kriminalitätsbekämpfung. Verwahrloste und graffitibeschmierte U-Bahnen zeigen die Widersprüche des städtischen Lebens zwischen Reich und Arm, zwischen Ghetto und Skyline.

"Bruce Davidson mit Subway-Graffito", Fotocollage © Friedhelm Denkeler 2012
Bruce Davidson mit Subway-Graffito, Fotocollage © Friedhelm Denkeler 2012

Aber Davidson geht es in erster Linie um die Menschen auf dem engen Raum. Schonungslos zeigt er schwarze und weiße Jugendgangs, Wall Street Broker , Liebespaare, Rabbis, elegante Geschäftsfrauen, coole Discoqueens, Familien, Kids, Obdachlose und Polizisten. Subway ist Davidsons erste Serie, die er in Farbe fotografiert hat. Trotz, oder gerade deshalb, lassen sich mit Hilfe der Bilder die Geschichten der Portraitierten erahnen.

Bereits 40 Jahre zuvor machte ein anderer berühmter Fotograf Fotos in der U-Bahn – Walker Evans. Im Gegensatz zu Davidson fotografierte er aber heimlich. Er wollte Bilder ohne Interaktion zwischen Fotograf und Fotografierten machen. Das entsprach mehr dem von Evans geprägten Begriff des dokumentarischen Stils.

Bruce Davidson, 1933 in Oak Park in den USA geboren, begann schon als Jugendlicher zu fotografieren und studierte Kunst an der Yale University. Während seines Militärdienstes in Frankreich lernte er 1957 Henri Cartier-Bresson, einen der Gründer der Agentur MAGNUM, kennen. 1958 wurde Davidson Mitglied bei MAGNUM. In zahlreichen Projekten dokumentierte er vor allem Menschen in ihrem städtischen Kontext, so sein East 100th Street-Projekt, in dem er 1970 das Leben in und um einen Wohnblock dokumentierte.

Neben den Bruce Davidson-Fotos sehen wir bei C/O im Postfuhramt in Berlin, ebenfalls noch bis 20.05.2012, die meisterhaften Porträtfotografien von Arnold Newman. Anschließend zeigt C/O eine Larry-Clark-Retrospektive. Fotobuch Subwaywww.co-berlin.info

Eine romantische Geschichte im Ballsaal … mit den Kinks

Von Friedhelm Denkeler,

Vergiss nicht zu tanzen … im Zustand der Verwirrung

"Rote Rose", Foto © Friedhelm Denkeler 2003
»Rote Rose«, Potsdamer Platz, Berlin, Foto © Friedhelm Denkeler 2003

Sie gehörten in den 1960er Jahren neben den Rolling Stones und den Beatles zu den Top 3 der britischen Beat-Ikonen: The Kinks mit den Brüdern Ray und Dave Davies (beide Gesang und Gitarre).

Ihre 1964 erschienene Single You Really Got Me bescherte ihnen den musikalischen Durchbruch. Sie gingen damit als die Erfinder des Hard Rock, noch vor The Who, in die Geschichte der Rockmusik ein. Auch wenn die Musik ähnlich klingt, Heavy Metal kam erst später und ist noch ›einen Zahn‹ härter.

Heute habe ich aus meinem Rock-Archiv einen sanfteren Song aus dem Jahr 1983, der gleichzeitig auch ihr letzter großer Erfolg wurde, herausgesucht. Er stammt aus dem Album State Of Confusion: The Kinks: »Don’t Forget to dance«

Ein wunderbarer Song mit einem passenden Video, das Erinnerungen an die guten, alten Zeiten hervorruft und sehnsuchtsvoll in Szene setzt, wie Musik und Tanz alle Generationen verbindet. Es ist ein ›vergessener‹ Song, aber die Kinks-Fans kennen ihn natürlich. Ray Davis kann die traurigen Momente des Lebens wunderschön in Worte und Musik fassen.

Don’t forget to dance, no, no, no,/
Don’t forget to smile./
Don’t forget to dance, no, no, no,/
Forget it for a while.

Als zweiter Song aus dem 1983er-Album in vergleichbarer Qualität soll Come Dancing erwähnt werden. Die Band gründete sich, kurz nach dem Beatles-Boom, im Jahr 1963. Ray Davis gilt neben Lennon/McCartney als einer der besten Songwriter. Zu seinen bekanntesten Songs gehören: Lola, Dead End Street, Death Of A Clown, Autumn Almanac, Sunny Afternoon, Waterloo Sunset.

Dandy war übrigens der erste Nummer-1-Hit der Kinks 1964 in Deutschland. 1990 wurde die Band in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. 1996 trennte sich die Gruppe. Der Regisseur Julien Temple plant unter dem Titel You Really Got Me einen Film über die Anfangsjahre der Kinks.

Der Koloss von Prora

Von Friedhelm Denkeler,

»Die Promenade in Prora«, Rügen, Ostsee, Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Die Promenade in Prora«, Rügen, Ostsee, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Der Name Prora bezeichnete ursprünglich den Höhenzug zwischen Schmaler Heide und Neu-Mukran nahe Binz auf der Insel Rügen und steht heute allein für einen riesigen, über fünf Kilometer langen, Gebäudekomplex. Prora sollte 1936 das größte Seebad der Welt werden und als Teil der Nazi-Massenorganisation Kraft durch Freude – KdF Ferienunterkünfte für 20 000 Menschen an der Prorer Wiek bieten. Mit Beginn des Krieges wurden die Arbeiten 1939 eingestellt und niemals fortgesetzt.

Von den acht erhaltenen Gebäuden, die jeweils eine Länge von 500 Metern haben, wird derzeit nur ein kleiner Teil genutzt. Im letzten Jahr wurde in einem Gebäude eine Jugendherberge eröffnet. Die Promenade zwischen den Gebäuden und dem Ostseestrand wurde mittlerweile von der Natur zurückerobert und auch der Blick aus den Zimmern auf das Meer wird heute durch einen Kiefernhain verdeckt. Das Kolossale des unter Denkmalschutz stehenden Komplexes ist fotografisch praktisch nicht zu erfassen.

Die Buchenwälder der Granitz auf Rügen

Von Friedhelm Denkeler,

»Buchenwald in der Granitz«, Rügen, Ostsee, Naturschutzgebiet Granitz, Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Buchenwald in der Granitz«, Rügen, Ostsee, Naturschutzgebiet Granitz, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Zwischen den Ostseebädern Binz und Sellin liegt innerhalb des Biosphärenreservats Südost-Rügen das Naturschutzgebiet Granitz. Es besteht aus drei Kernzonen: dem Hochufer, dem Kesselmoor Große Wiese und dem Schwarzen See. Um den küstennahen Altwaldbestand aus Buchen, Moränenkliffs und den eingestreuten Kesselmooren in ihrer natürlichen Entwicklung zu unterstützen, wurde das Schutzgebiet 1990 eingerichtet. Da der Boden der Granitz aus bis zu 70 Meter dicken Sandschichten besteht, fehlen die Fließgewässer in dieser Region, die während der letzten Eiszeit entstanden ist.

Von Rosen getötet

Von Friedhelm Denkeler,

Die Metamorphose Japans nach dem Krieg – Fotografie 1945–1964. Die Herausbildung der nationalen Identität und die Rolle der Fotografie

»Fotografie spielte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan eine wichtige Rolle bei der Herausbildung einer neuen nationalen Identität. Vom Schock der Atombombenabwürfe bis hin zur Neupräsentation des Landes bei den Olympischen Spielen in Tokio im Jahr 1964 wurde die Geburt der neuen japanischen Nation von bedeutenden Fotografen begleitet« schreiben einleitend die Kuratoren.

"Selbst in der Jebenstraße", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Selbst in der Jebenstraße«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Vom Elend der unmittelbaren Nachkriegsjahre bis zum Wiederaufbau und den Folgen der Modernisierung reicht die inhaltliche Spannweite der Fotos. Dabei spielen die Fotografen der Bildagentur Vivo ab Mitte der 1950er Jahre eine tragende Rolle.

Ausstellungen zur japanischen Fotografie sind in Europa selten zu sehen. Allein aus diesem Grund lohnt sich der Besuch der Ausstellung, die in drei Kapitel eingeteilt ist: Die Folgen des Krieges, Tradition versus Moderne und Ein neues Japan.

Mit 123 Schwarz-Weiß-Fotografien werden die Arbeiten von elf japanischen Fotografen der Nachkriegszeit vorgestellt. Bekannt in Europa ist insbesondere Eikoh Hosoe. Sein Foto Barakei (Von Rosen getötet) steht stellvertretend für die künstlerischen Werke in der Ausstellung. Die Arbeiten der anderen Fotografen folgen eher einem bildjournalistischen Ansatz.

Ab Mitte der 1950er Jahre ändern sich die Arbeiten immer mehr in Richtung subjektive Dokumentation. Sie wandeln sich von der Dokumentation der Kriegszerstörungen hin zum Gegensatz zwischen dem traditionellen Japan und der Modernisierung des Landes, die gleichzeitig mit der amerikanischen Besetzung in Verbindung gebracht wird.

In einem Sonderteil der Ausstellung (grauer Kubus) werden amerikanische Fotografien des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, der atomaren Tests in den amerikanischen Wüsten und auf den Inseln im Pazifik gezeigt. Fotografien von dem japanischen Militärfotografen Yosuke Yamahata, die einen Tag nach dem Abwurf der Atombombe auf Nagasaki am 10. August 1945 entstanden sind, halten den unvorstellbaren Schock des vorangegangenen Tages fest.