Sächsischer Baguetteboden

Von Friedhelm Denkeler,

»Beuys oder nicht Beuys – Das ist hier die Frage«, Foto © Friedhelm Denkeler 2008
»Beuys oder nicht Beuys – Das ist hier die Frage«, Foto © Friedhelm Denkeler 2008

Ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2011 wünscht Friedhelm Denkeler

Ein kurzes Video zum Jahresausklang und passend zu meinem Foto habe ich im Internet gefunden: Sächsischer Baguetteboden. Es geht um ein klassisches Missverständnis beim Fußbodenlegen (hauptsächlich in Sachsen).

Der Duden erklärt übrigens Still-Leben und Parkett wie folgt:

Still|le|ben, Still-Le|ben, das; -s, – (Malerei bildl. Darstellung von Gegenständen in künstl. Anordnung)

Par|kett, das; -[e]s, Plur. -e und -s <franz.> (im Theater meist vorderer Raum zu ebener Erde; getäfelter Fußboden)

Carsten Höller – Ein Rentier im Zöllnerstreifenwald

Von Friedhelm Denkeler,

Weihnachtliches Blinkobjekt und optische Täuschungen in der Schering Stiftung

"Im Zöllnerstreifenwald", Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Im Zöllnerstreifenwald«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Nachdem ich gestern bereits die Ausstellung im Deutschen Guggenheim Color Fields besprochen habe (siehe hier), folgt heute der Bericht des anschließenden Besuchs in der Schering Stiftung, Unter den Linden 32-34.

Carsten Höller beleuchtet mit seinem Werk Rentier im Zöllnerstreifenwald im Projektraum der Schering Stiftung das Phi-Phänomen. Dieses bezeichnet die Wahrnehmung einer real nicht existierenden Bewegung, die im Auge durch das in kurzen Frequenzen ein- und wieder ausgeschaltete Licht zweier stationärer Lichtquellen entsteht. In einem Video erklärt Carsten Höller, was es mit dem Phi-Phänomen auf sich hat und was ihn daran interessiert.

Mit dem für die Ausstellung in der Schering Stiftung hergestellten Rentier bestehend aus roten und grünen Glühlampen, die in Phi-Manier an- und ausgehen, setzt Höller die Betrachter einer doppelten Illusion aus: Das Rentier steht in einem mit Zöllnerstreifen bemalten Raum, welche zwar parallel zueinander verlaufen, aber als divergierende Streifen wahrgenommen werden. Die Ausstellungsbesucher werden zum Probanden ihrer eigenen Destabilisation. Sie erfahren, wie sich unstete Zwischenzustände auf das eigene Befinden und die Raumwahrnehmung auswirken. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach dem Mechanismus der Illusionen. Wie kann es sein, dass springende Lichtpunkte gesehen werden, wenn die Lichtquelle, zu der der Lichtpunkt springt, noch gar nicht an ist? Wieso sehen die Zöllnerstreifen so aus, als würden sie nicht parallel zueinander verlaufen? [Zitat Presseerklärung].

Die Ausstellung ist als Ergänzung zur großen Ausstellung „Soma“ von Carsten Höller zu sehen. Meinen ersten Vorbericht „Ein Platz für Tiere – im Hamburger Bahnhof“ finden Sie hier. Die ausführliche Besprechung anhand eines zweiten Besuchs erfolgt in den nächsten Tagen.

Farbfeldmalerei im Deutschen Guggenheim

Von Friedhelm Denkeler,

Kenneth Noland, Mark Rothko, Frank Stella, u.a. mit »Color Fields«

"Rötliches Farbfeld", aus dem Portfolio "Das Prinzip der leeren Mitte", Foto © Friedhelm Denkeler 1994
»Rötliches Farbfeld», aus dem Portfolio »Das Prinzip der leeren Mitte», Foto © Friedhelm Denkeler 1994

Einen Spaziergang Unter den Linden nutzte ich, um mir die zurzeit aktuellen Ausstellungen im Deutschen Guggenheim Color Fields und in der Schering Stiftung Ein Rentier im Zöllnerstreifenwald, anzusehen. Zuerst zur Guggenheim-Ausstellung. Die Ausstellungsbroschüre leitet die Ausstellung wie folgt ein:

»In den Fünfzigern und Sechzigern begannen sich viele junge amerikanische Vertreter der abstrakten Malerei vom Kanon des Abstrakten Expressionismus und seiner Betonung des Gestischen und Emotionalen abzukehren. Dabei wandten sie sich neuen Ausrichtungen zu: einer radikal optisch orientierten Ausdrucksweise, die später unter dem Begriff „Color Field Painting/ Farbfeldmalerei“ bekannt wurde, und der „Pop-Art“, die die Bilder der Massenmedien zu einem neuen Stil verarbeitete. Während sich die Pop-Art dabei kontinuierlich auf aktuelle Phänomene bezog, indem sie die Bilder der Konsumgesellschaft neu interpretierte, distanzierte sich die Farbfeldmalerei bewusst von jeglichen gesellschaftlichen Bezügen, um sich ganz auf das emotionale Potential der Farbe zu konzentrieren.«

Namhafte Künstler wie Kenneth Noland, Mark Rothko, Frank Stella und zehn weitere Künstler sind in der Ausstellung vertreten. Ein Video gibt einen kurzen, aber guten Überblick über die Ausstellung. Die nichtgegenständliche Farbfeldmalerei mit ihren großflächigen homogenen Farbfeldern ist nicht unbedingt meine bevorzugte Kunstrichtung. Einige Künstler tränken ihre großformatigen Leinwände mit Farbe, statt sie zu bemalen. Andere malen farbige Streifen auf die Leinwand oder besprühen sie. Am spannendsten fand ich noch Frank Stellas Harran II aus dem Jahr 1967 (siehe hier).

Der Besuch der Ausstellung war von kurzer Dauer. Es ließ sich alles auf den ersten Blick erkennen. Von dem anschließenden Besuch der Schering-Stiftung erhoffte ich mir mehr. Der Bericht folgt morgen.

»John, die Brille!« oder: »Leben im Nirgendwo viele Genies?«

Von Friedhelm Denkeler,

Nowhere Boy – Ein Film über John Lennons Jugendjahre

"Elli Meinert", ca. 1946, © Friedhelm Denkeler
»Elli Meinert«“, ca. 1946, © Archiv Friedhelm Denkeler

Zum 30. Todestag von John Lennon erinnert ein, im positiven Sinne, ruhiger und unspektakulärer Film an die Kinder- und Jugendjahre Lennons im Liverpool der späten Fünfziger.

»Nowhere Boy«, der zurzeit in den Kinos läuft, zeigt Lennon, wie wir ihn bisher nicht kannten: als sarkastischen Schüler und pubertierenden Rock ’n‘ Roll-Rebellen auf der Suche nach Orientierung, die er zu Hause nicht bekommt. Als er fünf ist, trennen sich seine Eltern, weil seine Mutter ein Kind von einem anderen Mann erwartet. Den Trailer zum Film finden Sie hier.

John wächst bei Mimi, der Schwester seiner Mutter auf, die ihn mit Strenge erziehen möchte und deren Fürsorge in den leicht unbeholfenen Worten »John, die Brille!« zum Ausdruck kommt. Eines Tages trifft John jedoch seine Mutter Julia. Diese lebenslustige Frau führt John in die aufregende Welt des Rock ’n‘ Roll ein. Bei einem Ausflug nach Blackpool tanzt er mit ihr vor einer Musikbox nach »Rocket 88« von Ike Turner.

Zwischen beiden Frauen, Tante Mimi und Mutter Julia, ist John hin- und hergerissen und bleibt es bis zum frühen Tod der Mutter, den er als gerade 17-jähriger verkraften muss. Sie stirbt bei einem Unfall, als sie gerade begannen, sich einander wieder anzunähern. »Es war das Schlimmste, was mir je widerfahren ist«, sagte Lennon später.

Liverpool ist in den späten fünfziger Jahren eine triste Stadt, in der die Erwachsenen ein strenges Regiment aufrechterhalten möchten. »Dein Leben wird im Nirgendwo enden«, prophezeit der Rektor dem Schüler John als er mit einem Magazin erwischt wird. John antwortet schlagfertig: »Leben im Nirgendwo viele Genies?« Lennon passt sich im Rocker-Outfit, mit Lederjacke und nach hinten gegelten Haaren, immer mehr und dem Rock ’n‘ Roll an. Seine Mutter bringt ihm das Banjospielen bei, Tante Mimi schenkt ihm eine Gitarre und er gründet seine erste Band , die »Quarrymen« (1956).

Natürlich war ich gespannt auf die erste Begegnung zwischen dem emotionalen John Lennon und dem viel rationaleren und talentierteren Paul McCartney im Jahre 1957. Nach anfänglicher Konkurrenzsituation lernen sich beide als ideale Ergänzung zueinander schätzen.

Der Name Beatles wird im Film kein einziges Mal erwähnt. Nur in der Schlussszene ahnt man den Beginn der Popgeschichte mit der Gründung der Beatles vor 50 Jahren. Mit den Worten »Ich fahr nach Hamburg« (1960) verabschiedet sich John von Tante Mimi. »Mit deiner neuen Band?«, antwortet sie und im Abspann läuft Johns traurigster »Song Mother you had me / But I never had you« und im Kino fließen Tränen.

Siehe auch mein Artikel »Du wirst vielleicht sagen, ich bin ein Träumer« über John Lennons Hit Imagine.

Du wirst vielleicht sagen, ich bin ein Träumer

Von Friedhelm Denkeler,

John Lennons »Imagine« – Imagine there’s no heaven/ It’s easy if you try/ No hell below us/ Above us only sky

»Graffito«, Venedig, aus dem Portfolio »Harmonie eines Augenblicks«, Foto © Friedhelm Denkeler 1979
»Graffito«, Venedig, aus dem Portfolio »Harmonie eines Augenblicks«, Foto © Friedhelm Denkeler 1979

In diesem Monat vor 30 Jahren wurde John Lennon in New York vor seinem Appartement im Alter von 40 Jahren ermordet. Muss man heute erwähnen, dass er als Mitgründer, Sänger und Gitarrist der Beatles weltberühmt wurde? Nein, das ist bekannt. Anfang der 1960er Jahre trat John Lennon mit den Beatles im Star-Club Hamburg und später im Cavern Club in Liverpool auf. Während dieser Zeit heiratete er Cynthia Powell und ihr Sohn Julien wurde geboren.

Die Beatles feierten in kurzen Abständen ihre weltberühmten Hits: Love Me Do (die erste Single, 1962), Please Please Me (Single und erstes Album), I Want to Hold Your Hand (1964), A Hard Day’s Night (1964, Single, Spielfilm), Michelle (1965), Eleanor Rigby (1966), Strawberry Fields Forever (1966), All You Need Is Love (1967), Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (Konzeptalbum, 1967), Hey Jude (1967), Back in the USSR (1968), Lady Madonna (1968) und Let It Be (1969), um nur einige zu nennen.

1969 heiratete John Lennon in Gibraltar die Japanerin Yoko Ono, die er 1966 kennenlernte. Es folgte ihr berühmtes einwöchiges Bed-In in Amsterdam und sie gründeten gemeinsam die Plastic Ono Band. John Lennons letztes Projekt mit den Beatles war Abbey Road. Es wurde eines der erfolgreichsten Alben. 1970 verkündete Paul McCartney das Ende der Beatles.

1971 zogen Lennon und Ono nach New York. Sie traten gemeinsam in Konzerten auf und veröffentlichten erste Schallplatten. John Lennons zweites Album Imagine war das kommerziell erfolgreichste. Es erzielte weltweit Spitzenplätze in den Charts. Der Titelsong, der in der Bestenliste »500 Greatest Songs of All Time« der Zeitschrift Rolling Stone auf Platz drei steht, ist Lennons bekanntester Song: John Lennon: »Imagine«

John Lennon wurde am 8. Dezember 1980 von dem Attentäter Mark David Chapman in New York vor seinem Haus, dem Dakota Building in der 72. Straße, erschossen. Wenige Stunden vor seinem Tod gab Lennon seinem späteren Mörder noch ein Autogramm. Einer der zahlreichen Fans, die sich stets vor seinem Appartement aufhielten, machte an diesem Tag das letzte Foto von John Lennon, das gleichzeitig im Hintergrund Chapmann zeigt.

Wo ist die Blaue Blume von Jeff Koons geblieben?

Von Friedhelm Denkeler,

Die Neue Eiszeit kommt und Balloon Flower geht

"Blaue Blume im Schnee", Foto © Friedhelm Denkeler 2006
»Blaue Blume im Schnee«, Foto © Friedhelm Denkeler 2006

Nichtsahnend kämpfe ich mich auf den neuen, schneebedeckten Berliner Trampelpfaden durch den Großstadtdschungel. Gibt es nicht ein neues Gesetz, das besagt, dass der Schnee weggeräumt werden muss? Egal, es ist genauso schlimm wie im letzten Winter – und das ist erst der Anfang, der kalendarische Winter beginnt schließlich erst am 22. Dezember. Deutet sich schon jetzt an, dass dieser Winter so frostig wird, wie es der vergangene war? Die Klimaexperten befürchten, jedenfalls in Europa, eine neue Eiszeit.

Auch auf der S-Bahn das übliche Chaos. Zunächst einmal fällt eine S-Bahn aus, aber irgendwann lande ich doch am Potsdamer Platz. Langsam wird es Weihnachten und ich sollte an die Weihnachtsgeschenke denken. Schon kommt der nächste Schock, die Skulptur Balloon Flower (Blue) von Jeff Koons ist verschwunden. Die Plastik wurde im Jahr 2000 durch die Kunstsammlung der Daimler AG für 1,8 Millionen Euro direkt vom Künstler erworben und stand seitdem auf dem Marlene-Dietrich-Platz.

Die blaue Balloon Flower ist eine von insgesamt fünf Skulpturen aus Koons Celebration-Serie. Die anderen Blumen wurden in magenta, orange, gelb und rot produziert und sind inzwischen in der ganzen Welt verteilt. 2008 wurde die magentafarbige Skulptur bei Christie’s in London für den Rekordpreis von 19 Millionen Euro versteigert. Ähnliches hatte sich Daimler jetzt bei einer Auktion von Christie’s in New York mit Einlieferung der blauen Balloon Flower erhofft. Es wurden aber nur 13 Millionen Euro. So schön blau wie auf meinem Foto aus dem Winter 2006 wird es also nie wieder in Berlin glänzen.

Der US-Künstler Jeff Koons, 1955 geboren, hat in seiner Serie Celebration die Formensprache von Kinderspielzeug und Geschenkartikeln in großformatige Skulpturen umgesetzt. 2008 wurde die Celebration-Serie in der Neuen Nationalgalerie Berlin ausgestellt (siehe Video). Das fast 3 x 3 x 3 Meter große und fünf Tonnen schwere Kunstwerk „Ballon Flower“, das wie eine Blume geformt ist, die Clowns und Straßenkünstler häufig aus Luftballons knoten, ist aus hochglanzpolierten Edelstahlgussteilen gefertigt und in einem leuchtenden Blau lackiert worden (hier ein weiteres Beispiel: Balloon dog).

Ein besonderes Problem bei der Herstellung war die gewünschte Lackierung. Edelstahl wird in der Regel nicht lackiert. Die thüringische Stahlbaufirma Arnold-Diller ließ daher ein spezielles Lacksystem entwickeln, das alle geforderten Ansprüche seitens des Künstlers erfüllte – hohe Transparenz und Brillanz bei gleichzeitiger Licht- und Wetterbeständigkeit. Um den speziellen optischen Effekt zu erzielen, der die brillante Tiefenwirkung ergibt, wurde die blaue Lasur in vier Schichten aufgetragen. Diese wurden anschließend angeschliffen, um wolkenähnliche Strukturen zu vermeiden. In zwei weiteren Schichten wurde der Klarlack aufgetragen und mit Zwischenschliff lackiert. Zum Abschluss wurde auf Hochglanz poliert. Die Farbigkeit der Balloon Flower ist einmalig.

Ein Platz für Tiere – im Hamburger Bahnhof

Von Friedhelm Denkeler,

Tableau vivant – ein lebendes Bild

Ein Platz für Tiere – im Hamburger Bahnhof
»Ein Platz für Tiere – im Hamburger Bahnhof», Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Im Zentrum der aktuellen Ausstellung Soma von Carsten Höller im Hamburger Bahnhof steht die Suche nach dem Soma, dem Göttertrank. Dazu hat Höller im Doppelblindversuch in der großen Halle, links und rechts der Mittelachse, jeweils sechs Rentiere aus der Uckermark, zweimal sechs Kanarienvögel in Voilieren, je ein Mäusepärchen in schwarz und weiß, sowie jeweils eine  Stubenfliege in einer Vitrine dem Soma-Test ausgesetzt.

In der Mitte sieht man das Hochbett, in dem Gäste übernachten können. Sie werden ebenfalls Teil des lebenden Bildes. Ob sie auch Teil des Versuches sind, war nicht herauszufinden. Dass es sich um lebende Tiere handelt, konnte ich beim Betreten des Hamburger Bahnhofs bereits merken, ein deutlicher Stallgeruch liegt in der Luft.

Die Installation sieht man erst, wenn man die Zuschauertribüne umrundet hat (von dieser aus ist mein Foto entstanden) und in die Historische Halle blickt. Der erste Eindruck ist überwältigend. Eine Bewertung möchte ich deshalb erst nach einem zweiten Besuch der Ausstellung vornehmen. Eine Ausstellungsbesprechung folgt  in Kürze.

Ist Berlin nur eine große Modellbahnanlage?

Von Friedhelm Denkeler,

Im Film Little Big Berlin von Pilpop sieht Berlin wie eine Spielzeugwelt aus

"Ein Bücherturm mit Tilt Shift", Foto © Friedhelm Denkeler 2006
»Ein Bücherturm mit Tilt Shift«, Foto © Friedhelm Denkeler 2006

Der Kurzfilm Little Big Berlin von Pilpop, hinter dem Pseudonym steckt der Berliner Phillip Beuter, ist zur Zeit der Renner im Internet. Also, dann mache ich dafür auch noch ein bisschen Werbung. Der achtminütige Film nutzt die Tilt Shift-Technik zur gefühlvollen Inszenierung der Stadt und wird musikalisch untermalt mit der Hungarian Rhapsody No.2 von Franz Liszt. Bedingt durch technischen Trick und Zeitraffer erschafft Pilpop eine wunderschöne Miniaturoptik. So, jetzt sollten Sie sich diesen Film aber erstmal ansehen (bitte im Vollformat und in voller Länge): Little Big Berlin.

Viele Alltagsszenen, prominente Gebäude und Plätze sind aus erhöhten Standpunkten, wie dem Fernsehturm am Alexanderplatz oder der Humboldt-Box am Lustgarten, gefilmt worden. Durch die Tilt Shift-Technik entsteht eine interessante Unschärfe, die das Geschehen auf ein einmaliges Kleinformat reduziert. Die Faszination dieser „neuen“ Sinfonie der Großstadt wird durch die passende klassische Musik noch verstärkt. »Für die Japaner«, sagt Beuter, will er demnächst einen Film im Allgäu drehen –  über das Schloss Neuschwanstein.

Der Begriff Tilt Shift leitet sich von einem Spezialobjektiv für die Fotografie oder Projektion ab. Damit kann man das Linsensystem gegenüber der Filmebene verschieben und verschwenken. Durch das Verschwenken (Tilt) lässt sich die Schärfeebene verlagern (nach Scheimpflug). In der Regel wünscht man eine durchgehende Schärfe (Technik) oder eine selektive Schärfe (zur Bildgestaltung). Mit Hilfe der Verschiebung (Shift) lässt sich eine perspektivische Verzerrung korrigieren (stürzende Linien). Diese Effekte kann man natürlich, wie in Little Big Berlin, auch per Software erreichen.

Die verklebte Mitte

Von Friedhelm Denkeler,

"Schwarz-gelbe Mitte", Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Schwarz-gelbe Mitte«, aus dem Portfolio und Künstlerbuch »Mittig«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Das Portfolio Mittig habe ich 2008 abgeschlossen, dennoch finde ich immer wieder neue Motive, wie hier auf der Baustelle am Schöneberger Kreuz. Das Photo ist gleichzeitig eine Reminiszenz an Andreas A. Koch und seine Serie Geklebte Stadt. Der Künstler stellte letzte Woche in dem Berliner Salon von Dr. Carola Muysers seine Arbeit Zufällig Philadelphia im Gespräch mit dem Kurator und Kunstwissenschaftler Peter Funken auf lebendige, anschauliche und amüsante Weise vor.

Auf meiner Website LICHTBILDER finden Sie eine Auswahl von 25 Photos aus meiner Serie Mittig. Das gesamte Portfolio besteht aus 152 Photographien im Format 21 x 29 cm. Die Bilder sind auch als Künstlerbuch mit 96 Seiten im Format 16 x 21 cm erschienen.

Grete Stern – Gran Chaco

Von Friedhelm Denkeler,

Fotoreportagen aus dem Norden Argentiniens 1958 bis 1964

"Ausstellungsplakat 1965 Grete Stern", Foto © Friedhelm Denkeler 2010
„Ausstellungsplakat 1965 Grete Stern“, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Im Ethnologischen Museum in Dahlem in der Lansstraße 8 sind bis zum 30.Januar 2011 Fotos von Grete Stern (Elberfeld 1904 – Buenos Aires 1999) zu sehen. Die Ausstellung zeigt hauptsächlich ihre dokumentarischen Sozialstudien der ethnischen Gruppen aus den Provinzen Gran Chaco, Formosa und Salta im Norden Argentiniens. Sie sind zwischen 1958 und 1964 während einer ethnologischen Expedition, im Rahmen eines Lehrauftrages und eines Stipendiums in den Dorfgemeinschaften der Indianer entstanden.

Zur Dokumentation der Lebens-bedingungen der Indios und ihrer handwerklichen Techniken hat Grete Stern Porträts von Personen und Gruppen, Kunsthandwerk, Hausformen sowie Landschaften aufgenommen. In der Ausstellung treten die Bilder in einen Dialog mit einer Auswahl von ethnographischen Objekten der indigenen Gruppen aus dem Ethnologischen Museum Berlin. Sie werden in vier Kapiteln vorgestellt: Kulturen in Bewegung, die Welt der Männer, die Welt der Frauen sowie Schamanismus und Religiosität. Eine Präsentation von ausgewählten Fotos habe ich hier gefunden.

Am Bauhaus lernte Grete Stern (hier ein Selbstporträt als Collage) ihren zukünftigen Ehemann, den argentinischen Fotografen Horacio Coppola kennen. 1934 emigrierte das Paar zunächst aus Nazi-Deutschland nach London, ein Jahr später nach Argentinien. 1936 eröffnete Grete Stern mit ihrem Ehemann in der Hauptstadt Buenos Aires ein Studio für Werbung und Fotografie. Das zeitgleich erworbene Haus wurde zum Treffpunkt für progressive Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle.

Bekannt wurde Grete Stern in den 1930er Jahren durch die gemeinsame Arbeit mit Ellen Auerbach und ihrer Porträt- und Werbefotografie im gemeinsam betriebenen Fotostudio ringl + pit in Berlin. Zwei Semester lang besuchte sie zusätzlich die Fotoklasse von Walter Peterhans am Berliner Bauhaus.

Ihre, in dieser Zeit erworbene Collage-Technik, fand später in Argentinien ihre Anwendung. Zwischen 1948 und 1951 erstellte sie wöchentlich eine Fotomontage für die Zeitschrift Idilio. Artikel, die der psychologischen Beratung dienten und sich mit Träumen beschäftigten, illustrierte sie. Diese Fotomontagen weisen unabhängig von ihrer ursprünglichen Funktion eine hohe künstlerische und für die damalige Zeit große handwerkliche Begabung auf (siehe Art of Photography – Grete Stern).

Diese zuletzt genannten Arbeiten sowie Grete Sterns Stillleben, Portraits und Landschaften werden in einem Einführungsteil zur Ausstellung nur zusammengefasst dargestellt. Insofern ist der Untertitel der Ausstellung „Vom Bauhaus zum Gran Chaco“ eher irreführend, da hauptsächlich ihre dokumentarischen Arbeiten, die mehr für ethnologisch Orientierte interessant sind, zu sehen sind. Von den aus meiner Sicht künstlerisch interessanteren Fotos hätte ich gerne mehr gesehen. Das aber war nicht Ziel dieser Ausstellung. Eine Auswahl weiterer Fotos finden sie hier.

Hier kommt der neue Trend – Verpixelte Photos

Von Friedhelm Denkeler,

Nicht ohne meinen Rechtsanwalt – Café Kranzler am Kurfürstendamm verpixelt

"Verpixeltes Café Kranzler", Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Verpixeltes Café Kranzler«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Bevor ich wieder eine »Berechtigungsanfrage wegen Urheberrechtsverletzung« von einem Rechtsanwalt erhalte, habe ich sicherheitshalber das Café Kranzler auf dem heutigen Photo, es zeigt das Neue Kranzler-Eck in Berlin, unkenntlich gemacht. Eine unverpixelte Version des Café Kranzler finden Sie aber mit dem gelben Google-Pegman auf Google Street View und das in einer 360 Grad-Panorama-Version der Ecke Kurfürstendamm/ Joachimsthaler Straße. Ich hoffe, dass die ganze Verpixelei bald kein Thema mehr ist.

Herbstgruß aus Krottorf

Von Friedhelm Denkeler,

"Herbstgruß aus Krottorf", Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Herbstgruß aus Krottorf«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Vor zwei Jahren ist mein Portfolio und Künstlerbuch Krottorf entstanden. Seit mehreren Jahren bin ich immer Mitte November in dem Dorf im Harzvorland, inmitten der Magdeburger Börde, zwischen der Landeshauptstadt Magdeburg und dem Harz.

Seit 1993 gehört Krottorf zur Verwaltungsgemeinschaft Gröningen. Erstmalig wurde die gleichnamige Burg Crottorf 1118 in einer Schenkungsurkunde des Bistums Halberstadt an „den Edlen Otto de Cruthup“ erwähnt. Zahlreiche Bodenfunde im Ortsgebiet beweisen eine frühe Besiedelung, wobei der wertvollste Fund eine Goldschale aus der Zeit um 1000 v. Chr. ist. 1896 wurde an einer ehemaligen Wassermühle ein Elektrizitätswerk gebaut. Heute ist dort der Sitz der e•on|Avacon AG-Akademie.

Auf meiner Website LICHTBILDER finden Sie eine Auswahl von 24 Photos aus dem Portfolio Krottorf. Das gesamte Portfolio besteht aus 83 Photographien im Format 30×45 cm im Passepartout 50×60. Die Bilder sind auch als gedrucktes Künstlerbuch mit 88 Seiten im Format 21 x 27 cm erschienen.

Fotospaziergänge »Im Wedding« aus dem Jahr 1978

Von Friedhelm Denkeler,

Neues Künstlerbuch von Friedhelm Denkeler

Zwischen Oktober 1977 und März 1978 habe ich mehrere Fotospaziergänge im Berliner Bezirk Wedding unternommen, der seit der Gebietsreform im Jahre 2001 zum Bezirk Mitte gehört. Die 159 Fotos stammen somit ausschließlich aus dem damaligen Wedding.

"Schultheiss an der Aegirstraße", aus "Im Wedding", © Friedhelm Denkeler 1977
»Schultheiss an der Aegirstraße«, aus dem Portfolio Im Wedding, © Friedhelm Denkeler 1977

Die Auswertung und Veröffentlichung der Bilder nach 32 Jahren verdeutlichte mir, dass trotz ähnlicher Sujets meines damaligen Lehrers an der Werkstatt für Photographie, der selbst im Wedding fotografierte, meine Bilder eine eigene Sprache sprechen. Sicherlich ist das Buch auch als eine verspätete Trotzreaktion auf sein ›Verbot‹, weiter im Wedding zu fotografieren, zu sehen. Um die Fotos nicht nur nacheinander zu präsentieren, habe ich eine Aufteilung in fünf Kapitel vorgenommen, die Übergänge sind aber fließend.

Das erste Kapitel trägt den unsichtbaren Titel Stadt mit einer dichten Bebauung in den Geschäfts- und Wohnstraßen. Alte Bausubstanz wechselt sich ab mit Flachbauten, die die kriegsbedingt fehlenden Eckhäuser ersetzten und in denen nunmehr neue Geschäfte und Dienstleistungen Einzug gehalten haben. Baulücken ermöglichen den Blick in Hinterhöfe. Erste türkische Läden tauchen auf und eröffnen zum Beispiel neben einer typisch deutschen Wienerwald-Filiale. Der Kohle- und Kokshändler Rudi Arlt steht für die zahlreichen mit Kachelöfen beheizbaren Wohnungen Berlins.

Unrenovierte Brandmauern stehen im Kontrast zu ersten Versuchen, die Hinterhöfe mit Hilfe von Verbundpflastersteinen wohnlicher zu gestalten. Typische Berliner Kneipennamen wie Gropius-Quelle oder Humboldt-Eck stehen für Altberliner Traditionen. Hochherrschaftliche Verwaltungs- und Gerichtsgebäude finden sich ebenso wie gut erhaltene und schöne Eckhäuser. Die Schering-Gebäude sind eng mit dem Wedding verbunden, gleichwohl wie S-Bahnhöfe, Brücken und der neue Brunnen an der Dankeskirche auf dem Weddingplatz, beide aus Beton gebaut.

Viele einzeln stehende Häuser, teilweise nur zweistöckig, prägen den zweiten Teil, der auch Pittoresken heißen könnte, wohlwissend, dass aus heutiger Sicht weniger eine Idylle, sondern eher Skurrilitäten und Grotesken gemeint sind. Remisen, Schuppen, Garagen und historische Gewerke wie Hufbeschlag und Wagenbau, ein Hundesalon, offene und verwilderte Gewerbehöfe, Schrottplätze und Altautos prägen dieses Kapitel.

»Leitern im Hinterhof«,aus dem Portfolio Im Wedding, © Friedhelm Denkeler 1978

Meine Fotos zeigen weniger eine Dokumentation des damaligen Wedding, sondern geben Stimmungen wieder. Das zeigt sich insbesondere in den Fotos des dritten Kapitels, die ausschließlich im Winter bei Schneetreiben entstanden sind. Sie geben auch Zeugnis von den ersten Graffitis, wie „Freiheit für die Agitdrucker“ oder den mit Kreide geschriebenen Hinweis an der Haustür, wann der Schornsteinfeger kommt. Die winterliche Panke, der historisch tiefe Benzinpreis von 91,9 Pfennigen und der geschlossene Laden Spandauer Volksblatt, der die endgültige Einstellung des Blattes im Jahr 1992 bereits vorweg zu nehmen scheint, sind weitere Themen im Winterkapitel.

Die Neubauten im vierten Kapitel zeigen das Sanierungsgebiet Wedding mit seinen neuen Wohnanlagen, von denen die ersten bereits Verwitterungsspuren aufweisen. Trostlose Kinderspiel- und Bolzplätze haben keine Benutzer gefunden und immer wieder stößt der Betrachter auf der einen Seite auf die Mauer mit dem Todesstreifen und auf der anderen liegt der Blick frei auf den Volkspark Humboldthain mit dem Flakbunker aus dem Zweiten Weltkrieg und auf die von Bernau kommende und in die Spree mündende 29 Kilometer lange Panke mit den daran angrenzenden Kleingärten.

Die Fotos des letzten Kapitels sind bereits bei den ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr entstanden. Lichte, freigeräumte Grundstücke, entkernte Häuser und Fabrikgebäude, die von Beschäftigung und Aufschwung zeugen, versuchen zu versöhnen, werden aber gestört durch das Graffito »Sender Terror« des Sendermanns, der damals auf Einkaufsstraßen und Demonstrationen verkündete, dass die Geheimdienste in jedem zweiten Haus Sender installiert hätten, die direkt in die Gehirne strahlen würden. Und immer wieder geht der Blick auf die Gebäude von Schering und deren Logo, das nun nach der Übernahme durch Bayer im Jahr 2006, endgültig getilgt wird.

Auf meiner Website LICHTBILDER sind dreißig Bilder aus dem Fotobuch zu sehen

Der Lindwurm von Klagenfurt

Von Friedhelm Denkeler,

»Der Lindwurmbrunnen auf dem Neuen Platz», Klagenfurt, Wörthersee, Foto © Friedhelm Denkeler 1965
»Der Lindwurmbrunnen auf dem Neuen Platz», Klagenfurt, Wörthersee, Foto © Friedhelm Denkeler 1965

Der Lindwurm, ein schlangen- und drachenartiges Fabelwesen (Nibelungen-Saga), ist das Wahrzeichen der Stadt Klagenfurt und stellt zugleich das Wappentier der Stadt dar. Aus einem einzigen Block Chloritschiefer wurde das 124 Zentner schwere Ungetüm herausgearbeitet und im Jahr 1593 aufgestellt. Auf diesem Photo, das 1965 anlässlich eines Camping-Urlaubs am Wörthersee in Österreich entstand, ist noch der ursprüngliche Standort zu sehen. 1972 wurde der Brunnen im Zuge des Baus einer Tiefgarage versetzt, aber noch immer strömt das Wasser aus dem geöffneten Maul heraus.

Licht und Schatten von László Moholy-Nagy

Von Friedhelm Denkeler,

Die Arbeiten des frühen Pioniers der Lichtkunst sind noch bis zum 16. 01.2011 in einer Retrospektive im Martin-Gropius-Bau, Berlin, zu sehen

Gestern Abend wurde eine große Gesamtschau mit über 200 Arbeiten von László Moholy-Nagy, im Beisein seiner aus den USA angereisten Tochter Hattula Moholy-Nagy, im Martin-Gropius-Bau eröffnet. Mit ihrer Hilfe gelang es auch, die Ausstellung mit Arbeiten aus dem Besitz von 30 internationalen Leihgebern zu bestücken.

Das Centre Pompidou, die New Yorker Rosen Gallery, die Tate Gallery in London und niederländische Museen verliehen ihre Arbeiten nach Berlin. Bereits 1929 zeigte Moholy-Nagy im selben Gebäude, dem damaligen Kunstgewerbemuseum, in der Werkbundschau „Film und Foto“ seine Bilderwand, die in der aktuellen Ausstellung annähernd rekonstruiert wurde.

»Ein Hochzeitsautomobil Unter den Linden«, Berlin, Blick von der Humboldt-Box, Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Ein Hochzeitsautomobil Unter den Linden«, Berlin, Blick von der Humboldt-Box, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Laszlo Moholy-Nagy war fasziniert vom Licht. In den 1920er Jahren schuf er seine Fotogramme, experimentierte mit Licht und Schatten in der Fotografie und entwarf Bühnenbilder aus Licht. Die  Berliner Ausstellung geht jetzt dieser besonderen Faszination Moholy-Nagys nach. »Als ich die Idee zur Ausstellung entwickelte, fiel mir auf, das in Moholy-Nagys bisheriger künstlerischer Rezeption etwas fehlte: Immer waren die Ausstellungen retrospektiv angelegt, und zeigten Werke aus allen Schaffensphasen. Ich wollte dagegen vorführen, dass es in seiner Arbeit eine Idee gibt, die alle seine künstlerischen Bereiche verbindet: Die Kunst des Lichts«, so die Kuratorin Olivia Maria Rubio.

Moholy-Nagys Arbeiten weisen ein breites Spektrum an Ideen auf. Malerei, Fotografie und Werbung und Industriedesign sah er als gleichwertig an. Zeitgleich zu Man Ray erfand er das „Fotogramm“, die Herstellung von Bildern nur mit Licht, ohne Kamera. Das Berlin jener Jahre hat ihn stark geprägt, einzelne Fotos erinnern an Bilder von Heinrich Zille. »Man würde ihn heute nicht kennen, wenn er nicht in Berlin gelebt und gearbeitet hätte« [Hattula Moholy-Nagy].

Der Fotograf, Maler und Designer László Moholy-Nagy wurde 1895 in Ungarn geboren und starb 1946 in Chicago. Nach einem abgebrochenen Jurastudium kam er 1920 nach Berlin. Zwischen 1923 und 1928 lehrte er am Bauhaus in Weimar und Dessau.  1934 emigrierte er vor den Nazis zunächst nach Amsterdam, dann nach England und später in die USA. In Chicago gründete und leitete er das New Bauhaus. www.gropiusbau.de

IZ – Der Gentle Giant mit der Ukulele

Von Friedhelm Denkeler,

Irgendwo über dem Regenbogen, fliegen blaue Vögel und Träume werden wahr

»Somewhere Over The Rainbow«, Foto © Friedhelm Denkeler 2008

Seit dem 8. Oktober 2010 steht er auf dem ersten Platz der deutschen Singlecharts, die meisten haben noch nie etwas von ihm gehört, seinen  Namen kann kein Mensch aussprechen, sein Song wurde bereits vor 17 Jahren aufgezeichnet und er ist vor 13 Jahren gestorben: Israel Kamakawiwoʻole aus Hawaii. Mit seiner Version des Judy-Garland-Klassikers Over The Rainbow aus dem Jahr 1939 steht IZ, wie er kurz genannt wird, jetzt an der Spitze der Charts: Israel Kamakawiwoʻole: »Somewhere Over the Rainbow«

IZ entstammte einer musikalischen Familie, sein Onkel Moe Keale war eine Musiklegende auf Hawaii. Neben dem Gesang spielte der äußerst populäre Gentle Giant, wie er in Hawaii genannt wurde, auf der Ukulele in der Gruppe The Mākaha Sons of Niʻihau, die im Laufe von 15 Jahren neun Alben herausbrachten. Nachdem er die Gruppe verlassen hatte, veröffentlichte er noch weitere sechs Alben. Er hatte nicht nur einen schwer auszusprechenden Namen, er war mit seinen 350 Kilogramm auch selbst zu schwer, sang aber mit der zarten Stimme eines Knaben. 1997 verstarb er mit 38 Jahren an Atemnot. Seine Asche übergab man dem Meer. Die Regierung ordnete Staatstrauer an und Zehntausende nahmen mit Booten an der Zeremonie, die auch Teil dieses Videos ist, teil.

Der Song Somewhere Over The Rainbow (What a Wonderful World) erschien erstmals 1993 auf dem Album Facing Future.  2007 wurde der Song in England wiederveröffentlicht und erreichte die Charts. Nachdem Universal Music von dem kleinen Verlag Mountain Apple in Hawaii die Rechte an dem Song erworben hatte, wurde er am 3. September in Deutschland als CD und Download veröffentlicht und Universal Music gelang damit ein großer Coup.

Der Song wurde erstmals 1939 von der jungen Judy Garland in dem Film Der Zauberer von Oz gesungen, für den er auch komponiert wurde. Der Song spielte seitdem in vielen Filmen eine Rolle, so auch in Rendezvous mit Joe Black mit Brad Pitt aus dem Jahr 1998. Einen weiteren sehenswerten Ausschnitt aus einer Fernsehschau des Jahres 1943 stelle ich vor: Judy Garland »Somewhere Over the Rainbow«. Für mich ist die Version des ›sanften Riesen‹ die vielleicht größte, eine wunderschöne Melodie, eine gute Stimme, mit Leichtigkeit und mit Einfühlungsvermögen vorgetragen. »Somewhere over the rainbow/ Bluebirds fly/ Birds fly over the rainbow/ Why then oh why can’t I?«

Am Anfang stand die Grippe

Von Friedhelm Denkeler,

Portraits von Yves Saint Laurent bis zu den Hells Angels. Die weltweit erste Retrospektive von June Newton/ Alice Springs in der Berliner Helmut Newton Stiftung.

Bereits im ersten Raum der Ausstellung in der Berliner Jebenstraße hängen die Fotos, die June Newton in Vertretung für ihren erkrankten Mann, im Jahr 1970 in Paris auf dem Place Vendôme für die Zigarettenmarke Gitanes, machte. Es war der Beginn einer 40-jährigen Karriere von June Newton, die ihre Bilder unter dem Namen Alice Springs veröffentlichte. In der Berliner Ausstellung sind 250 Bilder, hauptsächlich Porträts von Künstlern, Schauspielern, Musikern und Stars der Modeszene zu sehen. Viele Aufnahmen sind im Auftrag von Zeitschriften zwischen Paris und Los Angeles entstanden, andere aus freiem Antrieb.

Museum für Fotografie, Berlin
»Museum für Fotografie«, Jebenstraße, Berlin, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

1971 entstand jenes Foto für die Zeitschrift »Dépêche Mode«, das heute ihr bekanntestes und sicherlich bestes Werk ist: Ein Model mit Handtasche geht auf einem Pariser Boulevard wie auf einem Laufsteg entlang. Im Zurückblicken wundert sie sich über die Blicke, die ihr vermutlich nachgeworfen werden: Die Handtasche hebt, wie aus Versehen, den schon kurzen Rock, noch höher hinauf. Das Foto finden sie hier (Cover des Katalogs des Taschen-Verlages).

In die Ausstellung am Bahnhof Zoo ging ich mit einiger Skepsis. Würden June Newtons Aufnahmen neben den Fotografien mit den glamourösen Inszenierungen ihres Mannes bestehen? Ich war angenehm überrascht: June hat gegenüber Helmut einen geradlinigeren Blick auf ihre Modelle. Die Bilder sind humorvoller und ironischer und die Abbildungen werden der Individualität der Dargestellten gerechter. Ihre Porträtfotografie besitzt eine klassische Anmutung.

Die Namensliste der Abgebildeten liest sich wie ein Who’s who der internationalen Kultur- und Modeszene. Im zweiten Raum finden wir zum Beispiel Porträts von Vivienne Westwood, Peter Keeting, Rudi Gernreich, Sonja Rykel, Gianni Versace, Emmanuel Ungaro, Hubert de Givenchy, Christian Lacroix und Robert Mapplethorpe. Im dritten Raum geht es weiter mit den Künstlern Keith Haring, Roy Lichtenstein, Marcus Lüpertz, Gerhard Richter, Elvira Bach, Niki de St. Phalle, Luciano Castelli, Helmut Middendorf, Peter Hujar, David Hockney, Joseph Beuys, Ed Ruscha und Dennis Hopper.

Eine weitere Gruppe von Porträts zeigt Charlotte Rampling, Frederico Fellini, David Byrne, Manuel Alvarez Bravo, Richard Avedon, Sting, Wim Wenders, Grace Jones, Roman Polanski, Graham Greene, William Burroughs und Mario Merz. So, das muss an Namen reichen und dabei habe ich nur diejenigen aufgeführt, deren Namen und Profession ich kenne.

Auf weiteren Fotos zeigt June Frauen mit ihren Babys, das bekannteste darunter ist »Brigitte Nielsen and Son«. Bei ihren Mutter-Kind-Aufnahmen hat sie bewußt das Madonna-Klischee vermieden, Mutter und Kind erscheinen als selbstständige, voneinander unabhängige Charaktere. Weitere Serien zeigen Gruppenporträts von den Hells Angels und elf Aktfotos von »Susi und Lena«, aber für Aktfotos bleibt Helmut Newton doch der Maßstab und da kommt keiner heran.

Die heute 87-jährige June Newton kommt in Melbourne zur Welt. Unter dem Namen June Brunell arbeitetet sie als Schauspielerin für Film und Bühne. 1947 lernt sie Helmut Newton kennen. Gemeinsam ziehen beide 1947 nach Paris und 1981 nach Monte Carlo. Die Ausstellung ist bis auf weiteres im Museum für Fotografie, Helmut Newton Stiftung, in der Jebenstraße 2, 10623 Berlin-Charlottenburg, zu sehen. Die Überschrift trifft auch auf den Schreiber dieser Zeilen zu. Er liegt mit einer Erkältung ›darnieder‹. www.helmut-newton.de

Künstler oder Kurator – Das ist hier die Frage!

Von Friedhelm Denkeler,

Federn lassen müssen sie alle – Vom Kriegsgott Kailimoku zur Majestät, dem Schwan. Willem de Rooij mit »Intolerance« bis zum 2. Januar 2011 in der Neuen Nationalgalerie in Berlin

Der 41-jährige niederländische Konzeptkünstler Willem de Rooij hat die Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin besucht und ist dabei auf Werke gestoßen, die im 17. und 18. Jahrhundert entstanden sind. Sie dienten zur Repräsentation der Macht und zur prächtigen Ausstattung der Mächtigen. Willem de Rooij, der zurzeit in Berlin lebt, versuchte, diese eigenständigen Kunstwerke zu einem neuen, temporären Kunstwerk für die Neue Nationalgalerie zusammenzustellen. Auf welche Werke hat de Rooij zurückgegriffen?

Melchior d’Hondecoeter (1636 – 1695) malte ausschließlich realistische Bilder von heimischen und exotischen Vögeln, die sich meistens im Kampf befinden. Es geht nicht so friedlich zu wie auf meinem Foto, bei d’Hondecoeter versucht zum Beispiel ein Adler einen Hahn zu töten. Viele andere Vögel müssen ebenfalls Federn lassen. Das trifft insbesondere auf die zweite Werkgruppe zu, die de Rooij ausgesucht hat.

»Federobjekt«, Foto © Friedhelm Denkeler 2008
»Federobjekt«, Foto © Friedhelm Denkeler 2008

Hawaiische Federobjekte (18. und 19. Jahrhundert) wurden im vorchristlichen Hawaii bei Prozessionen als Statussymbole mitgeführt. Aus Federn von Hunderten von Vögeln wurden zum Beispiel der überlebensgroße Kopf des Kriegsgottes Kailimoku und ein Umhang für ihn gefertigt. Kunsthistorisch gesehen gibt es keine Verbindung zwischen den Federn aus Hawaii und aus Holland, es ist eine komplett freie Assoziation von Willem de Rooij.

»Mit dieser Gegenüberstellung lenkt der Künstler den Blick auf Zusammenhänge zwischen den außereuropäischen Objekten und der europäischen Malerei. Die Ausstellung thematisiert die Dreiecksbeziehung zwischen früherem globalen Handel, interkulturellen Konflikten und gegenseitiger Attraktion. Offen für vielfältige Interpretationen kann ‚Intoleranz‘ als eine dreidimensionale Collage, aber auch als eine visuelle Untersuchung sowie als pointierte Reflexion institutioneller Arbeitsweisen und Ausstellungspraxis begriffen werden« (aus der Presseerklärung).

Diese Zusammenhänge kann der Betrachter anhand des Gesamtkunstwerkes, wenn es denn eins ist, aber nicht ahnen, insbesondere auch, da die ursprünglichen Werke nicht beschriftet sind. Wir haben nur den Titel »Intolerance«. Für mich bleibt die Frage offen, ob es sich hier um ein künstlerisches oder ein kuratorisches Werk handelt. Die Diskussion über das zukünftige Humboldt-Forum in Berlin-Mitte wird die Ausstellung aber beflügeln können, denn de Rooij plädiert für den interdisziplinären Blick auf die Werke. Vielleicht ist es auch egal, ob diese »freie, wissenschaftliche Collage« (Joachim Jäger) nun ein Künstler oder Kurator geschaffen hat, sehenswert ist sie in jedem Fall. Den Titel »Intolerace« habe ich aber trotzdem nicht nachvollziehen können.

Im Laufe der Ausstellung soll es noch eine dreibändige Publikation geben. Sie beinhaltet dann die erste umfassende Darstellung der Werke von Melchior d’Hondecoeter, eine Zusammenstellung aller bekannten Federobjekte und eine fotografische Dokumentation der Installation »Intolerance«.

Das Kulturforum mit der Neuen Nationalgalerie ist bekanntlich vom Kulinarischen eher mager ausgestattet, also besuchten wir nach dem Museumsbesuch den Potsdamer Platz und kehrten im neueröffneten »Café Möhring« ein. Im ältesten Haus des Viertels, dem ehemaligen Weinhaus Huth, hat ein Klassiker der Berliner Kaffeehauskultur seit September 2010 sein Comeback (Alte Potsdamer Straße 5, Eingang Tilla Durieux-Park). Am Kurfürstendamm wurde das Café Möhring im Jahr 2000 geschlossen, am Gendarmenmarkt wurde es später auch verdrängt und hat nun ein neues Haus gefunden. Einen Besuch kann ich nur empfehlen, das Essen ist sehr gut und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Regenschauer am Nöldner Platz

Von Friedhelm Denkeler,

Die Frauenkirche in Dresden, Foto © Friedhelm Denkeler 1994
»Die Frauenkirche in Dresden«, Foto © Friedhelm Denkeler 1994

Christian Borchert träumte eines Nachts, er hätte einen Reisepass erhalten, der unbegrenzt für alle Länder gültig sei – leider nur für einen einzigen Tag. Viele kleine Geschichten dieser Art aus dem Leben von Christian Borchert erzählte der Verleger und Fotograf Hansgert Lambers während der Vernissage am 8. Oktober 2010 in der Galerie argus fotokunst.

Es war eine der schönsten Eröffnungsreden die ich in der letzten Zeit gehört habe. Lambers erhielt im Laufe seiner Freundschaft mit Borchert an die 120 Ansichtskarten von dessen Reisen. Anhand dieser persönlichen Dokumente erzählte Lambers mit Hilfe von Zitaten eine kleine Lebensgeschichte von Christian Borchert.

»Christian Borchert vor dem verhüllten Reichstag« Foto © Friedhelm Denkeler 1995

Der 1942 in Dresden geborene Christian Borchert verunglückte am 15. Juli 2000 tödlich. Er gilt als einer der bedeutendsten Fotografen der DDR. Mit seinen Fotoprojekten von Werktätigen, Menschen auf Festen, von Künstlern und Bildhauern und Familienporträts ist er zum Chronisten der Kultur- und Sozialgeschichte der DDR geworden. Auf praktisch allen Fotos steht der Mensch im Mittelpunkt. Man sieht, dass er die Menschen, seine DDR-Bürger, mochte (Christian Borchert: Berliner. Ex pose Verlag, Berlin West, 1986).

Eines seiner wichtigsten Fotoprojekte war die Dokumentation des Wiederaufbaus der Semperoper in Dresden (Semperoper Dresden – Bilder einer Baulandschaft. Mit Fotografien von Christian Borchert. Verlag der Kunst, Dresden 1985). Eines meiner Lieblingsfotos, wie alle Fotos von Borchert in schwarz-weiß, ist der Blick des Fotografen während eines Regenschauers aus seiner Wohnung heraus in der Leopoldstraße (»Regenschauer am Nöldnerplatz«, Mai 1971) in Berlin-Rummelsburg, direkt auf Passanten, die sich am S-Bahn-Gelände mit Regenschirmen durch den Sturm kämpfen.

Der Nachlass von Christian Borchert befindet sich in der Berlinischen Galerie (ca. 1400 Ausstellungsabzüge), im Kupferstichkabinett Dresden (ca. 500 Ausstellungsabzüge) und in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden. Die deutsche fotothek hat 12052 Arbeitsabzüge seiner Fotografien inzwischen digitalisiert. Die Bilder von Christian Borchert sind noch bis zum 6. November 2010 in der Galerie argus fotokunst in der Marienstraße 26 in Berlin zu sehen. argus fotokunst

Hier kommt der Winterregen

Von Friedhelm Denkeler,

Ein wehmütiger Rückblick auf den Sommer 2010 mit »Summer Son«

Am 26. Juni dieses Jahres habe ich, pünktlich zum Ausbruch des Sommers, We No Speak Americano als Sommerhit 2010 vorausgesagt (siehe hier). Er ist es dann auch geworden. In vielen Ländern Europas belegte der Ohrwurm die ersten Plätze in den Hitparaden, in Deutschland war er im August und September auf Platz 1.

Mein persönlicher Sommer-Hit 2010 wurde aber der bereits im August 1999 erschienene Song Summer Son von der britischen Band Texas mit der Sängerin Sharleen Spiteri. Das Original-Video habe ich im Netz nur mit einem 30-sekundigen Werbespot gefunden, dafür aber in einer guten Qualität:Texas: »Summer Son«

»Im Pool in Yalıkavak«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Im Pool in Yalıkavak«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Den Sommer-Ausklang haben wir bei angenehmen 30 Grad im Pool und im Ägäischen Meer, sowie mit Ausflügen auf die Bodrumer Halbinsel noch einmal genießen können. Die Rückkehr nach Berlin bescherte uns Regen und einen Temperatursturz auf 10 Grad. Dazu passt der Summer Son mit den Zeilen »here comes the summer’s son/ he burns my skin/ i ache again/ i’m over you/ here comes the winter’s rain« natürlich sehr gut.

Wem das Original-Video zu freizügig ist – für denjenigen habe ich eine hörenswerte Akkustik-Version gefunden. Sharleen Spiteri ist übrigens auf dem Rammstein-Album Rosenrot im Song Stirb nicht vor mir (Don’t die before I do) im Duett zu hören (Live-Auftritt).

Ein Schuppenkriechtier am Yılanı kule

Von Friedhelm Denkeler,

Auf den Spuren der Kreuzritter in Bodrum auf dem Kastell St. Peter

"Am Yılanı kule", Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Am Yılanı kule«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Das mächtige Kastell St. Peter beherrscht Bodrum schon seit dem Mittelalter. Von welcher Seite aus man sich auch nähert, ob vom Meer oder aus Richtung Milas mit dem Auto kommend, ich war von der massiven Erscheinung der Burg, dem Wahrzeichen Bodrums, beeindruckt. Gebaut wurde die Festung 1406 unter dem Kreuzritterorden der Johanniter von Rhodos. Im oberen Burghof befinden sich vier Türme, unter anderem der Yılanlı Kule, der Schlangenturm. Wie man auf dem Foto sieht, sind die Schlangen auch heute noch zu finden. In der biblischen Geschichte der Vertreibung aus dem Paradies, hat die Schlange die Frucht der Erkenntnis Eva überreicht. So steht sie im vorderen Orient auch heute noch für Weisheit und Erleuchtung. Informationen zu Bodrum

Aktfotografien in ›heiligen Räumen‹

Von Friedhelm Denkeler,

Fotos von Manfred-Michael Sackmann im Hotel Bogota in der Berliner Schlüterstraße

Foto © Manfred-Michael Sackmann 2010
Foto © Manfred-Michael Sackmann 2010

Joachim Rissmann, der Propriétaire des Hotels Bogota in der Berliner Schlüterstraße, zeigt noch bis Mitte Oktober 2010 an seinem Photoplatz Neueste Aktportraits von Manfred-Michael Sackmann. Die Archival Pigment Prints sind in einer siebener Auflage zum Preis von 600 Euro erhältlich. Sackmann begann 1978 seine fotografische Laufbahn an der legendären Kreuzberger Werkstatt für Photographie bei Professor Ulrich Görlich. Im Jahr 1992 wurde er in den Verein Berliner Künstler (VBK) aufgenommen und 1994 in die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh) berufen.

Das Gebäude in der Schlüterstraße, über dessen gesamtes Areal sich das heutige Hotel Bogota erstreckt, trägt noch immer die Hausnummer 45. 1911, als Wohnhaus errichtet und heute unter Denkmalschutz stehend, beherbergte es u.a. in den 1920er Jahren den Unternehmer Oskar Skaller, dessen legendäre Feste mit einem Auftritt von Benny Goodman gekrönt wurden. 1936 betrat Helmut Newton erstmals das Haus, um eine Fotolehre bei YVA zu beginnen.

Die auf den bürgerlichen Namen getaufte Elisabeth Neuländer und später verheiratete Neuländer-Simon, die in Welt der Modefotografie als YVA berühmt wurde, war bekannt für ihre avantgardistischen Modeaufnahmen, die in zahlreichen Magazinen publiziert wurden. Ihr Atelier erstreckte sich über zwei Etagen und nachdem sie begonnen hatte auch berühmte Persönlichkeiten zu porträtieren, gingen auch diese im Atelier ein und aus. 1938 erhielt sie als Jüdin Berufsverbot und musste das Atelier schließen.

Joachim Rissmann setzt in seinem Hotel die fotografische Tradition des Hauses fort. Seit 1994 veranstaltet er mit seinem Photoplatz in mehreren Räumen wechselnde Fotoausstellungen. Er betont stets, kein Galerist zu sein, sondern möchte neben dem Hotelbetrieb die Erinnerungen an die Geschichte des Hauses lebendig halten. Und das gelingt ihm wirklich. Es herrscht eine angenehme, familiäre und wohnliche Atmosphäre im gesamten Hotel. Der Gast darf alle Etagen und Flure betreten. Geschmackvoll und liebevoll eingerichtet, gibt es auf den Gängen allerhand Kostbarkeiten zu entdecken. Was uns lange nicht mehr in Berlin passiert ist, geschah zur Ausstellungseröffnung von Manfred-Michael Sackmann am 10. September 2010. Joachim Rissmann begrüßte all seine Gäste persönlich.

Fotografien und Kunstwerke haben nicht nur am Photoplatz ihren Stellenwert, sondern begegneten mir durch alle Etagen hindurch. Natürlich besichtigte ich auch das Studio von IVA in dritten und vierten Stock. Die Fotos, die im Studio hängen, geben einen hervorragenden Eindruck von der Mondänität der Modelle der damaligen Zeit wieder. Das dürfte Helmut Newton gefallen haben. „Sie schlafen in heiligen Räumen”, sagte er, als er im Jahr 2002 Berlin das letzte Mal besuchte. Er meinte damit das Hotel Bogota. www.sackmann-berlin.de, www.bogota.de

Berlin zum 4. Mal Gastgeber des Monats der Fotografie

Von Friedhelm Denkeler,

Sechs Wochen lang präsentiert sich Berlin im Herbst als Fotometropole und zeigt in der ganzen Stadt 150 Ausstellungen mit 500 internationalen Fotografen und mehr als 10.000 Motiven

Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Die Berliner Ausgabe des Europäischen Monats der Fotografie (MdF) nimmt in ihrem vierten Jahr die Neuigkeiten aus der Welt der visuellen Medien zum Anlass, nach der Rolle der Fotografie bei der Modernisierung unserer Lebenswelten zu fragen.

Unter dem Thema Modernes Leben, Neue Bilder beteiligen sich am 4. MdF Berlin weit mehr als 100 Institutionen mit Fotoausstellungen in ganz Berlin und Potsdam. Der Fotomonat bietet der internationalen Fotoszene und dem Publikum eine Plattform für Gespräche im Rahmen von Ausstellungen, Veranstaltungen, Symposien und Workshops.

Der Eröffnung in der Berlinischen Galerie mit dem europäischen Fotoprojekt Mutations III am 14. Oktober folgen weitere Vernissagen. So beteiligen sich der Martin Gropius Bau mit einer großen Retrospektive zu László Moholy-Nagy und das Willy Brandt Haus zusammen mit dem Institut Français mit Ausstellungen anlässlich des 100. Geburtstages des legendären Pariser Fotografen Izis. Dem Pionier der Street Photography Garry Winogrand, widmet Camera Work eine Präsentation. Peter Lindbergh ist bei C/O Berlin zu sehen und Galerie Kicken zeigt Werke von Ed van der Elsken und Barbara Klemm.

Von der Mikrofotografie bis zur Handykamera reicht das Spektrum an Fotoprojekten und Themen des diesjährigen Berliner Monats der Fotografie. Im Fokus aller Ausstellungen befinden sich fotografische Positionen aus internationaler Perspektive, die großstädtische Lebensweisen aus drei Jahrhunderten einfangen und neue Blickwinkel auf die Stadt und die Moderne ermöglichen.

Auf fünf Feldern thematisiert der 4. MdF Berlin: Großstädtische Lebensweisen, Modefotografie, Fotografie und Wissenschaft, Neue Bildwelten – neue Techniken, Bildung – Ausbildung – Wettbewerbe. Außerdem fasst die Rubrik Zu Gast & kooptiert weitere Fotoausstellungen und Projekte zusammen, die in Berlin zu sehen sind. Der 4. MdF Berlin 2010 wird am 14. Oktober um 19 Uhr in der Berlinischen Galerie eröffnet. Veranstalter des MdF Berlin ist die Kulturprojekte Berlin GmbH. Quelle: Presseerklärung, www.mdf-berlin.de

Look Now in Bern

Von Friedhelm Denkeler,

Vom Gurnigel und dem Rosengarten, über die Berner Altstadt und dem Gurten, zum Kunstmuseum Bern

"Die Altstadt von Bern", Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Die Altstadt von Bern«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Heute möchte ich nach einer Zwischenstation in Nürnberg (siehe Artikel hier) über einen Kurztrip in die Schweiz, in die Bundesstadt Bern mit ihren 130 000 Einwohnern, berichten. Hierbei soll es nicht um das UNESCO-Weltkulturerbe, die Berner Altstadt, um die sich im großen Bogen die Aare schlängelt, gehen.

Auch über die längsten überdachten Flaniermeilen Europas mit insgesamt sechs Kilometer langen, steinernen Lauben (Arkaden), die Kramgasse, mit dem in der Mitte fließenden Stadtbach, die vielen Sakralbauten, den berühmten Bärengraben an der Aare oder die Fahrt mit Standseilbahn auf den Berner Hausberg Gurten, von dem aus man einen herrlichen Blick auf die Stadt, die Berner Alpen und die Gipfelkette des Jura hat, möchte ich nicht berichten.

Ebenfalls soll die Besichtigung des Zentrums Paul Klee mit den drei großen Wellen aus Stahl und Glas des Architekten Renzo Piano, selbst ein Kunstwerk, sowie ein Ausflug in die Voralpen, auf den Berg Gurnigel, auf die Riggisalp und an den Schwarzsee kein Thema sein, sondern die Ausstellungen im ältesten und bedeutendsten Kunstmuseum der Schweiz, im Kunstmuseum Bern, die wir Dank einer fachkundigen Privatführung genießen konnten, werden besprochen.

"Der Gurnigel", Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Der Gurnigel«, Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Don’t Look Now – Die Sammlung Gegenwartskunst, Teil 1 war die interessantere der drei aktuellen Ausstellungen im Hause. Und so wie man vom Rosengarten im Spätnachmittagslicht einen Blick auf die Berner Altstadt werfen sollte, lohnt es sich, die Werke der Ausstellung näher anzusehen. Es werden hauptsächlich Bilder der Gegenwartskunst aus der eigenen Sammlung noch bis zum 20. März 2011 gezeigt. »Sie thematisieren das Sichtbarmachen des Unsichtbaren oder des nicht Darstellbarem – nämlich der Wahrnehmung selbst – oder binden den Betrachter in eine ähnlich paradoxe Situation ein, indem sie einerseits zum Hinschauen einladen, aber anderseits nichts zu sehen geben« (aus dem Ausstellungsführer). Ein ähnlicher Inhalt findet sich im gleichnamigen Filmklassiker Don’t Look Now (Wenn die Gondeln Trauer tragen) von Nicolas Roeg (1973).Vier Künstler mit ihren Werken möchte ich hier näher vorstellen:

Christian Marclay hat mit seinem wandhohen White Noise aus dem Jahr 1993, bestehend aus 4780 umgekehrt mit Nadeln an der Wand befestigten Fotografien, das akustische Phänomen des Weißen Rauschens visualisiert. Die Rückseiten, der auf dem Flohmarkt gefundenen, anonymen Porträts, bilden eine weiße Wand in den unterschiedlichsten Weißtönen, unterbrochen durch vereinzelte schriftliche Notizen der Bildrückseite. Oft leben Werke der Konzeptkunst hauptsächlich von der Idee. Man muss die Idee nicht unbedingt umsetzen, man könnte sie auch beschreiben. Marclay hat hier aber ein sinnliches Werk geschaffen, das über eine reine Konzeptkunst hinausgeht.

"Zentrum Paul Klee, Bern" Foto © Friedhelm Denkeler 2010
»Zentrum Paul Klee«, Bern Foto © Friedhelm Denkeler 2010

Markus Raetz, bekannt mit seinen Auftritten auf der Documenta, macht mit seiner Rauminstallation »Ohne Titel« (1980 – 1983) »die Wahrnehmung als Interaktion zwischen Publikum und Werk erfahrbar. Sie erfordert vom Betrachter aktives Mitdenken, denn es sind viele Blicke und Gedankengänge nötig, um sich eine vage Vorstellung von Raetz‘ Bilderkosmos machen zu können« (aus dem Ausstellungsführer). Im Ausstellungsraum gibt es keinen idealen Standpunkt. Man muss die einzelnen Werke nacheinander erfassen, um sie als Zusammenhang zu erkennen. Von weitem erkennt man die mit wenigen Strichen, das heißt aus Ästen bestehenden, gezeichneten Gesichtern. Kleine, teilweise dreieckige Bilder sind nur im Nahen erfassbar. Das trifft zum Beispiel auf das Panoramabild einer Steilküste (bestehend als Holz) mit einem aufgemalten Strand einschließlich einer realen Faller-Figur aus dem Modellbahn-Zubehör, einer sich sonnenden Frau, zu.

Meret Oppenheims Röntgenaufnahme des Schädels M.O. lässt als Selbstporträt das typische Gesichtsprofil nur schwach erahnen. Die geschlechtlichen Merkmale sind nur aufgrund des umgelegten Schmuckes, zweier großer Ohrringe, Ringe an den Fingern und eines Metalldrahtes im Kragen (?), erkennbar. Die Selbstdurchleuchtung ist im Jahr 1964 in Bern entstanden, nachdem Oppenheim ihre künstlerische Schaffenskrise überwunden hatte. Dieses bekannte Werk von ihr, das ich hier zum ersten Mal sah, dürfte Helmut Newton als Vorbild für sein Werk X-Ray Shoe, Monte Carlo aus dem Jahr 1989, der Röntgenaufnahme eines Frauenfußes auf High Heels, gedient haben.

Weitere, international bekannte Künstler, wie Bill Viola und Nam June Paik sind in der Ausstellung vertreten. Ein Rundgang durch die ständige Sammlung des Kunstmuseums Bern mit Werken von Manet, Cézanne, Klee, Dali, Picasso, Rothko, Pollack und den in Bern geborenen Ferdinand Hodler, vervollständigten den Museumsbesuch. Im gesamten Hause herrscht, auch bei den Werken aus der eigenen Sammlung, ein Fotografierverbot. Dafür gibt es einen Minuspunkt.

Albert Anker, Schöne Welt. Während wir in den oberen Räumen bei unserer Privatführung fast alleine waren, drängelten sich in den unteren Räumen die Besucher. Hier läuft noch bis zum 19. September 2010 die Ausstellung Schöne Welt mit Bildern von dem bei uns wenig bekannten Künstler Albert Anker.

Der 1831 in Ins, Schweiz, geborene Künstler hat sein Leben lang Themen im Inser Dorfleben gefunden: Strickende Mädchen, lesende, Großväter, wackere Schulknaben, Kinder auf dem Schulspaziergang, Haare flechtende Mädchen, einem seiner Enkelin beim Klavierspiel lauschenden Großvater. Anker hat sein Handwerk, die Malerei, perfekt beherrscht, aber den Bildern fehlt etwas. Der Titel der Ausstellung beschreibt das Werk schon sehr gut, noch besser hätte allerdings »Schöne, heile Welt« gepasst. Während der Wintermonate lebte Anker über Jahrzehnte hinweg in Paris. Seine Themen, seine Bilder blieben davon aber unberührt. www.kunstmuseumbern.ch