Ich suche meinen Schatten!

Von Friedhelm Denkeler,

Die Geschichte vom Jungen, der nicht erwachsen werden will

Liebling, George … als ich vorhin hereinkam, sah ich ein Gesicht am Fenster/ Ein Gesicht am Fenster? Ach was!/ Das Gesicht … eines kleinen Jungen. Und – ich hab ihn nicht zum ersten Mal gesehen! Ich spürte einen Luftzug, drehte mich um und sah ihn mitten im Zimmer./ Im Zimmer?/ Der Junge entwischte. Nur sein Schatten blieb am Fenster hängen./ Mary!/ Er war nicht allein. Mit ihm kam eine kleine leuchtende Kugel, sie bewegte sich im Zimmer wie ein Lebewesen./ Sonderbar. Georg, was hat das alles zu bedeuten?/ Ja, – was? [aus: Peter Pan]

Berliner Ensemble: »Peter Pan« (Erstes Bild) von Robert Wilson, Foto © Friedhelm Denkeler 2017
Berliner Ensemble: »Peter Pan« (Erstes Bild) von Robert Wilson, Foto © Friedhelm Denkeler 2017

Seit der Premiere am 17. April 2013 spielte das Berliner Ensemble (BE) am 5. Juni 2017 zum 75. und zum letzten Mal »Peter Pan oder das Märchen vom Jungen, der nicht groß werden wollte«. Für die Regie, Bühne und das Lichtkonzept war Robert Wilson (*04.10.1941) und für Musik und Songtexte CocoRosie (Sierra und Bianca Casady) verantwortlich. Peter Pan wurde von Sabin Tambrea und Tinkerbell von Christoper Nell gespielt.

Damit geht auch die Ära Claus Peymann (*07.06.1937), seit 1999 Intendant des Berliner Ensemble im Theater am Schiffbauerdamm, zu Ende. Das Stück wird unter der neuen Leitung von Oliver Reese nicht mehr im Repertoire des BE vorhanden sein. Zum Schluss gab es vom Publikum stehende Ovationen für das gesamte Ensemble, das wiederum das Publikum mit musikalischer Zugabe zum Mitsingen aufforderte. Am Ende standen alle und feierten sich gegenseitig mit der bekannten Träne im Knopfloch.

Viel Autobiografisches, Unerfülltes steckt in der Story von Peter Pan. Und hier kommt Robert Wilson. Er bringt aus New York den frischen Sound von CocoRosie mit und stellt ein Stück auf die Bühne, das sich nur als original Wilson beschreiben lässt, mit all seinem Slapstick und Surrealismus, seiner Lichtkunst und den typischen schrillen Soundeffekten. Auch bei ihm berührt die Pan-Geschichte tieferen Grund. [DER TAGESSPIEGEL]

Robert Wilson hat am BE folgende Stücke inszeniert:

Berliner Ensemble: »Peter Pan« (nach dem Schlussapplaus; Die verlorenen Jungs), Foto © Friedhelm Denkeler 2017
Berliner Ensemble: »Peter Pan« (nach dem Schlussapplaus; Die verlorenen Jungs), Foto © Friedhelm Denkeler 2017

Wenn die Götter auf die Erde kommen …

Von Friedhelm Denkeler,

Leander Haußmanns »Der gute Mensch von Sezuan« am Berliner Ensemble

Erst hieß es, das Stück »Der gute Mensch von Sezuan« von Bertolt Brecht dauert an die vier Stunden, aber ganz so hart war es dann doch nicht: nur dreieinhalb Stunden (mit Pause). Die nie langweilig werdenden Bühneninstallationen des bildenden Künstlers Via Levandowski wurden zu einer wahren Performance: Das gesamte Bühnengeschehen wurde stets von den drei Erleuchteten Göttern und den sich bewegenden (!) drei Peitschenlampen beobachtet. Waren diese Straßenlampen nicht schon im Film »Sonnenallee« zu sehen?

Worum geht es in dem Stück? Die drei höchsten Götter erscheinen auf der Erde und greifen, entgegen ihrer Bestimmung, in das Erdengeschehen ein. Sie suchen einen Menschen, der trotz der unmenschlichen, wirtschaftlichen Verhältnisse, moralisch einwandfrei ist. Wang, der Wasserverkäufer, erkennt die Götter und sucht für sie verzweifelt eine Unterkunft.

Nur die junge Prostituierte Shen Te gewährt ihnen Obdach. Für das Nachtquartier zahlen die Götter ihr ein fürstliches Honorar von Tausend Silberdollar. Shen Te kauft sich für das Geld einen Tabakladen. Sie bietet immer mehr Leuten Unterschlupf, die sie aber nur ausnutzen; zum Schluss hat sie nur noch Schulden. In ihrem »Zweiten Ich« schlüpft sie in die Rolle ihres bösen Vetters Shui Ta und vertreibt die Schmarotzer (Antonia Bill grandios in der Rolle der Shen Te und Shui Ta). Und es geht um vieles mehr.

Das Schluss-Bühnenbild zu »Der Gute Mensch von Sezuan« von Bertold Brecht im Berliner Ensemble, Foto © Friedhelm Denkeler 2016
Das Schluss-Bühnenbild zu »Der Gute Mensch von Sezuan« von Bertold Brecht im Berliner Ensemble, Foto © Friedhelm Denkeler 2016

Im letzten Bild wird deutlich, dass die Götter ebenso wie die naive, ignorante Gesellschaft, eher wegschauen. Die Götter schweben auf einer rosa Wolke fort. Das Publikum muss sich selbst ein Bild machen. Aber durch die Aufspaltung der Hauptfigur deutet Brecht an, dass es unter dem Kapitalismus einen guten Menschen alleine nicht geben kann; er muss gleichzeitig eine schlechte Seite aufweisen, weil er sonst nicht lebensfähig ist.

Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen [Brecht]

Wir können es uns leider nicht verhehlen: Wir sind bankrott, wenn Sie uns nicht empfehlen! [Brecht, Epilog an das Publikum]

Jemand mußte Josef K. verleumdet haben …

Von Friedhelm Denkeler,

Aus der Serie »Gestern Abend im Theater«: Berliner Ensemble

»Jemand musste Josef K. verleumdet haben«, Kafkas Prozeß im Berliner Ensemble, Foto © Friedhelm Denkeler 2015
»Jemand musste Josef K. verleumdet haben«, Kafkas Prozeß im Berliner Ensemble, Foto © Friedhelm Denkeler 2015

Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. Die Köchin der Frau Grubach, seiner Zimmervermieterin, die ihm jeden Tag gegen acht Uhr früh das Frühstück brachte, kam diesmal nicht. Das war noch niemals geschehen …

… Aber an K.s Gurgel legten sich die Hände des einen Herrn, während der andere das Messer ihm ins Herz stieß und zweimal dort drehte. Mit brechenden Augen sah noch K., wie die Herren, nahe vor seinem Gesicht, Wange an Wange aneinander gelehnt, die Entscheidung beobachteten. »Wie ein Hund!« sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben.

[Anfang und Ende des postum 1925 erschienenen Romanfragments »Der Prozess« von Franz Kafka]

A Tribute To Lou Reed

Von Friedhelm Denkeler,

A butterfly heart flies right past you. Wedekinds »Lulu« konzertant als Rockkonzert im Berliner Ensemble

Kein anderer Musiker hat sich wie Lou in seiner goldenen Zeit in unsere Träume und Albträume geschlichen: Er war das dreiste Klanggenie, er war zornig und widerspenstig und wimmerte doch innerlich vor Verletzlichkeit [Rufus Wainwright über Lou Reed]

Robert Wilson (*1941) hat bisher am Berliner Ensemble (BE) vier Stücke inszeniert: »Die Dreigroschenoper« mit der Musik von Bertold Brecht/Kurt Weil, »Shakespeares Sonette« mit der Musik von Rufus Wainwright (siehe hier) Matthew/ Kästners Peter Pan mit der Musik und den Songs von CocoRosie und Wedekinds »Lulu« mit der Musik und den Songs von Lou Reed.

"Lulu konzertant: A Tribute to Lou Reed", Foto © Friedhelm Denkeler 2014
„Lulu konzertant: A Tribute to Lou Reed“, Foto © Friedhelm Denkeler 2014

Wedekinds »Lulu« habe ich noch nicht gesehen, aber am Sonnabend gab es im komplett ausverkauften BE zur Erinnerung an den am 27. Oktober 2013 im Alter von 71 Jahren in New York verstorbenen Lou Reed eine konzertante Aufführung. Schauspieler traten in ihren Kostümen aus Lulu auf; Robert Wilson persönlich stand auf der Bühne, gab eine Einführung und gedachte gemeinsamer Begegnungen und die Musiker lieferten ein feines Rockkonzert ab. Wir hörten und ›sahen‹ die Songs, die Reed für Lulu komponierte. Herausgesucht habe ich den schönsten Song »Iced Honey«, den Lou Reed mit der Band Metallica für das Doppel-Album »Lulu« einspielte: Lou Reed & Metallica: »Iced Honey«

Alle Songs des Albums können Sie hier hören und auch die entsprechenden Texte dazu finden. Die Geschichte von Lou Reed zu erzählen, der seit 2008 mit Laurie Anderson verheiratet war, bleibt einem weiteren Artikel vorbehalten; aber einige Stichwörter will ich nennen: Reed trat zusammen mit John Cale und zwei weiteren Musikern in der von Andy Warhol geförderten Band unter dem Namen »The Velvet Underground« ab 1965 auf. Sie war kommerziell nicht erfolgreich, man kann sie aber als einflussreichste Underground-Band bezeichnen. Ihr erstes Album war »The Velvet Underground & Nico« – das berühmte mit dem Bananencover. Ab den 1970er Jahren arbeitete Reed als Solist, besonders bekannt wurde der Song »Walk on the Wild Side«. 2011 arbeitete er mit der Band »Metallica« zusammen.

No matter what you say, no matter what you do/ A butterfly heart flies right past you/ There’s nothing to say, nothing to do/ See if the ice will melt for you/ Iced honey [aus: »Iced Honey«]

Am Ende ist die Bühne genauso leer wie am Anfang [Botho Strauss]

Etwas ist faul im Staate Dänemark!

Von Friedhelm Denkeler,

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. Oder: The Death is not the End

Oh, the tree of life is growing/ Where the spirit never dies/
And the bright light of salvation shines/ In dark and empty skies [Bob Dylan]

Vor Beginn der Aufführung leuchtet auf dem noch geschlossenen Vorhang im Berliner Ensemble, wie von Zorros Säbel in den Stoff geschnitten, der helle Schriftzug »Hamlet« auf. Wir sind also im richtigen Theater und freuen uns auf Leander Haußmanns Interpretation von William Shakespeares »Hamlet – Prinz von Dänemark« und auf die Musik von »Apples in Space«.

Und wir sehen und hören für 3½ Stunden ›richtiges‹ Theater: Blitze zucken und der Donner grollt, Nebel wabert über die Bühne, Pistolenschüsse peitschen durch den Raum, Säbel rasseln, der alte König (oder ist es nur sein Geist?) tritt nackt auf, obwohl er ermordet wurde, ein ›Zuschauer‹ wird auf die Bühne gezerrt, Hamlet liegt mit seiner Ophelia nackt im Liebesbett, Theaterblut wird in Mengen vergossen und verspritzt (für die Zuschauer in den ersten Reihen liegen Decken bereit), Mord aus Rache, Selbstmord aus Liebeskummer, eine Theatertruppe tritt zwischendurch auf; also alles was das Theater hergibt hat Haußmann aufgefahren.

Die Geschichte von Hamlet, die ich hier sicherlich nicht erzählen muss, spielt auf dem Schloss Helsingör, das dank der Drehbühnentechnik mit einem aufgebauten Labyrinth aus unterschiedlich hohen Wänden von den Schauspielern viel an Bewegung verlangt. Einzig das Gitarren-Akkordeon-Duo »Apples in Space« bringt die notwendige Ruhe in das Spiel.

Lange hat man die Schauspieler des Hauses nicht so stark gesehen. Am Berliner Ensemble wird Theater gespielt. [Der Tagesspiegel].

Der Rest ist Schweigen.

»Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage«, Foto © Friedhelm Denkeler 2003
»Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage«, Foto © Friedhelm Denkeler 2003

Am Ende der Aufführung leben alle ermordeten und verstorbenen Figuren wieder auf und springen munter auf der Bühne zur Musik von »Apples in Space« mit dem Song »The Death is not the End« herum. Das Duo, das zwischendurch auch im Engelskostüm auftritt, besteht aus Julie Mehlum und Philipp Haußmann (Leander Haußmanns Sohn). Bekannt wurden die beiden aus dem Film »Hai-Alarm am Müggelsee« (Sven Regener/ Leander Haußmann) mit ihrem Song „Vespa„. In Hamlet begleiten sie das Stück mit viel düsterer Rockmusik von »The Death is not the End« bis »The Carneval is over«.

Der Song von Bob Dylan »The Death is not the End« erschien 1988 auf seinem Album »Down In the Groove«. Herausgesucht habe ich aber die, wie ich finde, bessere Version von Nick Cave & The Bad Seeds mit Kylie Minogue aus dem Jahr 2011 (vom Album »Murder Ballads«):

Nick Cave & The Bad Seeds: „The Death is not the End“

Die australischen Pop-Gruppe »The Seekers« hatte 1965 mit dem Song »The Carnival Is Over« einen Nummer-1-Hit in England. Auch diesen Song hat Nick Cave gecovert. Aber hier ist der Original-Song:

The Seekers: „The Carnival Is Over“

This will be our last goodbye/ Though the carnival is over/
I will love you till I die [The Seekers]

Free Pussy Riot

Von Friedhelm Denkeler,

"Free Pussy Riot", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Free Pussy Riot«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit. [Friedrich Schiller]

Seit kurzem weht eine neue Fahne auf dem Dach des Berliner Ensembles. Drei Musikerinnen der russischen Punkband Pussy Riot und das nun leicht abgewandelte Zitat von Schiller Die Kunst ist die Tochter der Freiheit sind zu sehen – aber nur wenn der Wind günstig weht. Das Berliner Ensemble unter Intendant Claus Peymann ergreift damit Partei für die drei zurzeit inhaftierten Aktivistinnen.

Anfang des Jahres sprachen sie in der Hauptkirche der Russisch-Orthodoxen, der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau ein Gebet gegen den Patriarchen, der zur Wahl von Putin aufgerufen hatte und gegen Präsident Putin selbst. Sie wurden wegen Rowdytums und Anstiftung zu religiösem Hass zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt.

»Mit ihrer Überreaktion stellen sich die russisch-orthodoxe Kirche und der russische Staat, beide eng miteinander verzahnt, außerhalb der Standards europäischer Kulturtraditionen«, erklärte Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste. Am 26. September 2012 wurde nun ein Gesetz in das russische Parlament eingebracht, das Gotteslästerung mit drei Jahren Haft bestrafen soll.

Der Kirschgarten als Sehnsuchtsort der Jugend …

Von Friedhelm Denkeler,

… oder als Metapher für unsere Zeit, in der ganze Staaten über ihre Verhältnisse leben?

Ohne den Kirschgarten würde ich mein eigenes Leben nicht mehr verstehen
[Die Ranjewskaja im Kirschgarten]

Der Sommer ist vorbei, die Kirschen sind abgeerntet, aber letzte Woche am Berliner-Ensemble im Theater am Schiffbauerdamm blühte beides als Tragikomödie noch einmal auf dem Gut der Ranewskaja auf: »Der Kirschgarten« von Anton Tschechow mit Cornelia Froboess und Jürgen Holtz, in der Fassung von Thomas Brasch und unter der Regie von Thomas Langhoff. Der Kirschgarten wirft keine Ernte mehr ab, er steht nur noch für das Schöne, das am Ende abgeholzt wird.

»Im Kirschgarten«, Foto © Friedhelm Denkeler 2008
»Im Kirschgarten«, Foto © Friedhelm Denkeler 2008

Das Stück spielt um 1900 auf einem russischen Landgut mit einem schönen alten Kirschgarten. Anja, die Tochter der Gutsbesitzerin Ranjewskaja, holt ihre Mutter aus Paris zurück, weil das Anwesen hoch verschuldet ist und versteigert werden muss. Rettung kommt vom Kaufmann Lopachin, dem ehemaligen Leibeigenen der Familie. Er will allerdings den Kirschgarten abholzen lassen und Datschen darauf bauen, die er an Sommergäste vermieten will. Die Ranjewskaja (Cornelia Froboess) glaubt an die Verschonung ihres voller Kindheitserinnerungen steckenden Kirschgartens und hofft, mit dem Kirschgarten nach ihren Pariser Jahren dort wieder eine Heimat zu finden.

Lion Feuchtwanger schrieb über das Stück: »Aber dieses handlungsarme Stück ist das Reichste und Reifste, Süßeste und Bitterste, Weiseste, was Tschechow je geschrieben. Diese Tragikomödie ist ganz einsam, es geht ein Lächeln durch sie, mild, sehnsüchtig und dennoch voll Hohn.« Von alledem ist leider in Thomas Langhoffs Inszenierung wenig zu spüren. Dazu trägt auch das karge Bühnenbild bei: Neon-Ringleuchten an der Decke und seitliche, von innen beleuchtete, bewegliche Bühnenbegrenzung und schäbige Sitzmöbel passen nicht zum Gutshaus. Der blühende Kirschgarten ist nur auf meinem Foto zu sehen.

Das Drama passt in unsere Zeit, in der ganze Staaten über ihre Verhältnisse leben und in den Bankrott rutschen. Nicht umsonst wird es zurzeit auf zahlreichen Bühnen gespielt. Das Geld ist weg, die Staaten sind hoch verschuldet, aber man will davon nichts wahrhaben. Für den Diener Firs ist die »neue Freiheit ein Unglück«; gut, das könnte ein Hinweis auf die Wiedervereinigung sein, aber eigentlich sind diese Aspekte für Langhoff nicht von Interesse. Als Zuschauer musste man sich diese Andeutungen selbst zusammendenken.

Liegt es an der Bearbeitung des Stückes durch Thomas Brasch, an Langhoffs Inszenierung oder an den Schauspielern, dass das Stück seltsam blutleer in Erinnerung bleibt und uns die Figuren nicht allzu nahe gingen? Warum man zum Beispiel Cornelia Froboess für die Hauptrolle verpflichtet hat, hat sich mir nicht erschlossen: Sie füllt die zentrale Figur der Gutsbesitzerin nur unvollkommen aus. Wer einmal die Inszenierung von Peter Stein an der Berliner Schaubühne gesehen hat, wird ohnehin alle weiteren Inszenierungen daran messen und sie alle werden es schwer haben.

Zwei Schauspieler kann man aber herausstellen: Jürgen Holtz, der den stummen Diener Firs verkörpert und Robert Gallinowski in seiner Rolle als Unternehmer Lopachin. Nach dem Aufbruch der ehemaligen Gutsbewohner bleibt der greise Diener Firs allein und vergessen im Haus zurück und Lopachin ist nicht nur der gefühllose Geschäftemacher, sondern traurig über die Tragik des Lebens, die den einen nach oben zieht, den anderen zu Boden wirft. Den gesamten Text des Drames finden Sie übrigens im »Projekt Gutenberg«.