Leander Haußmanns »Der gute Mensch von Sezuan« am Berliner Ensemble
Erst hieß es, das Stück »Der gute Mensch von Sezuan« von Bertolt Brecht dauert an die vier Stunden, aber ganz so hart war es dann doch nicht: nur dreieinhalb Stunden (mit Pause). Die nie langweilig werdenden Bühneninstallationen des bildenden Künstlers Via Levandowski wurden zu einer wahren Performance: Das gesamte Bühnengeschehen wurde stets von den drei Erleuchteten Göttern und den sich bewegenden (!) drei Peitschenlampen beobachtet. Waren diese Straßenlampen nicht schon im Film »Sonnenallee« zu sehen?
Worum geht es in dem Stück? Die drei höchsten Götter erscheinen auf der Erde und greifen, entgegen ihrer Bestimmung, in das Erdengeschehen ein. Sie suchen einen Menschen, der trotz der unmenschlichen, wirtschaftlichen Verhältnisse, moralisch einwandfrei ist. Wang, der Wasserverkäufer, erkennt die Götter und sucht für sie verzweifelt eine Unterkunft.
Nur die junge Prostituierte Shen Te gewährt ihnen Obdach. Für das Nachtquartier zahlen die Götter ihr ein fürstliches Honorar von Tausend Silberdollar. Shen Te kauft sich für das Geld einen Tabakladen. Sie bietet immer mehr Leuten Unterschlupf, die sie aber nur ausnutzen; zum Schluss hat sie nur noch Schulden. In ihrem »Zweiten Ich« schlüpft sie in die Rolle ihres bösen Vetters Shui Ta und vertreibt die Schmarotzer (Antonia Bill grandios in der Rolle der Shen Te und Shui Ta). Und es geht um vieles mehr.
Im letzten Bild wird deutlich, dass die Götter ebenso wie die naive, ignorante Gesellschaft, eher wegschauen. Die Götter schweben auf einer rosa Wolke fort. Das Publikum muss sich selbst ein Bild machen. Aber durch die Aufspaltung der Hauptfigur deutet Brecht an, dass es unter dem Kapitalismus einen guten Menschen alleine nicht geben kann; er muss gleichzeitig eine schlechte Seite aufweisen, weil er sonst nicht lebensfähig ist.
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen [Brecht]
Wir können es uns leider nicht verhehlen: Wir sind bankrott, wenn Sie uns nicht empfehlen! [Brecht, Epilog an das Publikum]