Kleine Geschichte der Werkstatt für Photographie (5): Werkstattorganisation und Werkstattziele

Von Friedhelm Denkeler,

1976 bis 1986 – 10 Jahre, die die Photographie veränderten

1976 wurde die Werkstatt für Photographie in Berlin-Kreuzberg gegründet und deren Ende erfolgte zehn Jahre später (1986). Aus diesem Anlass habe ich die Photographien rund um die Werkstatt-Aktivitäten aus meinem Bildarchiv ausgewertet und zu einer Serie mit 164 Photographien unter dem Titel »Szenen aus der Werkstatt für Photographie 1976–1986« zusammengestellt. Eine Auswahl von 35 Bildern und alle bisher erschienenen Artikel finden Sie zusammengefasst auf meiner Website LICHTBILDER.

1 Prolog, 2 Gründung, 3 Bildbesprechungen, 4 Ausstellungen, 5 Workshops, 6 Zusammenarbeit, 7 Werkstattorganisation, 8 Werkstattziele, 9 Die Werkstatt im Kontext ihrer Zeit, 10 Orte der Photographie, 11 Ortswechsel – Exkursionen nach West-Deutschland, 12 Fotografen und ihre Bücher, 13 Zeitschriften, 14 Schnackenburg, 15 New Topographics, 16 Autorenfotografie, 17 Michael Schmidt, 18 Epilog.

7 Werkstattorganisation

Die Werkstatt war in ihrer Organisation während der zehn Jahre ihres Bestehens (1976-1986) ein einzigartiges Gebilde mit Räumen unter dem Dach der Volkshochschule (VHS), völlig unabhängig vom üblichen Betrieb einer VHS (dafür aber mit eigenem Programm), eine Ausbildungsstätte ohne staatlich bestellte Dozenten, ohne staatlichen Abschluss und doch keine Privatschule. Sie ließ sich ohne Aufnahmeprüfung besuchen; die Werkstatt-Dozenten erhielten das übliche Honorar der VHS, für den jeweiligen Leiter der Werkstatt hatte man sich eine Planstelle erhofft, aber entsprechende Mittel wurden nie bewilligt.

Eine Besonderheit waren zusätzliche 6.000 DM pro Jahr, die für Ausstellungen zur Verfügung standen. Das reichte natürlich vorne und hinten nicht. So wurde am 6. Februar 1980 der Verein der Freunde der Werkstatt für Photographie unter der Leitung von Jürgen Bienert gegründet. Dadurch gab es zumindest ein paar finanzielle Mittel mehr. Für Einzelprojekte konnten in Ausnahmefällen auch Fremdgelder eingeworben werden. So wurde mein Katalog für die Ausstellung im November 1981 mit einem Drittel Eigenanteil, einem Drittel durch den Verein und einem Drittel durch die VHS/den Senat realisiert.

Ein großer Idealismus und viele ehrenamtliche Tätigkeiten von Hörern und Dozenten waren die eigentlichen Träger der Werkstatt. Vielleicht war dies, zumindest damals und vorrübergehend die Voraussetzung dafür, dass sich so eine wegweisende Stätte entwickeln konnte, die erfolgreiche Arbeit leistete und sich über West-Berlin und West-Deutschland hinaus weltweite Anerkennung verdiente – aber diese rein ehrenamtliche Tätigkeit konnte natürlich nicht unbegrenzt weitergehen.

»Szenen aus der Werkstatt für Photographie«: «Robert Frank signiert ›The Americans‹« (Workshop mit Robert Frank, Werkstatt für Photographie,  01.06.1985), Foto © Friedhelm Denkeler 1985
»Szenen aus der Werkstatt für Photographie«: «Robert Frank signiert ›The Americans‹« (Workshop mit Robert Frank, Werkstatt für Photographie, 01.06.1985), Foto © Friedhelm Denkeler 1985

8 Werkstattziele

»Die Photographie ist für mich das adäquate Mittel, unsere Zeit als Dokument glaubwürdig darzustellen. Glaubwürdig deshalb, weil der Mensch zunächst visuell erlebt und dann erst gedanklich antwortet« schreibt Michael Schmidt in der von Allan Porter herausgegebenen Schweizer Zeitschrift »camera« (März 1979). Hier legt Schmidt die Grundlage für seine Dokumentar-Photographie dar. Gleichzeitig enthält der Satz auch den »Widerspruch«, erst kommt der Mensch, also doch auch gleichzeitig subjektive Photographie. Das zeigt sich dann auch in den folgenden Jahren an den beiden Arbeiten »Waffenruhe« (1988) und »EIN-HEIT« (1991) noch deutlicher. Diese Gedanken bestimmten denn auch die weitere Entwicklung der Werkstatt.

Unsere Diskussionen über die Photographie erstreckten sich von den europäischen Klassikern bis hin zur modernen US-amerikanischen Avantgarde. Die Amateur-Fotografie mit ihren süßlichen Bildern und der reine Bildjournalismus war nicht das Ziel der Lehrenden. »Wir bemühen uns, dem Schüler zu helfen, seine Persönlichkeit zu erkennen beziehungsweise zu finden, wobei zwangsläufig die Photographie hinsichtlich ihrer kommerziellen Verwertbarkeit unerheblich wird« (Schmidt ebd.). Die Selbsterkenntnis war der Schwerpunkt der Arbeit, ohne dabei in Gruppentherapie abzugleiten. Das hätten die Dozenten auch nicht leisten können oder wollen. »Jede hervorragende Arbeit ist intuitiv entstanden, jedoch nur in dem Sinne, dass gefühlsmäßig den eigenen Gedanken nachgegangen ist« (Schmidt ebd.).

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