Finissage am 21. März 2013, 18 Uhr, im Bayer-Haus am Kurfürstendamm. Verlängerung der Ausstellung bis Ende Mai 2013.
So hatten sich die drei ausstellenden Fotografen bei der Planung den Finissage-Termin nicht vorgestellt. Statt zum Frühlingsanfang wird er nun mitten im tiefsten Winter und bei eisigem Ostwind stattfinden. Zum Trost wird die Ausstellung bis Ende Mai 2013 verlängert und am 21. März um 18 Uhr werden wir noch einmal durch die Ausstellung 3 × Berlin – Fotografische Arbeiten – Drei Ausstellungen auf vier Etagen mit Arbeiten von Horst Hinder, Berlin – zerlegt und collagiert, Friedhelm Denkeler Im Wedding, 1977, und Ralf Hasford Sitzenlassen in Berlin führen. Es wird einen Einblick in die verschiedenen Arbeitsweisen geben und bis 19 Uhr bleibt Zeit zum diskutieren. Danach sehen wir weiter!
Die Kunsthistorikerin Dr. Simone Kindler stellt im Katalog die drei Arbeiten ausführlich vor:
Berlin – zerlegt und collagiert
Horst Hinder, dessen Bilder in der dritten Etage ausgestellt sind, ist ein Fotograf, der mit großer Präzision seine Berlin-Aufnahmen am Computer in Kleinarbeit aus unzähligen quadratischen Bildausschnitten zu Collagen zusammenmontiert. An der linken Wand sind vier Arbeiten Horst Hinders ausgestellt, die wieder streng dem quadratischen Bildformat folgen. Zwei Bilder stammen aus der Serie „5×5“ und sind 2009 entstanden. Sie zeigen anonyme Häuserfassaden, neu zusammengesetzt, neu arrangiert und damit abstrahiert. In Bild „Nr. 04“ führt Horst Hinder die Abstraktion derart weit, dass das Bild malerische Qualitäten erhält. Die einzelnen Quadrate scheinen miteinander zu verschmelzen. So ist eine Form von Landschaftsmalerei aus Stein und Beton entstanden. Aber es gibt auch Brüche: durch eine Fensterfront oder ein Stück Brückenpfeiler. Dem gegenüber steht sozusagen im Bild „Nr. 05“ die Motivwahl der einzelnen Quadrate. Denn hier hat er nun Quadrate unterschiedlichster Fensterfronten zusammengesetzt und damit den Charakter einer technoiden Großstadtarchitektur evoziert. Ein Brückenübergang, eine Wendeltreppe oder eine Gaslaterne brechen jedoch auch an dieser Stelle den homogenen Eindruck auf.
Gegenüberliegend an der rechten Wand hängt ein großes Berlin-Porträt, das in seinem Bildmaß, 300 x 60 Zentimeter, und seiner Kleinteiligkeit, 2880 Quadrate wurden aneinandergefügt, außergewöhnlich ist. Hinder hat hier kleinste Bildausschnitte aus Stadtansichten zu einer großformatigen Collage zusammengefügt. Bis auf wenige Ausnahmen lässt sich der Entstehungsort aus Betrachtersicht nicht ausmachen. Dennoch ist jedes einzelne Motiv dieser Tausende kleinen Quadrate aus Berlin. Er montiert derart eine neue Stadtansicht: Aus etwas Entfernung zum Bild ist eine Landschaftsdarstellung mit Perspektive, Horizont und blauem Himmel zu erkennen und darin verwoben der Schriftzug: BERLIN. Dieser hält das Bild programmatisch zusammen, scheint das Gewimmel, die Vielfältigkeit und die überbordende Vitalität der Stadt zu vereinen und damit diesen unzähligen Stadtausschnitten in ihrer Farbintensität einen Rahmen zu geben.
Im Wedding, 1977
Friedhelm Denkeler präsentiert in der vierten Etage des Bayer-Hauses seine fotografischen Stadtansichten aus dem Berliner Bezirk Wedding, nüchtern und objektiv, aber doch stets konkret verortet, sei es über ein Straßenschild oder schlicht den Bildtitel, der Bezug auf den fotografierten Ort nimmt. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind bereits in den späten 70er-Jahren entstanden. Zu dieser Zeit arbeitete Denkeler in der legendären Werkstatt für Photographie in Kreuzberg mit seinem Lehrer, dem Berliner Fotografen, Michael Schmidt. Die nun ausgestellten Fotografien produzierte Denkeler erstmals in den vergangenen zwei Jahren im Zuge der Digitalisierung seines umfangreichen Archivs und nun werden sie auch erstmals in dieser Ausstellung öffentlich gezeigt. Seine Motivwahl im Wedding war spontan und eine Auswahl erfolgte erst bei der jetzigen Produktion.
In der Wedding-Serie hat der Fotograf stimmungsvolle Stadtporträts eines nahezu fast verschwundenen Berlins eingefangen, die in ihrer Historizität aufgeladen sind mit nostalgischer Melancholie. Denkeler fokussiert dabei sowohl bekannte geschichtsträchtige Ort, wie die in der Arbeit „Bornholmer Brücke“, ehemals der bekannte Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin, oder den Zeitschriftenladen mit dem Schriftzug „Spandauer Volksblatt“, einer ehemals populären linksliberalen Berliner Tageszeitung, die heute in kleiner Form als Lokalausgabe der Berliner Woche einmal wöchentlich erscheint. Aber auch anonyme, nicht mehr existierende Häuserfronten sind, wie namenlose Porträts der Stadt, ausgestellt. Reduktion ist das bestimmende Stilmittel des Fotografen Denkeler, die Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind frei von Inszenierungen, sie zeigen einsame, nahezu menschenleere Plätze, Landschafts-, Straßen- und Häuseransichten. Es sind stimmungsvolle Dokumentationsaufnahmen eines Berlins, dessen morbider Charme durch die Nachkriegsarchitektur, die Kohlehandlungen („Der Mann mit dem Koks ist da“) und Lichtspielpaläste („Kristallpalast“) einen wichtigen Aspekt der Berliner Atmosphäre, des Wedding, ins Bewusstsein ruft. Denkeler ist weder ein sozialkritischer Dokumentarist noch ein neutraler Chronist. Und dennoch thematisieren seine Bilder die Berliner Historie auf eine Art, die den unwiederbringlichen Aspekt von Vergänglichkeit eindringlich vor Augen führt.
Sitzenlassen in Berlin
Ralf Hasford beschäftigen in seinen künstlerischen Arbeiten immer sozial-politische wie religiös-mythische Themen. Ein bestimmendes Motiv der gezeigten Arbeiten ist die Sitzbank, die seit 2005/06, künstlerisch gesehen, sein „ständiger Begleiter“ ist: in Paris, Venedig oder eben immer wieder in Berlin.
In dieser Ausstellung präsentiert Hasford einige dieser Berliner Bänke. Interessant ist der Ort, an dem sie steht, ihre Beschaffenheit, das verwendete Material, und ihre Qualität, ihr Sitzkomfort. Damit verbunden sind sozial-politische Fragen wie „Wo lasse ich jemanden sitzen“ respektive „nicht sitzen“ und ganz persönliche des „Sitzengelassen-Werdens“ wie die allgemeinen Frage „Bin ich hier überhaupt willkommen?“. Die fotografierten Sitzbänke stehen in Parks wie dem Lustgarten, in betriebsamen Straßenzügen wie der Kantstraße oder auf Friedhöfen wie in Schöneberg.
Die Bänke scheinen herausgehoben aus ihrer ursprünglichen Umgebung. Dennoch weist Hasford im Titel entweder durch Straßen- oder Bezirksnamen wie „Kantstraße exklusiv“ auf den jeweiligen Standort in Berlin hin. Der Künstler setzt sich intensiv mit dem einzelnen Motiv und damit dem einzelnen Werk auseinander, plant alles im Detail. Zuerst fotografiert Hasford das ausgewählte Motiv vor Ort, am Computer retuschiert er später alle für ihn uninteressanten Elemente aus den Bildern weg. Danach wird das bearbeitete Bild mittels digitaler Drucktechnik auf den Bildträger – vorkoloriertes Pappmaschee – aufgebracht. Hasford konzipiert bereits vorab, nachdem die Fotografie am Computer bearbeitet wurde, in welchen Farben die einzelnen Partien des Pappmaschees pigmentiert werden. Interessant ist zudem sein Umgang mit dem inneren Bildrahmen. Hasford umgibt einerseits das Motiv mit einem weißen Rahmen, um diesen andererseits gleichzeitig wiederholt zu überschreiten und zu durchbrechen, ein bewusstes Überschreiten selbstgesetzter Grenzen, das Dynamik im Bild erzeugt.
Durch Verfremdung und Akzentuierung fordert Hasford den Betrachter auf, individuell seinen eigenen Kontext zu den unterschiedlichen fotografierten Orten zu schaffen. Mitunter akzentuiert durch politische wie religiöse ikonografische Hinweise, wie bei den Bildern „Deutsche Teilung“ oder „Flucht bei Nacht“. Er spricht damit unter anderem ihm wichtige politische und historische Themen an, die mit der deutschen Geschichte verbunden sind.
Die Ausstellung wird bis Ende Mai 2013 verlängert und ist von Mo-Fr 8-19 Uhr im Bayer-Haus am Olivaer Platz, Kurfürstendamm 179, 10707 Berlin zu sehen.