3 × Berlin – Fotografische Arbeiten im Bayer-Haus

Von Friedhelm Denkeler,

Finissage am 21. März 2013, 18 Uhr, im Bayer-Haus am Kurfürstendamm. Verlängerung der Ausstellung bis Ende Mai 2013.

So hatten sich die drei ausstellenden Fotografen bei der Planung den Finissage-Termin nicht vorgestellt. Statt zum Frühlingsanfang wird er nun mitten im tiefsten Winter und bei eisigem Ostwind stattfinden. Zum Trost wird die Ausstellung bis Ende Mai 2013 verlängert und am 21. März um 18 Uhr werden wir noch einmal durch die Ausstellung 3 × Berlin – Fotografische Arbeiten – Drei Ausstellungen auf vier Etagen mit Arbeiten von Horst Hinder, Berlin – zerlegt und collagiert, Friedhelm Denkeler Im Wedding, 1977, und Ralf Hasford Sitzenlassen in Berlin führen. Es wird einen Einblick in die verschiedenen Arbeitsweisen geben und bis 19 Uhr bleibt Zeit zum diskutieren. Danach sehen wir weiter!

"Nummer 46 im Schnee", aus der Serie “Im Wedding”, Foto © Friedhelm Denkeler 1978
»Nummer 46 im Schnee«, aus der Serie »Im Wedding«, Foto © Friedhelm Denkeler 1978

Die Kunsthistorikerin Dr. Simone Kindler stellt im Katalog die drei Arbeiten ausführlich vor:

Berlin – zerlegt und collagiert

Horst Hinder, dessen Bilder in der dritten Etage ausgestellt sind, ist ein Fotograf, der mit großer Präzision seine Berlin-Aufnahmen am Computer in Kleinarbeit aus unzähligen quadratischen Bildausschnitten zu Collagen zusammenmontiert. An der linken Wand sind vier Arbeiten Horst Hinders ausgestellt, die wieder streng dem quadratischen Bildformat folgen. Zwei Bilder stammen aus der Serie „5×5“ und sind 2009 entstanden. Sie zeigen anonyme Häuserfassaden, neu zusammengesetzt, neu arrangiert und damit abstrahiert. In Bild „Nr. 04“ führt Horst Hinder die Abstraktion derart weit, dass das Bild malerische Qualitäten erhält. Die einzelnen Quadrate scheinen miteinander zu verschmelzen. So ist eine Form von Landschaftsmalerei aus Stein und Beton entstanden. Aber es gibt auch Brüche: durch eine Fensterfront oder ein Stück Brückenpfeiler. Dem gegenüber steht sozusagen im Bild „Nr. 05“ die Motivwahl der einzelnen Quadrate. Denn hier hat er nun Quadrate unterschiedlichster Fensterfronten zusammengesetzt und damit den Charakter einer technoiden Großstadtarchitektur evoziert. Ein Brückenübergang, eine Wendeltreppe oder eine Gaslaterne brechen jedoch auch an dieser Stelle den homogenen Eindruck auf.

Gegenüberliegend an der rechten Wand hängt ein großes Berlin-Porträt, das in seinem Bildmaß, 300 x 60 Zentimeter, und seiner Kleinteiligkeit, 2880 Quadrate wurden aneinandergefügt, außergewöhnlich ist. Hinder hat hier kleinste Bildausschnitte aus Stadtansichten zu einer großformatigen Collage zusammengefügt. Bis auf wenige Ausnahmen lässt sich der Entstehungsort aus Betrachtersicht nicht ausmachen. Dennoch ist jedes einzelne Motiv dieser Tausende kleinen Quadrate aus Berlin. Er montiert derart eine neue Stadtansicht: Aus etwas Entfernung zum Bild ist eine Landschaftsdarstellung mit Perspektive, Horizont und blauem Himmel zu erkennen und darin verwoben der Schriftzug: BERLIN. Dieser hält das Bild programmatisch zusammen, scheint das Gewimmel, die Vielfältigkeit und die überbordende Vitalität der Stadt zu vereinen und damit diesen unzähligen Stadtausschnitten in ihrer Farbintensität einen Rahmen zu geben.

Im Wedding, 1977

Friedhelm Denkeler präsentiert in der vierten Etage des Bayer-Hauses seine fotografischen Stadtansichten aus dem Berliner Bezirk Wedding, nüchtern und objektiv, aber doch stets konkret verortet, sei es über ein Straßenschild oder schlicht den Bildtitel, der Bezug auf den fotografierten Ort nimmt. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind bereits in den späten 70er-Jahren entstanden. Zu dieser Zeit arbeitete Denkeler in der legendären Werkstatt für Photographie in Kreuzberg mit seinem Lehrer, dem Berliner Fotografen, Michael Schmidt. Die nun ausgestellten Fotografien produzierte Denkeler erstmals in den vergangenen zwei Jahren im Zuge der Digitalisierung seines umfangreichen Archivs und nun werden sie auch erstmals in dieser Ausstellung öffentlich gezeigt. Seine Motivwahl im Wedding war spontan und eine Auswahl erfolgte erst bei der jetzigen Produktion.

In der Wedding-Serie hat der Fotograf stimmungsvolle Stadtporträts eines nahezu fast verschwundenen Berlins eingefangen, die in ihrer Historizität aufgeladen sind mit nostalgischer Melancholie. Denkeler fokussiert dabei sowohl bekannte geschichtsträchtige Ort, wie die in der Arbeit „Bornholmer Brücke“, ehemals der bekannte Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin, oder den Zeitschriftenladen mit dem Schriftzug „Spandauer Volksblatt“, einer ehemals populären linksliberalen Berliner Tageszeitung, die heute in kleiner Form als Lokalausgabe der Berliner Woche einmal wöchentlich erscheint. Aber auch anonyme, nicht mehr existierende Häuserfronten sind, wie namenlose Porträts der Stadt, ausgestellt. Reduktion ist das bestimmende Stilmittel des Fotografen Denkeler, die Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind frei von Inszenierungen, sie zeigen einsame, nahezu menschenleere Plätze, Landschafts-, Straßen- und Häuseransichten. Es sind stimmungsvolle Dokumentationsaufnahmen eines Berlins, dessen morbider Charme durch die Nachkriegsarchitektur, die Kohlehandlungen („Der Mann mit dem Koks ist da“) und Lichtspielpaläste („Kristallpalast“) einen wichtigen Aspekt der Berliner Atmosphäre, des Wedding, ins Bewusstsein ruft. Denkeler ist weder ein sozialkritischer Dokumentarist noch ein neutraler Chronist. Und dennoch thematisieren seine Bilder die Berliner Historie auf eine Art, die den unwiederbringlichen Aspekt von Vergänglichkeit eindringlich vor Augen führt.

Sitzenlassen in Berlin

Plakat 3 x Berlin – Fotografische Arbeiten, Grafik © Horst Hinder 2013
Plakat 3 x Berlin – Fotografische Arbeiten, Grafik © Horst Hinder 2013

Ralf Hasford beschäftigen in seinen künstlerischen Arbeiten immer sozial-politische wie religiös-mythische Themen. Ein bestimmendes Motiv der gezeigten Arbeiten ist die Sitzbank, die seit 2005/06, künstlerisch gesehen, sein „ständiger Begleiter“ ist: in Paris, Venedig oder eben immer wieder in Berlin.

In dieser Ausstellung präsentiert Hasford einige dieser Berliner Bänke. Interessant ist der Ort, an dem sie steht, ihre Beschaffenheit, das verwendete Material, und ihre Qualität, ihr Sitzkomfort. Damit verbunden sind sozial-politische Fragen wie „Wo lasse ich jemanden sitzen“ respektive „nicht sitzen“ und ganz persönliche des „Sitzengelassen-Werdens“ wie die allgemeinen Frage „Bin ich hier überhaupt willkommen?“. Die fotografierten Sitzbänke stehen in Parks wie dem Lustgarten, in betriebsamen Straßenzügen wie der Kantstraße oder auf Friedhöfen wie in Schöneberg.

Die Bänke scheinen herausgehoben aus ihrer ursprünglichen Umgebung. Dennoch weist Hasford im Titel entweder durch Straßen- oder Bezirksnamen wie „Kantstraße exklusiv“ auf den jeweiligen Standort in Berlin hin. Der Künstler setzt sich intensiv mit dem einzelnen Motiv und damit dem einzelnen Werk auseinander, plant alles im Detail. Zuerst fotografiert Hasford das ausgewählte Motiv vor Ort, am Computer retuschiert er später alle für ihn uninteressanten Elemente aus den Bildern weg. Danach wird das bearbeitete Bild mittels digitaler Drucktechnik auf den Bildträger – vorkoloriertes Pappmaschee – aufgebracht. Hasford konzipiert bereits vorab, nachdem die Fotografie am Computer bearbeitet wurde, in welchen Farben die einzelnen Partien des Pappmaschees pigmentiert werden. Interessant ist zudem sein Umgang mit dem inneren Bildrahmen. Hasford umgibt einerseits das Motiv mit einem weißen Rahmen, um diesen andererseits gleichzeitig wiederholt zu überschreiten und zu durchbrechen, ein bewusstes Überschreiten selbstgesetzter Grenzen, das Dynamik im Bild erzeugt.

Durch Verfremdung und Akzentuierung fordert Hasford den Betrachter auf, individuell seinen eigenen Kontext zu den unterschiedlichen fotografierten Orten zu schaffen. Mitunter akzentuiert durch politische wie religiöse ikonografische Hinweise, wie bei den Bildern „Deutsche Teilung“ oder „Flucht bei Nacht“. Er spricht damit unter anderem ihm wichtige politische und historische Themen an, die mit der deutschen Geschichte verbunden sind.

Die Ausstellung wird bis Ende Mai 2013 verlängert und ist von Mo-Fr 8-19 Uhr im Bayer-Haus am Olivaer Platz, Kurfürstendamm 179, 10707 Berlin zu sehen.

Collagiertes, schwarzweißes und buntes Berlin

Von Friedhelm Denkeler,

Ein rauchender Bergmann, ein Weddinger Hufschmied und eine Kutschenbank. Künstlerführung am 1. März 2013, 15 Uhr, in der Ausstellung im Bayer-Haus.

Am 1. März 2013 um 15 Uhr werden die drei Fotografen durch ihre Ausstellung 3 × Berlin – Fotografische Arbeiten – Drei Ausstellungen auf vier Etagen mit Arbeiten von Horst Hinder, Berlin – zerlegt und collagiert, Friedhelm Denkeler Im Wedding, 1977, und Ralf Hasford Sitzenlassen in Berlin führen, einen Einblick in ihre Arbeitsweise geben und mit den Anwesenden diskutieren. Die Ausstellung ist von Mo-Fr 8-19 Uhr im Bayer-Haus am Olivaer Platz, Kurfürstendamm 179, 10707 Berlin zu sehen.

Die Kunsthistorikerin Dr. Simone Kindler beschreibt die Ausstellung im Katalog zur Ausstellung so:

In den folgenden Wochen zeigen die drei Berliner Fotografen Horst Hinder, Friedhelm Denkeler und Ralf Hasford im Bayer-Haus drei unterschiedliche Blicke auf Berlin. Berlin ist vital, bunt und laut, aber auch nüchtern, grau und still. Obwohl die einzelnen künstlerischen Auseinandersetzungen mit Berlin große stilistische Unterschiede aufzeigen, vereint die Arbeiten unter anderem, dass die gezeigten Motive nicht die bekannten Postkartenhighlights Berlins sind, sondern zumeist unvertraute Orte, mit denen sich die Fotografen intensiv beschäftigt haben. Während Horst Hinder in seinen Collagen viele Aspekte des aktuellen Berlins vergegenwärtigt, zeigt Friedhelm Denkeler seine historischen Schwarz-Weiß-Fotografien aus dem Wedding der 70er-Jahre und präsentiert Ralf Hasford aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgehobene Berliner Sitzbänke aller Couleur. Farbige Fotografie-Collagen, Schwarz-Weiß-Fotografien und Pappmaschee-Fotografie-Collagen, sie alle interpretieren die Stadt Berlin auf ihre jeweils ganz individuelle Art.

In der zweiten Etage des Bayer-Hauses zeigen die drei Fotografen zu Beginn der Ausstellung gemeinsam ihre Bilder. Horst Hinder präsentiert an der linken Wand vier einzelne Arbeiten aus seinen Collageserien. Die quadratisch konzipierten Bilder „Berliner Pflaster Nr. 4“ und „Rauchender Bergmann“ sind jeweils zusammengefügt aus Einzelaufnahmen des Bodenpflasters in der hinteren Bergmannstraße in Kreuzberg. Beide Arbeiten thematisieren das Berliner Alltagsleben, die Menschen, die über das Pflaster gehen, fahren, ihre Zigarettenkippe fallen lassen und den Berliner Marathon, wie der dreilinige blaue Marathonstreifen belegt. Die beiden anderen Arbeiten „5×5“ (2009) und „10×10“ (2010) bilden vielfarbige Mosaike, in denen Linien und Flächen dominieren und die einzelnen Quadrate zu einer bewegt-dynamischen Farbfläche verschmelzen.

"Mietshaus mit Remise", aus der Serie “Im Wedding”, Foto © Friedhelm Denkeler 1978
»Mietshaus mit Remise«, aus dem Portfolio »Im Wedding«, Foto © Friedhelm Denkeler 1978

An der rechten Wand zeigt Friedhelm Denkeler vier Schwarz-Weiß-Fotografien aus seiner Serie „Im Wedding“, aufgenommen in den Jahren zwischen 1977 und 1978. Es sind Häuser und Orte wie der „Weddinger Hufschmied“ oder das „Humboldt-Eck“, die so nicht mehr existieren. Mittels der Schwarz-Weiß-Fotografie erhalten Denkelers Aufnahmen einen bewahrenden Charakter. Sie sind Dokumente einer vergangenen Zeit, die den Gang von Geschichte vor Augen führen und derart Vergänglichkeit thematisieren. Der Fotograf unterstützt dies durch eine möglichst reduzierte Aufnahmeart, er hält meist Distanz zum fotografierten Motiv und lässt damit Raum zwischen sich und dem aufgenommenen Objekt. Die Bilder verzichten auf dramatische oder anekdotische Inszenierung, was durch die Abwesenheit von Menschen unterstützt wird.

Ralf Hasford präsentiert mit der „Kutschenbank“ eine großformatige Arbeit (85 x 150 cm) aus dem Jahr 2006. Im Vordergrund ist deutlich die hervorgehobene gelbe Kutschbank zu sehen. Im Hintergrund erscheint das Deutsche Historische Museum mit dem berühmten Treppenturm des Pei-Baus. Hasford hat durch seine ausgefallene Montagetechnik das Museum aber nicht als Sightseeing-Highlight betont, sondern subtil das Thema Geschichte im Bild aufgegriffen. Zum einen durch die Kutsche als Reminiszenz an vergangene Fortbewegungsmittel und zum anderen durch das Deutsche Historische Museum als bekannten Ausstellungsort deutscher Geschichte. Zudem holt Hasford die Gegenwart – mit dem Fortbewegungsmittel unserer Tage – in der rechten unteren Ecke indirekt mit ins Bild: das Auto, denn zu sehen ist ein Autospiegel, in dem sich das Abbild des modernen Pei-Baus spiegelt.

Alle drei Berlin-Fotografen zeigen eine Stadt in Auseinandersetzung mit sich selbst, sie präsentieren weder Menschen noch deren Schicksale und Erlebnisse in Berlin, sondern alle drei Fotografen zeigen ihre Sicht auf Berlin als Stadt im Rekurs auf ihre aktuelle und vergangene Geschichte.

Über das Wahre Unsichtbare in der Kunst

Von Friedhelm Denkeler,

Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart in der Ausstellung »3 × Berlin – Fotografische Arbeiten« im Bayer-Haus

Gestern Abend wurde die Ausstellung 3 × Berlin – Fotografische Arbeiten mit den Werken von Horst Hinder, Ralf Hasford und Friedhelm Denkeler im Bayer-Haus am Kurfürstendamm eröffnet. Nach einer Einleitung von Horst Hinder machte der Philosoph und Schriftsteller Reinhard Knodt vor über 80 Gästen einige Anmerkungen zu den einzelnen Arbeiten. Knodt bezog sich nicht auf das Vordergründige, das man in den Bildern auf einen ersten Blick hin sieht, sondern versuchte das »Wahre Unsichtbare in der Kunst« [Kant], das sich erst nach und nach zeigt, darzustellen. Im Folgenden stelle ich seine Betrachtungen in Auszügen vor.

Zu Horst Hinder: »Berlin – zerlegt und collagiert«

"5x5 Nr. 2", Foto © Horst Hinder 2009
»5×5 Nr. 2«, Foto © Horst Hinder 2009

Das Unsichtbare, aber grundlegend Wichtige in der Malerei, wie auch in der Fotografie, ist bekanntlich das Licht. Dass der Gesamteindruck eines Bildes sich aus kleinen Flächen oder sogar Punkten zusammensetzt, haben bereits die Impressionisten thematisiert (Monet, Renoir). Die mathematische Spitze dieser Auffassung stellt der Pointilismus dar (etwa Seurat) …

Nehmen wir die Fotografie, bzw. gehen jetzt einmal zu Horst Hinder über, dann fällt auf, dass er Hunderte von Einzelbildern zu größeren Einheiten zusammen-setzt, bzw. große Bildeinheiten und kleine, lichtpunktartige Fraktale ins Verhältnis bringt. Dieses Verfahren, könnte man strukturell mit einem Prinzip beschreiben, das René Descartes berühmt gemacht hat und das auch das leitende Prinzip der Moderne ist.

Descartes sagte: Wenn man ein komplexes Problem darstellen will (sagen wir Berlin), müsse man es in möglichst viele Teilprobleme zerlegen, diese Teilprobleme einzeln lösen und aus diesen Lösungen das Ganze wieder zusammensetzen. Die letzten dreihundert Jahre Europäische Geschichte leben von diesem Prinzip. Wir nennen es ‚Fortschritt‘ und wir hoffen, dass das Prinzip der Zerlegung und Zusammensetzung in Politik, Technik und auf anderen Ebenen eine Verbesserung der Verhältnisse ermöglicht.

Wir sind also bei aufkommenden Problemen sofort bereit, zu unterscheiden, zu zergliedern, Speziallösungen zu suchen aus denen unsere Welt dann, so hoffen wir, durch Vertrauen in die Zukunft sich verbessert. Jeder weiß, dass diese neuzeitliche Fortschrittshoffnung bzw. Zukunftssehnsucht uns heute gelegentlich fragwürdig vorkommt – man nennt dieses Phänomen Postmoderne. Horst Hinders Arbeitsweise spiegelt das … Daher würde ich Horst Hinder nach einem Schema, das ich jetzt vorschlage, als einen Künstler bezeichnen, der die Zukunftssehnsucht der Moderne ins Bild bringt – nicht symbolisch aber doch methodisch.

Zu Friedhelm Denkeler: »Im Wedding«, 1978

"Kristallpalast", Foto © Friedhelm Denkeler 1977
»Kristallpalast«, Foto © Friedhelm Denkeler 1977

Bleiben wir beim Begriff der Sehnsucht und gehen zu Friedhelm Denkeler. Zwar möchte ich auch ihn als Sehnsüchtigen bezeichnen, seine Sehnsucht sollte man aber eher mit Nostalgie umschreiben, … also Heimweh, natürlich auch nach früheren Zeiten. Die Nostalgie wird in der fortschrittlichen Moderne etwas abfällig als Schwäche beurteilt. Gleichwohl ist sie eine starke Form der Sehnsucht, ja sogar eine wichtige Atmosphäre, ohne die es kaum Kunst oder Feste gäbe …

Das klingt banal, aber das sollte man nicht außer Acht lassen, wenn man sich mit nostalgischen Szenerien beschäftigt, selbst, wenn wir ahnen, dass wir manchen Dingen der Vergangenheit vielleicht zum Glück entkommen sind – was besonders für Berlin zutrifft. Auch die Technik der Schwarzweißaufnahme führt uns in die Vergangenheit … Die 35 Jahre alten Fotos Denkelers machen einen Aspekt deutlich, den man mit dem Anthropologen Roland Barthes als das »Palimpsest der Stadt« bezeichnen könnte.

Ein Palimpsest war im Mittelalter ein altes Pergament, das abgeschabt und neu beschrieben wurde. Die alten Buchstaben leuchteten manchmal noch durch die neuen, die Vergangenheit war gewissermaßen präsent, so wie das auf Berliner Häuserfronten, die noch nicht übertüncht und frisch renoviert waren. Denkelers Arbeiten spielen mit der Stadt als Palimpsest, auf dem sich Altes und Neues zugleich zeigt, wo der Kohlenhändler, der vor zwanzig Jahren seinen Laden dichtmachte und die alte Brot- und Feinbäckerei eben noch spürbar sind, obwohl wir heute dort längst gestrichene Fassaden … sehen. Nostalgie – die Sehnsucht nach der Vergangenheit im Reich der Zeichen.

Vielleicht sollte man noch anfügen, dass Denkeler natürlich kein naiver Nostalgiker ist. Einer, sagen wir mal Laura Ashley-Nostalgie, würde er sogar kräftig entgegenarbeiten. Seine Bilder haben nichts Bergendes oder Idyllisches, eher schon zeigen sie das oft Hilflose, das Ungeborgene, Dürftige oder Bedürftige der Vergangenheit. Seine Sache ist also nicht die Sehnsucht nach der Vergangenheit allein, sondern auch das Wissen darüber, dass man sich in Nostalgie nicht einrichten kann.

Zu Ralf Hasford »Sitzenlassen in Berlin«

"Lustwandeln erschöpft", © Ralf Hasford 2008
»Lustwandeln erschöpft«, © Ralf Hasford 2008

Ich komme zum dritten Künstler und damit auch zu einer dritten Art der Sehnsucht: Eine Bank, ist ein Gegenstand, der zum Sitzen einlädt. Sie winkt sozusagen von Ferne, sie lädt ein. Die Einladung hat gelegentlich sogar eine gewisse Dringlichkeit, je nach Bank und je nachdem ob sie dürftig ist oder prächtig, bequem oder hart. Parkbänke sprechen uns stark an, wahrscheinlich, weil wir als stets müde Stadtwanderer immer wieder auf sie zurückkommen müssen.

Die Bank lädt nun aber nicht nur zum Ausruhen ein, sondern eben auch zur Kontemplation. Wir kontemplieren nicht nur auf der Bank, sondern gewissermaßen schon angesichts der Bank. Sie ist nicht nur das Mittel, sondern auch das Bild der Ruhe und Kontemplation. Kontemplation ist das Verharren im Jetzt und wenn ich mein zugegeben einfaches Schema der Sehnsucht anwenden darf, würde ich jetzt also sagen, nachdem wir uns mit der Sehnsucht nach Zukunft und nach Vergangenheit beschäftigt haben, stehen wir bei der Bank gewissermaßen vor der Sehnsucht nach dem ‚Jetzt‘, nach Zeitlosigkeit, eine Sehnsucht, die übrigens der Berliner Philosoph Schopenhauer als die Sehnsucht ’nach dem Nichts‘ in die Diskussion brachte …

Der Meditations- und Liebesort des 19. Jh., der in dieser Ausstellung nun selbst zum meditativen Gegenstand geworden ist, nachdem ihn Ralf Hasford entdeckt hat, verkörpert also die Sehnsucht nach dem Jetzt, nach der Zeitlosigkeit. Und faktisch steht ja auch die Parkbank, die Gartenbank, oder die Friedhofsbank zwischen Vergangenheit und Zukunft im Jetzt.

Zusammenfassung

Damit bin ich am Ende. Ich behaupte, bei genauerem Nachdenken bemerkt man, die drei hier ausstellenden Künstler haben sich offenbar instinktiv zu einem gemeinsamen Thema zusammengefunden, welches oberflächlich »Berlin«, tatsächlich aber »Sehnsucht« lautet, wobei sich jeder auffällig deutlich mit einem der drei Zeitaspekte der Sehnsucht beschäftigt hat: Horst Hinder mit der modernen Sehnsucht nach Zukunft, bzw. Fortschritt im Puls von Zerstückelung und Zusammensetzung, Friedhelm Denkeler mit der Nostalgie, also der Sehnsucht nach der Vergangenheit, und Ralf Hasford schließlich mit der Sehnsucht nach dem Jetzt, dem Stehenbleiben der Zeit …

Inwieweit das alles zutrifft, müssen Sie entscheiden. Es könnte sein, dass die Formen der Sehnsucht nicht ganz so sauber nach Zukunft, Vergangenheit und jetzt getrennt sind, wie ich das behauptet habe. Zum Beispiel betont bildende Kunst überhaupt eher das ›Jetzt‹ als andere zeitliche Orientierungen. Andererseits würden wir dann aber von Bildern als Gegenständen sprechen und nicht mehr von dem was sie als Gegenstände ausdrücken … Möge sich erfüllen, wonach immer Sie sich sehnen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 21. März 2013, Mo-Fr 8-19 Uhr, im Bayer-Haus am Olivaer Platz, Kurfürstendamm 179, 10707 Berlin, zu sehen. www.reinhard-knodt.de

3 × Berlin – Fotografische Arbeiten

Von Friedhelm Denkeler,

Drei Ausstellungen auf vier Etagen – im Bayer-Haus Berlin. Einladung zur Vernissage am 24. Januar 2013, 18 bis 21 Uhr

Die drei Berliner Künstler Horst Hinder, Ralf Hasford und Friedhelm Denkeler laden zur Ausstellungseröffnung am Donnerstag, 24. Januar 2013, 18 bis 21 Uhr, ins Bayer-Haus am Olivaer Platz, Kurfürstendamm 179, 10707 Berlin, ein. Sie stellen ihre Sicht auf das alte und neue Berlin mit ganz unterschiedlichen fotografischen Verfahren dar.

Plakat 3 x Berlin – Fotografische Arbeiten, Grafik © Horst Hinder 2013
Plakat 3 x Berlin – Fotografische Arbeiten, Grafik © Horst Hinder 2013

Horst Hinder stellt unter dem Titel Berlin – zerlegt und collagiert großformatige, farbige Collagen aus. Hinder hat die Stadt fotografisch auseinander genommen und Quadrat für Quadrat wieder neu zusammen-gesetzt. Ralf Hasford stellt sein Werk Sitzenlassen in Berlin aus. Ein mit Pigmenten vorkolorierter Papierpulp (Pappmaché) wurde nach der Trocknung in einem aufwendigen Verfahren mit einem fotorealistischen Druck versehen. Friedhelm Denkeler zeigt, in klassischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die 1977 und 1978 entstandenen Fotos aus dem Portfolio Im Wedding, die jetzt zum ersten Mal öffentlich zu sehen sind. Die Ausstellenden habe ich bereits hier in Kurzbiografien vorgestellt.

Um ca. 18.30 Uhr spricht Reinhard Knodt zur Ausstellung. »Künstler arbeiten im Zwischenreich von Profanität und Geheimnis. Sie hantieren mit scheinbar Banalem, mit Resten, mit alltäglichem Material. Sie bauen jedoch an einem Raum der Sehnsucht. Dieser kann in die Vergangenheit reichen, in die Zukunft weisen oder im Jetzt zur Kontemplation aufrufen. Warum wir fotografieren, warum künstlerische Arbeiten gelingen oder misslingen und warum sich Sammler mit »Kunst« umgeben, das sind Fragen, zu denen einige philosophische Anmerkungen nützlich erscheinen …«.

Reinhard Knodt (1951) ist Philosoph und Schriftsteller. Er ist als Universitätslehrer (UDK), Vortragsredner und Rundfunkautor tätig. Viele Essays zur Kultur- und Philosophiegeschichte. Literarische Arbeiten (Roman, Erzählung, Kurzprosa, zwei Oratorien), sowie zahlreiche Rundfunkarbeiten (Features, Hörspiele, Essays, Vorträge, experimentelle Formen). Literaturpreis der Bayerischen Akademie der schönen Künste. Kunstaktionen. Kunst- und Architekturkritik für Deutschlandradio Kultur. www.reinhard-knodt.de.

Winter im Wedding

Von Friedhelm Denkeler,

»Die Panke im Winter«, aus dem Portfolio »Im Wedding«, Foto © Friedhelm Denkeler 1978
»Die Panke im Winter«, aus dem Portfolio »Im Wedding«, Foto © Friedhelm Denkeler 1978

Meine Serie Im Wedding, die 1977/1978 entstanden ist, zeigt weniger eine Dokumentation des damaligen Wedding, sondern spiegelt Stimmungen. Insbesondere Fotos, die im Winter bei Schneetreiben aufgenommen wurden, fangen eine eigentümliche Atmosphäre, fern der Großstadt ein. Sie geben auch Zeugnis von den ersten Graffitis, wie Freiheit für die Agitdrucker oder den mit Kreide geschriebenen Hinweis an der Haustür, wann der Schornsteinfeger kommt. Die winterliche Panke, der historisch tiefe Benzinpreis von 91,9 Pfennigen und der geschlossene Laden Spandauer Volksblatt, der die endgültige Einstellung des Blattes im Jahr 1992 bereits vorweg zu nehmen scheint, sind weitere Themen im Winterkapitel der Serie.

Ab 25.01.2013 zeige ich in der Ausstellung 3 x Berlin – Fotografische Arbeiten – Drei Ausstellungen auf vier Etagen im Bayer-Haus am Kurfürstendamm eine Auswahl von 22 Fotos aus der Serie Im Wedding, davon acht Winterbilder. Die Fotos sind jetzt zum ersten Mal öffentlich zu sehen und Teil des Portfolios und Künstlerbuchs mit 159 Bildern (siehe hier). Auf meiner Website LICHTBILDER  sind dreißig Bilder aus dem Fotobuch zu sehen. Die Ausstellungseröffnung findet am 24. Januar 2013, 18 – 21 Uhr, statt. Dazu morgen mehr.

3 × Berlin – Fotografische Arbeiten

Von Friedhelm Denkeler,

Drei Ausstellungen auf vier Etagen im Bayer-Haus Berlin ab 25.01.2013: Horst Hinder »Berlin – zerlegt und collagiert«, Friedhelm Denkeler »Im Wedding«, 1977, und Ralf Hasford »Sitzenlassen in Berlin«

Im Bayer-Haus zeigen aktuell ab dem 25. Januar 2013 die drei Berliner Künstler Horst Hinder, Ralf Hasford und Friedhelm Denkeler unter dem Titel 3 x Berlin – Fotografische Arbeiten – Drei Ausstellungen auf vier Etagen mit ganz unterschiedlichen fotografischen Verfahren, ihre Sicht auf das alte und neue Berlin. Die Ausstellung wurde unter der Leitung von Horst Hinder von den Fotografen selbst konzipiert. Heute möchte ich die drei Ausstellenden mit ihren Kurzbiografien vorstellen.

Selbstporträt, © Horst Hinder 2012
Selbstporträt, © Horst Hinder 2012

Horst Hinder  (*1961) lebt seit 1985 in Berlin. Nach dem Abitur in Hessen absolvierte er zunächst eine Lehre als Korbmacher und übte das Handwerk einige Jahre aus. Es folgte 1989-94 das  Studium an der Hochschule der Künste Berlin und die berufliche Beschäftigung mit Fotografie und Grafik. Seit 1993 arbeitet er in seinem Grafikbüro und Atelier. Die Fotografischen Collagen entstehen seit 2008. »Horst Hinder hat die Stadt fotografisch auseinander genommen und Quadrat für Quadrat wieder neu zusammengesetzt«,  »So entstehen persönliche Stadtlandschaften, die neue Blicke auf Berlin und die Geschichte der Stadt ermöglichen, geschaffen von einem aufmerksamen und feinnervigen Beobachter…«. www.horst-hinder.de

Selbstporträt, Foto © Friedhelm Denkeler 2007
Selbstporträt, Foto © Friedhelm Denkeler 2007

Friedhelm Denkeler (*1946) lebt und arbeitet seit 1968 in Berlin. Neben seiner Tätigkeit als Ingenieur hat er an der Werkstatt für Photographie in Berlin-Kreuzberg und als Schüler von Michael Schmidt seine Fotografische Ausbildung erhalten. Seit 1978 stellt er freie fotografische Arbeiten in Form von Portfolios und Autorenbüchern her. Denkelers Arbeiten waren in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen: Rudolf Kicken Galerie, Köln, the ffoto gallery, Cardiff, Wales, Fotogalleriet, Oslo, Castelli Graphics, New York, Jones/Troyer Gallery, Washington D.C., Galerie Fotohof, Salzburg, Centre de la photographie, Genf, Berlinische Galerie, Berlin, Neue Gesellschaft für bildende Kunst, Berlin, Yale University Art Galerie, New Haven. In den öffentlichen Sammlungen der Berlinischen Galerie, Bibliothèque nationale de France und Allan Chasanoff Photografic Collection im Museum of Fine Arts Houston, ist Denkeler vertreten. Seit 2002 zeigt er seine Arbeiten auf der Website “www.denkeler-foto.de” und betreibt seit 2010 den Foto-Blog “Journal – Berichte aus Berlin zu Photographie und Kunst”.
www.denkeler-foto.de

Selbstporträt, © Ralf Hasford 2012
Selbstporträt, © Ralf Hasford 2012

Ralf Hasford (*1965) zu seiner Philosophie: »Ich arbeite mit Vorhandenem, destilliere politische und mythische Begebenheiten in meinen Werken. Aus alten Brüchen und verbrauchten Materialien entstehen so Werke zur Genusssteigerung«. Der Erhalt von Natur und Freiheit sind ihm eine Verpflichtung. Seine Werke sind seit 2005 an unterschiedlichen Orten in ständigen wie temporären Ausstellungen in Berlin und dem Bundesgebiet zu sehen. Eine immerwährende Neugier auf die Weiterentwicklung des Gesehenen treibt ihn in seinem Schaffen an. Dabei stellt er sich den scheinbaren Begrenzungen, die in Handwerk und Material ruhen, um diese zu überwinden und neue Formen zu erlangen. Mit Vorkoloriert schuf er sich eine eigene Technik, mit der er seine Werke erstellt.  2002 definierte Hasford  den Begriff und entwickelte die Technik dann  in unterschiedlichen Weisen weiter. Großformatige Bilder sowie raumgreifende Plastiken gehören dazu. »Liebe und gutes Essen begleiten mich dabei« sagt Hasford mit einem Lachen. Vorkoloriert voraus gingen Kommunikationsdesign, Interieurgestaltungen und Entwürfe für Lampen.

3 × Berlin – Fotografische Arbeiten

Von Friedhelm Denkeler,

Drei Ausstellungen auf vier Etagen im Bayer-Haus am Kurfürstendamm: Ralf Hasford »Sitzenlassen in Berlin«, Horst Hinder »Berlin – zerlegt und collagiert« und Friedhelm Denkeler »Im Wedding, 1977«

Im Westen von Berlin ist ein neuer, einzigartiger Kultur-Cluster für fotografische Ausstellungen und Veranstaltungen im Entstehen begriffen: Die weltberühmte C|O-Galerie zieht in das Amerika-Haus am Bahnhof Zoo (siehe Von der Mitte in den Westen), fast direkt neben das Museum für Fotografie/die Newton Foundation, die Galerie Camera Work  in der Kantstraße und die Universität der Künste in der Hardenbergstraße sind seit langem etabliert und am Kurfürstendamm gibt es den Photoplatz im Hotel Bogota. Seit kurzem entsteht ein weiterer Ort für Fotografie: die Galerie im Bayer-Haus am Kurfürstendamm.

"3 x Berlin – Fotografische Arbeiten", Grafik © Horst Hinder 2013
»3 x Berlin – Fotografische Arbeiten«, Grafik © Horst Hinder 2013

Im Bayer-Haus zeigen aktuell ab dem 25. Januar 2013 die drei Berliner Künstler Horst Hinder, Ralf Hasford und Friedhelm Denkeler unter dem Titel 3 x Berlin – Fotografische Arbeiten – Drei Ausstellungen auf vier Etagen mit ganz unterschiedlichen fotografischen Verfahren, ihre Sicht auf das alte und neue Berlin. Die Ausstellung wurde unter der Leitung von Horst Hinder von den Fotografen selbst konzipiert.

Horst Hinder stellt unter dem Titel Berlin – zerlegt und collagiert großformatige, farbige Foto-Collagen aus. Hinder hat die Stadt fotografisch auseinander genommen und Quadrat für Quadrat wieder neu zusammengesetzt. Ralf Hasford stellt sein Werk Sitzenlassen in Berlin aus. Ein mit Pigmenten vorkolorierter Papierpulp (Pappmaché) wurde nach der Trocknung in einem aufwendigen Verfahren mit einem fotorealistischen Druck versehen. Friedhelm Denkeler zeigt, in klassischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die 1977 und 1978 entstandenen Fotos aus dem Portfolio Im Wedding, die jetzt zum ersten Mal öffentlich zu sehen sind.

Die Vernissage findet am Donnerstag, 24. Januar 2013,  18 – 21 Uhr, im Bayer-Haus am Olivaer Platz, Kurfürstendamm 179, 10707 Berlin, statt. Zur Begrüßung um ca. 18.30 Uhr spricht ein Vertreter der IVG Asset Management GmbH des Bayer-Hauses und der Philosoph Reinhard Knodt, der unter anderem für Deutschlandradio Kultur arbeitet, wird sich und die Gäste fragen, »warum wir Bilder malen,  warum sie gelingen oder misslingen, warum sie uns ansprechen und warum sich Sammler mit Kunst umgeben«. Eine Künstlerführung wird es am Freitag, 1. März 2013, 15 Uhr, geben und die Finissage findet am Donnerstag, 21. März 2013, 18 Uhr, statt.

Die Quadratur der Stadt

Von Friedhelm Denkeler,

»Paris | Berlin – So kann man es auch sehen«. Fotografisches aus zwei Städten von Horst Hinder und Philippe Saunier im Berliner Bayer-Haus.

Das Quadrat ist ein ganz besonderes Bildformat. Es ist ausgewogen und harmonisch, nimmt sich als Format stark zurück und rückt damit den Bildinhalt in den Vordergrund … Das Quadrat als mystische Beigabe im Bild oder als eigenständige Bildform besitzt in der Kunstgeschichte eine lange Tradition: angefangen mit Albrecht Dürers magischem Quadrat in seiner Melancolia I (1514), Kasimir Malewitschs ikonengleichem Schwarzen Quadrat (1915) und Josef Albers Serien Hommage to the Square (60er Jahre des 20. Jahrhunderts). [Dr. Simone Kindler)

Horst Hinder, der seit über 25 Jahren in Berlin lebt und arbeitet, hat die Stadt fotografisch auseinander genommen und Quadrat für Quadrat wieder neu zusammengesetzt. Das größte Bild „2880 Pixel“ befindet sich gleich in der zweiten Etage im Bayer-Haus am Kurfürstendamm: Es misst 300 x 60 Zentimeter und besteht aus 2880 kleinen Einzelaufnahmen in der Größe 2,5 x 2,5 cm. Wenn man das Bild mit großem Abstand betrachtet, wirkt das Ganze wie eine Landschaft mit dem darin „versteckten“ Schriftzug „Berlin“. Tritt man ganz nah an das Bild heran, so sind 2880 einzelne Stadtimpressionen wahrzunehmen. Nicht ganz zufällig hat Hinder auch ein Stück Pflaster mit den 3-linigen blauen Marathonstreifen mit eingebaut: Er ist aktiver Marathonläufer.

"Horst Hinder mit "5x5", Nr. 7 und Nr. 8", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Horst Hinder mit »5×5, Nr. 7 und Nr. 8«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

In der dritten Etage zeigt Hinder aus seiner Serie Berliner Pflaster die Arbeiten Der junge Herr Bergmann, Der rauchende Herr Bergmann und Der alte Herr Bergmann (100 x 100 cm). Sie sind aus jeweils 49 Aufnahmen des Bodenpflasters der Bergmannstraße in Kreuzberg zusammengesetzt – und wenn man den richtigen Abstand hat und genau hinsieht, wird Herr Bergmann auch jedes Mal sichtbar.

In den Collagen 5 x 5 der 4. Etage (siehe Foto) entstehen durch jeweils 25 Einzelaufnahmen neue architektonische Ansichten der Stadt auf 140 x 140 cm. Erwähnen möchte ich weitergehend die Arbeit Yak und Yeti in der 5. Etage. Hinder hat sie aus 784 Einzelaufnahmen zum Thema Dopplungen komponiert. Die Arbeit ist ein ›Suchbild‹ und hat man sich erst eingesehen, so springen dem Betrachter die einzelnen Dopplungen förmlich ins Auge.

Horst Hinder, der die Ausstellung selbst konzipiert hat, stellt darüber hinaus die Fotografien von Philippe Saunier seinen eigenen Arbeiten auf den jeweiligen Etagen gegenüber. Saunier zeigt eher kleinformatige Fotos in schwarz/weiß aus seiner Heimatstadt Paris und aus Berlin. Durch das Negativ-Mittelformat, die vorzüglich auf mattem Baryt-Papier abgezogenen schwarz-weiß-Fotos und die ohne störendes Glas präsentierten Bilder, bilden Sauniers Arbeiten einen guten Kontrast zu Hinders quadratischen Werken in Farbe.

Und so entstehen poetische Stadtansichten, getragen von einer ruhigen und ausgewogenen Komposition. Philippe Saunier sucht die einsamen Eindrücke in den Straßen der Metropolen, bewusst meidet er die Touristenströme. Saunier hat eine Vorstellung, eine konkrete Idee, wo er seine Aufnahmen in den Städten machen möchte, sei es im Osten Berlins wie zum Beispiel am Alexanderplatz. Es sind keine Aufnahmen, die en passant entstehen, sondern bewusste Kompositionen. [Dr. Simone Kindler]

"Das Foyer im 4. und 5. Stock des Bayer-Hauses", Foto © Philippe Saunier 2012
»Das Foyer im 4. und 5. Stock des Bayer-Hauses«, Foto © Philippe Saunier 2012

Das siebengeschossige Bürogebäude Bayer-Haus mit dem Rasterfachwerk wurde 1951/52 errichtet und ist 1988 denkmalgerecht restauriert worden. Die Chemie-Firma Bayer hatte dort ihren Sitz. Das Haus war eines der ersten Neubauten in West-Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg und galt damals als das „schönste Haus Berlins“. Durch den Besuch der Ausstellung ergibt sich eine gute Gelegenheit, das Treppenhaus, das den Charme der 1950er Jahre wiederspiegelt und die auf jeder Etage befindlichen, großzügigen Foyers kennenzulernen (siehe Foto), die es heute ermöglichen dort Bilder zu zeigen. Die Ausstellung ist im Bayer-Haus am Olivaer Platz, Kurfürstendamm 179, 2. bis 5. Etage, 10707 Berlin, Mo-Fr 8-19 Uhr, noch bis Ende August 2012 zu sehen. www.horst-hinder.de,  www.philippesaunier.org