1960 (1) – The Shirelles: »Will You Love Me Tomorrow?«. Wenn die Trommeln der Apachen rufen … The Shadows: »Apache«.
Während der Internationalen Filmfestspiele in Berlin im Februar 2017 sahen wir den Film »Una mujer fantástica« von Sebastian Lélio mit Daniela Vega. Der Film ist ein Plädoyer für die sexuelle Selbstbestimmung. Die Trans-Frau Marina (Daniela Vega) ist nach dem Tod ihres Freundes Orlando (Francisco Reyes) dem blanken Hass seiner Familie ausgesetzt. Und wenn schon nicht ihre Umgebung, so ist doch der Film ganz auf ihrer Seite und zeigt die zunehmend ins Abseits gedrängte Protagonistin als starke, lebenskluge, fantastische Frau.
Der RBB urteilte: »Marina sitzt auf ihrem Sofa, die Beine leicht angewinkelt. Sie ist nackt, doch ein Spiegel verdeckt ihre Scham. Die nächste Einstellung zeigt Marina von oben: Man sieht nur ein Stück Beine, etwas Bauch – und mitten im Bild ihr Gesicht im Spiegel zwischen ihren Beinen. Es ist ein eindringliches, berührendes Bild. Gerade in seiner Einfachheit und Wortlosigkeit macht es klar, worum es Lélio geht: Was die geschlechtliche Identität eines Menschen bestimmt, ist nicht zwingend das, was zwischen seinen Beinen ist«.
Passend zum Film hat Lélio als Soundtrack unter anderem Aretha Franklin mit »A Natural Woman« aus dem Jahr 1967 ausgesucht. Der Song wurde 1967 von Carole King und Gerry Goffin geschrieben und 2015 von Aretha Franklin zum Gala-Empfang im Opera House des Kennedy Centers zu Ehren der Preisträgerin Carole King performt. Diese Ehrung umfasste zahlreiche Feierlichkeiten, unter anderem verfolgten die Geehrten die Gala gemeinsam mit dem US-Präsidenten Obama in der Präsidenten-Loge. Ihren ersten Nummer-eins-Hit hatte Carole King als 18jährige mit dem Lied »Will You Love Me Tomorrow?«. Sie schrieb ihn für die Girlgroup »The Shirelles« (1960).

Bei den Trommeln der Apachen habe ich immer gedacht, der Song stammt von den »Shadows«, der Begleitband von Cliff Richard. Bei der Recherche stellte sich heraus, dass es etwas komplizierter ist, aber der Reihe nach. Die Melodie stammt von dem englischen Komponisten Jerry Lordan. Die Idee zum Titel soll ihm gekommen sein, als er den gleichnamigen Western mit Burt Lancaster und Charles Bronson aus dem Jahr 1954 sah. Es fehlte ihm nur eine Instrumental-Band; die fand er in Bert Weedon. Das Stück wurde 1960 eingespielt, blieb aber zunächst unveröffentlicht, Lordan gefiel diese Fassung nicht.
Dann kam Lordan mit den Shadows in Kontakt, die wiederum fanden, das Instrumental passe zu ihnen. Am Anfang und Ende des Stückes sollten die Trommeln auf die ›Indianermusik‹ hinweisen. Der Erfolg blieb nicht aus: ab dem 21. Juli 1960 stand die Single für fünf Wochen auf dem ersten Platz der britischen Charts. Jetzt wurde schnell die Single von Jerry Lordan veröffentlicht. Sie hatte in Europa aber weniger Erfolg. In den USA punktete dagegen die Fassung des dänischen Jazzgitarristen Jørgen Ingmann. Alle drei machten das Instrumental zu einem internationalen Hit. Mein Favorit bleibt aber für immer »Apache« von den Shadows.
Songtext – The Shirelles: »Will You Love Me Tomorrow?«
Tonight you're mine, completely You give your love so sweetly Tonight the light of love is in your eyes But will you love me tomorrow Is this a lasting treasure Or just a moment's pleasure Can I believe the magic in your sighs Will you still love me tomorrow
Tonight with words unspoken You say that I'm the only one But will my heart be broken When the night meets the morning sun I'd like to know that your love Is a love I can be sure of So tell me now and I won't ask again Will you still love me tomorrow
Anmerkung zur Kategorie »Siebzig Jahre – Siebzig Songs»
Hier finden Sie Beiträge zu Songs und ihren Interpreten aus 70 Jahren Rock- und Pop-Geschichte 1946 bis 2016. Alle im Text erwähnten Songs sind als Video oder Audio auf den bekannten Musik-Portalen wie YouTube, Vimeo, etc. zu finden. Jeder Artikel ist ein Auszug aus meinem geplanten Künstlerbuch »Siebzig Jahre – Siebzig Songs«.
Die bisherigen Beiträge zu »Siebzig Jahre – Siebzig Songs«
- Zweitausend Meilen auf der Route Sixty-Six1946 – Nat King Cole: »(Get Your Kicks On) Route 66«. Der Jump-Blues-Song »Caldonia« von Louis Jordan. Mein Rock-Archiv beginnt im Jahr 1946.
- »Near You« von Francis Craig – Der Nummer-eins-Hit 19471947 – T-Bone Walker: »Bobby Sox Blues«. T-Bone Walker – der Pionier des Jump und des Electric Blues. Die Melodie ist mir aus der Kindheit in Erinnerung geblieben.
- Ein Leben durch die rosarote Brille1948 – Edith Piaf: »La Vie En Rose«. Der 1,50 Meter große Spatz von Paris wurde nur 47 Jahre alt, aber weltberühmt. Das Chanson wurde in zwölf Sprachen übersetzt.
- Der Dicke und die kreolischen Girls1949 – Fats Domino: »The Fat Man«. Der Beatles-Song »Lady Madonna« eine Hommage an Dominos Klavierspiel. Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt.
- Der dritte Mann1950 – Anton Karas: »Harry-Lime-Thema«. Instrumentals der frühen Rockgeschichte – von »The Third Man Theme« zum «Egyptian Reggae«.
- V8-Motor, modernes Design, schwarzes Cabriodach und ein Mädchen1951 – Jackie Brenston and his Delta Cats: »Rocket 88«. »Rocket 88« – eine der ersten Rock ’n’ Roll-Aufnahmen. Der Song handelt von Mädchen, Alkohol und Autos.
- Ein poetischer Tango mit Rafaela1952 – Rudi Schuricke: »Florentinische Nächte«. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Der Song ist eine angenehme Erinnerung an meine Kindheit.
- Bitte sei mein und bleib in meinem Herzen1953 – Al Martino: »Here in my Heart«. Das Pferdehalfter war der Boxen-Schlager des Monats Dezember 1953 (Kilima Hawaiians).
- Elvis the Pelvis1954 – Elvis Presley: »That’s All Right (Mama)«. Die Zeit rast, aber auf dem Hängeboden harrt sie aus – der SIEMENS Plattenwechsler PW3.
- Der Siegeszug des Rock ’n‘ Roll nahm seinen Anfang1955 – Bill Haley & His Comets: »Rock Around The Clock«. Wie Bill Haley auf der Hochzeitsfeier meiner Cousine in Ost-Westfalen der Star war.
- Die Moritat von Mackie Messer oder: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?1956 – Louis Armstrong: »Mack the Knife«. Die Bettler betteln, die Diebe stehlen, die Huren huren. Ein Moritatensänger singt eine Moritat.
- Oh, bitte bleib bei mir, Diana!
1957 – Paul Anka: »Diana«. Ich bin so jung und du bist so alt, dies wurde mir gesagt. Diana auf Schallbildkarte, diese waren in den 1950er Jahren beliebt.
- Ein zeitloser Klassiker aus dem Jahr 19581958 (1) – The Kalin Twins: »When«. Eine Erinnerung an die Zeit vor den Beatles. Die Everly Brothers mit dem Popsong »All I Have to Do Is Dream«.
- Aufruhr in Brooklyn als Vorläufer des Punk und Metal1958 (2) – Link Wray & His Ray Men: »Rumble«. ›Great Balls Of Fire‹ – Eine der denkwürdigsten Textzeilen der Rockmusik. Johnnie Ray: »Yes Tonight, Josephine«.
- Das HiFi-Mädel aus Tallahassee1959 (1) – Freddy Cannon: »Tallahassee Lassie«. Rocken was das Zeug hält. Das Instrumental »Red River Rock« Johnny & The Hurricanes: Die Red-River-Rebellion.
- Why must I be a Teenager in Love?1959 (2) – Dion and the Belmonts: »A Teenager in Love«. The Platters: »Smoke Gets In Your Eyes«. Wie Neil Sedaka seinen Hit »Oh! Carol« fabrizierte.
- Una mujer fantástica oder Natural Woman1960 (1) – The Shirelles: »Will You Love Me Tomorrow?«. Wenn die Trommeln der Apachen rufen … The Shadows: »Apache«.
- Nur Liebende bleiben am Leben – Funnel Of Love1960 (2) – Wanda Jackson: »Funnel Of Love«. Jim Jarmusch: »Only Lovers Left Alive«. Fritz Rau hatte den Blues … und brachte die Rockmusik nach Deutschland.
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