»Moonrise Kingdom« von Wes Anderson mit Bill Murray, Tilda Swinton, Bruce Willis, Frances McDormand, Edward Norton und Harvey Keitel
Es geht um große Liebe, um eine neue, junge Liebe, um eine Liebe, die immer wieder durchgeschüttelt und bedroht wird, um das Feuer der Liebe, das niemand löschen kann, aber auch um die uralte Geschichte, dass jeder Mensch geliebt werden will – sogar ein Polizist [Bruce Willis auf der Pressekonferenz in Cannes anlässlich des Eröffnungsfilms »Moonrise Kingdom« von Wes Anderson]
Nach The Royal Tenenbaums (2001) und The Life Aquatic with Steve Zissou (Die Tiefseetaucher, 2004), ist der diesjährige Eröffnungsfilm von Cannes Moonrise Kingdom mein dritter Film, den ich von Wes Anderson gesehen habe: Und wieder wurde ich nicht enttäuscht. Keiner inszeniert so künstlich-schöne Filme, mit schrägem Humor, 1960er-Jahre-Feeling, skurrilen Details, Indian-Summer-Farben und künstlerischer Überhöhung wie er – ein echter Wes Anderson eben. Es scheint sein persönlichstes Werk zu sein, zumindest ist es seine Erinnerung an eine Kindheitsphantasie oder er wünschte, dass er das so erlebt hätte.
Es geht um die große Liebe zweier zwölfjähriger Außenseiter auf der Schwelle zum Teenager-Alter im Jahr 1965 auf dem fiktiven New Penzance Island vor der Küste Neuenglands. Suzy, die verträumte Außenseiterin und Sam, der Pfadfinder, verlieben sich auf der Schulaufführung der Kinderoper Noahs Sintflut von Benjamin Britten und beschließen, gemeinsam in die Wildnis zu fliehen. Die Ausreißer wollen zur Bucht Moonrise Kindom am anderen Ende der Insel. Hier schlafen sie, eng aneinander gekuschelt, in Sams Zelt ein.
Bald ist ihnen die halbe Inselbevölkerung auf den Fersen, die mit dieser Aufgabe komplett überfordert ist: Suzys neurotische Eltern (Bill Murray, Frances McDormand) mit dem ehrbaren Beruf der Rechtsanwälte, Sams streng gedrillte Pfadfinder-Truppe mit Pfadfinderanführer Ward (Edward Norton), der alte Pfadfinder Commander Pierce (Harvey Keitel), Sams Pflegeeltern, die nicht unglücklich über sein Verschwinden sind, ein melancholischer Polizist (Bruce Willis), das mit Elektroschocks drohende Jugendamt (Tilda Swinton) und eine aufkommende Sturmflut, an deren Ende es die Bucht nicht mehr geben wird.
Moonrise Kingdom ist kein Kinderfilm, aber ein Film auch für Kinder. Zwar versteht keiner sich selbst oder den anderen, aber alle reden überzeugend aneinander vorbei. Wes Anderson fehlen oftmals die Worte für die skurrilen Ereignisse, aber die passenden Bilder für das Geschehen hat er allemal.
Angelhaken, die zu Ohrringen mutieren, ein tragbarer Plattenspieler mit Ersatzbatterien, ein Baumhaus auf einem absurd hohen Baum, eine Schere für Linkshänder, ein Koffer mit Lieblings-Büchern, ein Megafon, mit dem die Mutter ihre Familie zum Essen ruft, die kurze Hose und die weißen Socken des Inselpolizisten, der lila Lidschatten der Zwölfjährigen und ein exakt kreisrundes Loch in der Zeltwand, das der Zwölfjähriger hineingeschnitten hat, um abzuhauen, sowie der fokussierende Blick durch das Fernglas spielen liebenswerte Nebenrollen. Viel mehr verraten möchte ich hier nicht, nur so viel: alles wird gut; einfach ein zauberhafter Film. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Trailer Moonrise Kingdom