Du bist Landschaft, Wasser, Wetter und dein Spiegelbild

Von Friedhelm Denkeler,

»Roni Horn – Photographien« in der Kunsthalle in Hamburg

"Blick in die Ausstellung mit Roni Horns 'You Are The Weather', 1994-1996", Foto © Friedhelm Denkeler 2011
Blick in die Ausstellung mit Roni Horns »You Are The Weather«, 1994-1996, Foto © Friedhelm Denkeler 2011

Zuerst sehen wir Doppelportraits aus Island, d.h. Aufnahmen von heißen Quellen und blubbernden Erdlöchern in Gegenüberstellung. Roni Horn zeigt mehrmals zwei oder mehrere motivgleiche Bilder, um die Prägung und Veränderung der Motive im Laufe der Zeit darzustellen. Mit diesen Aufnahmen kündigt sie bereits ihr nächstes wichtiges Thema an: Das Wasser.

In der Arbeit Some Thames (2000), zeigt sie 80 verschiedene Gesichter der Themse in London mit ihren jeweiligen Stimmungen auf der Oberfläche des Flusses, von aufwühlend bis spiegelglatt, von innerlich bewegt bis leuchtend im Morgenlicht. Anhand der Reflexionen erkennt man, ob der Himmel blau oder grau ist, ob die Themse an einer Stelle schnell und an jener langsam fließt.

In der Serie You are the Weather aus dem Jahr 1995 (siehe mein Photo) nimmt die Amerikanerin mehrfach das Gesicht einer jungen Frau beim Bad in den heißen Quellen Islands auf, nur ihr Gesicht ragt aus der Wasseroberfläche heraus. Vor dem Hintergrund des blauen Wassers sehen wir an die 100 Nahaufnahmen mit minimal veränderten Gesichtsausdrücken, die wiederum ähnlich der Themse verschiedene Stimmungen widerspiegeln.

Die New Yorker Künstlerin Roni Horn (*1955) ist mit ihren Serien von Photographien, Zeichnungen, Objekten und Skulpturen international bekannt geworden. Sie lebt abwechselnd in New York und auf Island. Nach ihrer großen Einzelausstellung 2009 in der Tate Modern in London und im Whitney Museum in New York sind nun ihre Photographien, insgesamt elf Serien mit über 300 Arbeiten, erstmals in einer Einzelausstellung in Deutschland bis zum 15. August 2011 zu sehen.

DIE WELT fragt: »Ist Roni Horn, die eigentlich auf den Namen Rose getauft wurde und 1955 als Tochter jüdischer Eltern im New Yorker Schwarzenviertel Harlem geboren wurde, wirklich die große Poetin des Wassers und des Wetters, als die sie lange Zeit charakterisiert wurde? Oder ist sie nicht am allermeisten mit sich selbst beschäftigt und nutzt die gewaltige Landschaft Islands vor allem als Spiegel ihrer von Widersprüchen und Gegensätzen faszinierten Psyche? Diese Frage stellt sich zwangsläufig wer länger durch die Ausstellung geht, und kommt wahrscheinlich zu dem Ergebnis, dass auf Roni Horn beides zutrifft.« www.hamburger-kunsthalle.de

Schöne Unklarheiten und Irritationen in Malerei und Photographie

Von Friedhelm Denkeler,

»Unscharf. Nach Gerhard Richter« in der Hamburger Kunsthalle

Ja, kann man ein unscharfes Bild immer mit Vorteil durch ein scharfes ersetzen? Ist das unscharfe Bild nicht oft gerade das, was wir brauchen?
Ludwig Wittgenstein

"Hamburger Kunsthalle mit 'Kleiner Zyklop' von Bernhard Luginbühl, 1929", Foto © Friedhelm Denkeler 2011
Hamburger Kunsthalle mit »Kleiner Zyklop« von Bernhard Luginbühl, 1929″, Foto © Friedhelm Denkeler 2011

Die Besucher und die Räumlichkeiten — alles war im Hubertus-Wald-Forum der Hamburger Kunsthalle scharf zu sehen, nur die Kunstwerke waren unscharf. Hilfe, ich sehe unscharf! konnte ich nur noch ausrufen, in Anspielung auf den Schriftsteller Harry Block, der in Woody Allens Komödie Harry außer sich aus dem Jahr 1997, plötzlich in Unschärfe versinkt. Ohne die Filmstreifen und Fotografien mit ihren Weichzeichnungen und dem Out of Focus hätte die Unschärfe in der Malerei nicht die Bedeutung und Verbreitung gefunden, die sie scheinbar heute hat.

In der Gruppenschau Unscharf. Nach Gerhard Richter mit 110 Werken von 24 jüngeren Künstlern ist zu sehen, welche Auswirkungen das Vorbild Richter (siehe meine Ausstellungsbesprechung hier) bei einigen Künstlern bis heute in den Medien Malerei, Photographie, Installation und Video ausgelöst hat. Die meisten Künstler waren mir bisher nicht bekannt, außer Anna und Bernhard Blume, David Armstrong (siehe hier das Titelbild der Ausstellung), Ernst Volland (siehe hier) und natürlich Gerhard Richter, der auch hier mit 20 Werken vertreten ist.

"Selbst im 'Out of Focus. Part One. New York City' von Nicole Hollmann", Foto © Friedhelm Denkeler 2011
Selbst im »Out of Focus. Part One. New York City« von Nicole Hollmann“, Foto © Friedhelm Denkeler 2011

Zu sehen ist eine vielfältige Bilderwelt der Unschärfe, die faszinierend und verführerisch ist. Das ist aber auch das Problem — vielen Werken scheint es nur um die bildnerischen Effekte zu gehen. DER SPIEGEL urteilt in der ihm eigenen kryptischen Art: »Unschärfe als Methode und Unschärfe als Wirkung. Unschärfe ist das ästhetische Äquivalent zu Langstreckenflügen, Hybridantrieb und geschäumter Milch. Unschärfe wirkt besonders passend in einer Zeit, die von Gleichzeitigkeit geschüttelt, von der Allanwesenheit getrieben, von Netzwerken durchwachsen ist.«. Die Ausstellung ist noch bis zum 22. Mai 2011 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen

Unscharf. Nach Gerhard Richter

Von Friedhelm Denkeler,

… in der Hamburger Kunsthalle in Hamburg

"Die kleine Riesin nach Gerhard Richter", Foto © Friedhelm Denkeler 2011
»Die kleine Riesin nach Gerhard Richter«, Foto © Friedhelm Denkeler 2011

Mit Unscharf. Nach Gerhard Richter widmet die Hamburger Kunsthalle dem in der zeitgenössischen Kunst weit verbreiteten Phänomen der Unschärfe erstmals eine umfassende Museumsausstellung.

Wie kein anderer Künstler hat der in Dresden geborene Maler Gerhard Richter (*1932) die Motive seiner Malerei durch Effekte des Verwischens und Verschleierns von Beginn an als unscharf erscheinen lassen. Er setzt das Prinzip der Unschärfe konsequent ein: in seinen figürlichen Gemälden, deren Motive er häufig den populären Printmedien entnimmt, in seinen auf photographischen Vorlagen beruhenden Figuren, Landschaften und Stillleben und nicht zuletzt auch in seiner abstrakten Malerei.

Richter verabsolutiert damit ein Prinzip, das seit dem 15. Jahrhundert Eingang in die Malerei gefunden hat, wie zum Beispiel bei Leonardo da Vinci. Dabei wirft er immer wieder die Frage auf, was ein Bild überhaupt wiedergeben kann, ob es einen Inhalt transportiert oder doch nur seine eigene verführerisch schöne Oberfläche darstellt.

Anhand von Gemälden, Photographien sowie einem frühen, unscharfen Film von Gerhard Richter vertritt die Ausstellung die These, dass sich die Ästhetik der Unschärfe wie ein roter Faden als zentrales Motiv durch sein gesamtes Schaffen zieht.

In dieser Weise ist Gerhard Richter zum Vorreiter für eine ganze Generation geworden. Die Ausstellung zeigt die Auseinandersetzung bedeutender, junger Künstlern mit der Unschärfe anhand von über achtzig exemplarischen Werken. Veranschaulicht wird, auf welch unterschiedliche Art sie sich in den Medien der Malerei, Photographie, Installation und Video mit der Unschärfe beschäftigen, und welche vielfältigen Aspekte und Fragen sich aus dem Thema ergeben.

Häufig sind die Werke Ergebnisse eines komplexen Entstehungsprozesses, der die Grenzen zwischen Malerei und Photographie selbst verschwimmen lässt. Der Bezug der Bilder zu den Motiven, die sie abbilden und ihr Verhältnis zum Betrachter scheint unsicher geworden zu sein. Für die Künstlerinnen und Künstler nach Richter ist diese Verunsicherung zugleich eine Befreiung. Aus ihren individuellen Herangehensweisen entsteht eine sehr vielfältige und faszinierende Bilderwelt der Unschärfe, die zugleich irritierend und verführerisch wirkt.

Insgesamt werden rund 110 Werke gezeigt: Photographien, Gemälde, Installationen und Filme von 24 national und international bedeutenden Künstlern, zusammen mit etwa 20 ausgewählten Gemälden sowie Photographien und einem Film von Gerhard Richter: Volker Bradke von 1966.

Die an der Ausstellung beteiligten Künstler sind: Pablo Alonso, David Armstrong, Anna und Bernhard Blume, Michael Engler, Wolfgang Ellenrieder, Isca Greenfield-Sanders, Maxine Henryson, Nicole Hollmann, Bill Jacobson, Adam Jankowski, Tamara K.E., Wolfgang Kessler, Karin Kneffel, Peter Loewy, Marc Lüders, Ralf Peters, Qiu Shihua, Gerhard Richter, Ugo Rondinone, Johanna Smiatek, Thomas Steffl, Ernst Volland, Franziskus Wendels, Michael Wesely und Paul Winstanley. [Quelle: Presseerklärung].