Das blutrote Alizarin-Karmesin

Von Friedhelm Denkeler,

Komplexität und Struktur des Gegenstandslosen bei Dieter Franke. Die fünf Künstler der momenta im Roxypalast Berlin-Friedenau

Dieter Franke mit »[vitrum] 014«, 2016, Ausstellung »momenta« im Roxy-Palast Berlin-Friedenau, Foto © Friedhelm Denkeler 2018
Dieter Franke mit »[vitrum] 014«, 2016, Ausstellung »momenta« im Roxy-Palast Berlin-Friedenau, Foto © Friedhelm Denkeler 2018

In loser Reihenfolge stelle ich die fünf Künstler der Ausstellung »Die Künstlergruppe »momenta« zu Gast im Roxy-Palast – Malerei | Fotografie – Fünf Künstler – ein Ort – vier Wochen« vor.

Gegenstand der Malerei von Dieter Franke ist das Gegenstandslose auf Leinwand und Acrylglas. Es gibt keinen verborgenen Code und keine vorweggenommene Inhaltsdeutung. Der Betrachter kann voll in den leuchtstarken, intensiven Pigmenten, wie dem blutroten Alizarin-Karmesin, schwelgen und seiner Phantasie freien Lauf lassen. Dieter Franke bewegt sich zwischen Konzeption und Zufall, zwischen überlegter Aktion und gefühlsmäßiger Reaktion. Besonders interessant ist seine Spachteltechnik auf Acrylglas, genauer hinter Glas. Seine Bilder muss er seitenverkehrt malen. Die Malschichten werden in der Reihenfolge wie wir sie sehen, umgekehrt aufgebracht. Die Deckschicht erfolgt zum Schluss. Für Dieter Franke gehört Einbeziehung der Umgebung durch die spiegelnde Glasoberfläche mit zu seinem Konzept, das Bild überschreitet dadurch seine durch das Format gesetzten Grenzen.

DIETER FRANKE Geboren 1958 in Baden-Baden. Studium an der Freie Kunstschule Stuttgart: Studium Freie Graphik, Fotografie. Neben der künstlerischen Tätigkeit verschiedene freie Arbeiten für Museen,Veranstaltungen, Messen und Modenschauen. Lebensräume: Baden-Baden, Stuttgart, Hamburg, Berlin, Karlsruhe. Lebt und arbeitet in Karlsruhe. www.dieterfranke.net.

Frankes Werke sind zur Zeit in Friedenau in der Ausstellung »momenta« im ehemaligen Roxy-Palast in der Hauptstraße 78/79, 12159 Berlin, Donnerstag/Freitag 15–20 Uhr und Samstag/Sonntag 12–17 Uhr, noch bis zum 12. Mai 2018 zu sehen. www.momenta-berlin.de.

Die »momenta« ist eröffnet

Von Friedhelm Denkeler,

Einführung in die Ausstellung momenta im Roxy-Palast Berlin unter dem Motto »Fünf Künstler – ein Ort – vier Wochen« anlässlich der Eröffnung am 11. April 2018

Ausstellung »momenta« im Roxy-Palast Berlin-Friedenau 2018 mit den fünf Künstlern Friedhelm Denkeler, Aleksander Gudalo, Thomas Boenisch, Dieter Franke und Horst Hinder, Foto © Friedhelm Denkeler 2018
Ausstellung »momenta« im Roxy-Palast Berlin-Friedenau 2018 mit den fünf Künstlern Friedhelm Denkeler, Aleksander Gudalo, Thomas Boenisch, Dieter Franke und Horst Hinder, Foto © Friedhelm Denkeler 2018

Eröffnungsrede von Friedhelm Denkeler

Die Gruppe »momenta« versteht sich als loser Zusammenschluss von Künstlern aus Berlin und außerhalb, die gemeinsam temporäre Ausstellungen an außergewöhnlichen Orten veranstalten. Der Name der Gruppe weist auf die temporäre Nutzung von freien Räumlichkeiten in der Stadt hin. Auch in der Vergangenheit stellten die Künstler in wechselnder Zusammensetzung gemeinsam aus: so zum Beispiel 2013 im Bayer-Haus am Kurfürstendamm. Die Künstler nehmen die Herausforderung an, einen Raum ohne galerietypische Bedingungen zu bespielen. Die »momenta« ist eine Produzentengalerie, d.h. die Künstler schaffen nicht nur die ausgestellte Kunst, sondern realisieren gleichzeitig die gesamte Ausstellung. Durch die Zwischennutzung kann der Eigentümer einen Qualitäts- und Imageverlust der Immobilie vermeiden. Beide Parteien profitieren also von diesem Projekt.

Der Roxy-Palast wurde 1929 als Lichtspieltheater und Geschäftshaus fertiggestellt. Der von Martin Punitzer im Stil der Neuen Sachlichkeit entworfene Bau wurde in Stahlskelettbauweise errichtet und im Zweiten Weltkrieg teilzerstört, 1951 wieder aufgebaut und steht seit 1988 unter Denkmalschutz, das bezieht sich insbesondere auf die Fassade, die durch die drei langgestreckten, durchgängigen Fensterbänder geprägt ist. Sie sollen symbolisch für Filmbänder stehen. Die fünf Streifen in unserem Schriftzug »momenta« weisen dagegen auf die fünf beteiligten Künstler hin. Ich möchte sie nun in der umgekehrten Reihenfolge wie sie in der Einladung und im Katalog stehen, vorstellen (sonst müßte ich mit meiner Person zuerst anfangen).

Zu Horst Hinders Fotografischen Collagen fällt mir als Erstes der Song von Peter Fox ein „Guten Morgen Berlin, du kannst so schön schrecklich sein“. Hinder nimmt die Stadt fotografisch auseinander und setzt sie Quadrat für Quadrat wieder zu neuen quadratischen Collagen zusammen. Bei der Interpretation der Bilder hilft uns der Bildtitel, zum Beispiel „7 x 7“, auch nicht viel weiter, außer dass man sich ausrechnen kann, aus wie vielen Quadraten ein einzelnes Bild besteht. Die Quadrate sind aber nicht nach dem Zufallsprinzip ausgeordnet, sondern fügen sind nach Strukturen, Themen und Farben zusammen. Ein Gesetz lässt sich daraus nicht erkennen, obwohl jeder zugeben muss, dass das Ergebnis exzellent ist. Der Philosoph Reinhard Knodt spricht hier von „ästhetischen Korrespondenzen“; das Spiel zwischen Notwendigkeit und Möglichkeit sind im Auge des Betrachters vielfältig interpretierbar. Eine Schwebe, die uns in den Bann zieht; sehen Sie selbst.

Gegenstand der Malerei von Dieter Franke ist das Gegenstandslose auf Leinwand und Acrylglas. Es gibt keinen verborgenen Code und keine vorweggenommene Inhaltsdeutung. Der Betrachter kann voll in den leuchtstarken, intensiven Pigmenten, wie dem blutroten Alizarin-Karmesin, schwelgen und seiner Phantasie freien Lauf lassen. Dieter Franke bewegt sich zwischen Konzeption und Zufall, zwischen überlegter Aktion und gefühlsmäßiger Reaktion. Besonders interessant ist seine Spachteltechnik auf Acrylglas, genauer hinter Glas. Seine Bilder muss er seitenverkehrt malen. Die Malschichten werden in der Reihenfolge wie wir sie sehen, umgekehrt aufgebracht. Die Deckschicht erfolgt zum Schluss. Für Dieter Franke gehört Einbeziehung der Umgebung durch die spiegelnde Glasoberfläche mit zu seinem Konzept, das Bild überschreitet dadurch seine durch das Format gesetzten Grenzen.

Thomas Boenischs Stadtlandschaften bezeichnet er selbst als eigenwillig. Sie sind als malerisches Reisetagebuch zu den südeuropäischen Städten wie Venedig, Neapel, Lissabon oder Pamplona zu sehen. Seine Städte sieht er wie einen Stadtplan von oben; Ausgangspunkt der Gemälde sind stets maßstabsgetreue Kartographien. Wie beim Reisen üblich entdeckt er dabei Neues. Dass Venedig, wenn man auf eine Landkarte schaut, die Form eines Fisches hat, haben sicherlich schon einige entdeckt, aber auch in den anderen Städten hat Boenisch Formen, wie zum Beispiel Schmetterlinge, entdeckt und macht sie uns in seinen farbenprächtigen Bildern sichtbar.

Zu Aleksander Gudalos Werken fällt mir als erstes der Film Melancholia von Lars von Trier ein. Parallelen sehe ich auch zum Theaterstück über den Film Kinder des Olymps (aktuell im Berliner Ensemble). Wie in Gudalos Werken stehen die Menschen in beiden Stücken leblos im Halbdunkel herum und harren der Dinge die kommen. Bei Gudalo starren sie in einer virtuellen Welt auf Bildschirme; er spricht vom Immersiven Realismus. Das meint, anstelle der Wahrnehmung der eigenen Person in der realen Welt, das Eintauchen in eine virtuelle Welt (Immersion kommt aus der Computerspiele-Welt). So gesehen zeigen Gudalos Bilder zeitbezogen die immer währenden Fragen nach der Absurdität des menschlichen Lebens.

Und nun zu guter Letzt, ein paar Worte zu meiner eigenen Arbeit »Sommer in einer Hand». 1985 fuhr ich mit dem Fahrrad die Spuren meiner Kinderzeit und Jugendjahre auf dem Lande in Ost-Westfalen ab. Auch wenn ich seit Jahren in der Stadt lebe, spielte in dieser Serie die Natur, so wie ich sie auch heute noch in Erinnerung hat, die Hauptrolle. Meine eigene Hand in den Bildern deutet den persönlichen Bezug an, aber auch ein fremder Betrachter kann sich in den Bildern sicherlich wieder finden. Es geht nicht nur um das visuelle Erlebnis auf dem Lande und die Ursprünglichkeit, sondern auch um eine haptische Wahrnehmung der Natur. Die große Rolle der Hand, etwa durch Überstreichen der Oberfläche und Nachfahren der Konturen, bedeutet die sinnliche Erfahrung als Ergänzung zu der visuellen Wahrnehmung. Die Bilder habe ich erst 30 Jahre später entwickelt und ausgewertet. Sie sind in der »momenta« erstmalig öffentlich ausgestellt.

Zum Schluss ein Dankeschön an alle meine vier Kollegen und an weitere Unterstützer: an Horst Hinder für die Gestaltung von Einladungskarte und Plakat, an Dieter Franke für das Layout des Katalogs, an Gregor Elsner für die Ausstellungsgestaltung, an Thomas Boenisch für das Drucktechnische und an Aleksander Gudalo für die Betreuung der Website momenta-berlin.de. Ein Dank geht auch an die Unterstützer Fa. System 180 für die Zurverfügungstellung der Möbel, an Herrn Peters von der Fa. Barings und an Sabine Ohrtmann für die Betreuung während der vierwöchigen Vorbereitungszeit.

Wie geht es weiter? Vielleicht gibt es ja eine Momenta II? Vorschläge für ausgefallene Orte nehmen wir gern entgegen. Zum Schluss noch ein Zitat vom kürzlich verstorbenen Berliner Schriftsteller Michael Rutschky. Er sagte anlässlich der Herausgabe eines Fotobuches »Man sollte sich nicht allein auf Worte verlassen«. In diesem Sinne: Viel Freude beim Betrachten der Bilder und bilden Sie sich ein eigenes Urteil. Die Ausstellung ist eröffnet.

Rede von Friedhelm Denkeler, frei gehalten, während der Vernissage der »momenta« am 11.04.2018 im ehemaligen Roxy-Palast.

Einladung zur heutigen Vernissage der »momenta« im Roxypalast in Berlin-Friedenau um 18 Uhr

Von Friedhelm Denkeler,

"Einladung zur Vernissage der »momenta" im Roxy-Palast", Grafik © Horst Hinder 2018
»Einladung zur Vernissage der »momenta« im Roxy-Palast, Grafik © Horst Hinder 2018

Nach vierwöchiger Vorbereitungszeit ist es heute endlich soweit: Pünktlich um 18 Uhr eröffnet die »momenta« mit den fünf Künstlern Friedhelm Denkeler, Aleksander Gudalo, Thomas Boenisch, Dieter Franke und Horst Hinder eine ihrer vielen Türen (siehe auch »momenta« Fünf Künstler – ein Ort – vier Wochen). Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

»momenta« Fünf Künstler – ein Ort – vier Wochen

Von Friedhelm Denkeler,

Die Künstlergruppe »momenta« mit Malerei und Fotografie zu Gast im ehemaligen Roxy-Palast in Berlin-Friedenau

Die Gruppe »momenta« versteht sich als loser Zusammenschluss von Künstlern aus Berlin und außerhalb, die gemeinsam temporäre Ausstellungen an außergewöhnlichen Orten veranstalten. Der Autorenfotograf Friedhelm Denkeler mit der Serie Sommer in einer Hand, Aleksander Gudalo mit Immersivem Realismus, Thomas Boenisch mit seinen gemalten, eigenwilligen Stadtlandschaften, der abstrakte Maler Dieter Franke und der Grafiker und Fotograf Horst Hinder mit seinen Fotografischen Collagen sind in der Ausstellung vom 12. April bis 12. Mai 2018 (Vernissage: 11. April 2018, 18 Uhr) im ehemaligen Roxy-Palast in Berlin-Friedenau vertreten. Die einzelnen Künstler werde ich in den nächsten Tagen noch ausführlicher vorstellen.

Zu sehen sind unterschiedliche Arbeiten von Malerei bis Fotografie, von Klein- bis Großformat, von abstrakt bis gegenständlich. Sie werden von den Künstlern auf einer Ausstellungsfläche von 400 Quadratmetern in der Hauptstraße 78/79, 12159 Berlin, angeboten. Die Ausstellung ist Donnerstag/Freitag 15–20 Uhr und Samstag/Sonntag 12–17 Uhr geöffnet. www.momenta-berlin.de

Der Name der Gruppe »momenta« weist auf die temporäre Nutzung von freien Räumlichkeiten in der Stadt hin. Die Künstler nehmen die Herausforderung an, einen Raum ohne galerietypische Bedingungen zu bespielen. Die »momenta« ist eine Produzentengalerie, d.h. die Künstler schaffen nicht nur die ausgestellte Kunst, sondern realisieren gleichzeitig die gesamte Ausstellung. Durch die Zwischennutzung kann der Eigentümer einen Qualitäts- und Imageverlust der Immobilie vermeiden. Beide Parteien profitieren also von diesem Projekt.

"Ausstellungsbanner »momenta« am ehemaligen Roxy-Palast in Berlin-Friedenau", Foto © Friedhelm Denkeler 2018, Grafik © Horst Hinder
»Ausstellungsbanner ›momenta‹ am ehemaligen Roxy-Palast in Berlin-Friedenau«, Foto © Friedhelm Denkeler 2018, Grafik © Horst Hinder 2018

Der Roxy-Palast wurde 1929 in der Hauptstraße 78/79 im Berliner Ortsteil Friedenau des heutigen Bezirkes Tempelhof-Schöneberg als Lichtspieltheater und Kaufhaus fertiggestellt. Der von Martin Punitzer im Stil der Neuen Sachlichkeit entworfene Bau wurde in Stahlskelettbauweise errichtet und im Zweiten Weltkrieg teilzerstört, 1951 wieder aufgebaut und steht seit 1988 unter Denkmalschutz. Das heute als Geschäftshaus genutzte Gebäude befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Rathaus Friedenau.