Von »Come on, Marianne« zu »So Long, Marianne«

Von Friedhelm Denkeler,

1967– Leonard Cohen: »So Long, Marianne«. Die schönste Liebesgeschichte der 1960er Jahre – im guten und im schlechten Sinne

»Taverna in Santa Anna«, Naxos, Griechenland, 1975 (Regina, Bärbel, Achim Gaby, Selbst), Foto © Friedhelm Denkeler 1975
»Taverna in Santa Anna«, Naxos, Griechenland, 1975, Foto © Friedhelm Denkeler 1975

Während einer großen Rundreise im Jahr 1975 durch die griechische Inselwelt war mein letzter, längerer Aufenthalt auf der Insel Hydra. Hier spielte sich zehn Jahre vorher (1960 bis 1967) die schönste Liebesgeschichte der 1960er Jahren zwischen dem Kanadier Leonard Cohen (1934, † 2016) und der Norwegerin Marianne Ihlen (1935, † 2016). Sie schloss mit dem Song »So Long, Marianne« von Leonard Cohen scheinbar ab, aber mündete bis zum Lebensende in eine Freundschaft. Aber hier soll es weniger um Leonard, sondern um Marianne gehen.

Mitte der 1950er Jahre lernte Marianne Ihlen den Schriftsteller Axel Jensen kennen und zog mit ihm, gegen den Willen der Eltern, durch Europa und landeten zum Schluss auf der Insel Hydra, heirateten, bekamen einen Sohn und führten ein Leben in einfachen Verhältnissen, im Stil der Bohemiens. Hydra war ein Aussteigerparadies für Menschen, die Sonne, Sex und Drogen nicht abgeneigt waren und romantische Vorstellungen von einem Künstlerleben hatten.

Im Mai 1960, ihr Mann hatte Marianne gerade verlassen, stand sie in einem kleinen Lebensmittelladen als plötzlich ein Mann in der Tür steht. Er hatte die Sonne im Rücken und sie sieht nur seine Umrisse, kann das Gesicht nicht erkennen. Er fragte »Would you like to join us? We’re sitting outside«. Es war der Beginn einer Liebesgeschichte. Der damals unbekannte Leonard Cohen war ebenfalls auf Europareise und beschloss auf Hydra sein zweites Buch zu schreiben und kümmerte sich um Marianne.

Sie wollte aber nach Norwegen zurück, also fuhr Cohen sie den ganzen Weg von Athen bis Oslo mit dem Auto. »Das war der Moment, als es bei mir Klick machte. Ich verstand, dass dies mehr war als Freundschaft« sagte sie fünfzig Jahre später in einem Radiointerview. Nach einem Jahr kam ein Telegramm aus Montreal »Have house. All I need is my woman and her son. Leonard«. Von ihrem Mann war sie inzwischen geschieden und sie entschloss sich den Ruf aus Kanada zu folgen.

Die nächsten fünf Jahre lebten sie wie eine Familie zusammen, die meiste Zeit auf Hydra. Cohen hatte sich von der Erbschaft seiner Großmutter ein kleines Haus gekauft. Aus dieser Zeit stammt auch das Foto, das Marianne, den Körper nur in ein Laken gehüllt, an der Schreibmaschine in einem weißen Zimmer zeigt. Sie lächelt scheu und zugleich verführerisch in die Kamera. Das Foto erscheint später auf der Rückseite von Cohens zweiten Album »Songs From A Room«.

In dem besagten Radiointerview erinnert sich Marianne, dass Leonard manchmal den später berühmten Song »Marianne« anstimmte, »am Anfang sang er noch: ›Come on, Marianne‹. Das war als eine Aufforderung zur Veränderung gemeint«, später wurde es zum Abschiedssong ›So Long, Marianne‹. Nach einer langen, sehr schmerzhaften Zeit zogen sie beide die Konsequenz und trennten sich – im Guten, wie Marianne heute sagte: »Diese Beziehung war ein Geschenk für mich. Und auch für Leonard, möchte ich hinzufügen, um mich nicht völlig zu unterschätzen. Ich glaube, sie war für uns beide eine Art Schlüssel für das weitere Leben – ob nun im guten oder im schlechten Sinne«.

Cohen hatte als Schriftsteller eine gewisse Bekanntheit erreicht, scheinbar versprach er sich von einer Karriere als Sänger aber mehr. 1967 trat er auf dem Newport Folk Festival zusammen mit Judy Collins auf, ein Columbia-Produzent wurde auf ihn aufmerksam und schloss mit ihm einen Plattenvertrag. Das Debütalbum »Songs of Leonard Cohen«, auf dem auch »So Long, Marianne« zu hören ist kam Ende 1967 auf dem Markt. Cohens tiefe Stimme hat hier bereits ihren prägenden Charakter.

Songtext – Leonard Cohen: »So Long, Marianne«

Come over to the window, my little darling
I'd like to try to read your palm
I used to think I was some kind of Gypsy boy
Before I let you take me home

Now so long, Marianne
It's time that we began to laugh
And cry and cry and laugh about it all again

Well, you know that I love to live with you
But you make me forget so very much
I forget to pray for the angels
And then the angels forget to pray for us

Your letters, they all say that you're beside me now
Now so long, Marianne
It's time that we began to laugh
And cry and cry and laugh about it all again

We met when we were almost young
Deep in the green lilac park
You held on to me like I was a crucifix
As we went kneeling through the dark

Oh, so long, Marianne
It's time that we began to laugh
And cry and cry and laugh about it all again

Then why do I feel alone?
I'm standing on a ledge and your fine spider web
Collage »Hydra«, 1967 © Friedhelm Denkeler 2019, Fotos: Internet
Collage »Hydra«, 1967 © Friedhelm Denkeler 2019, Fotos: Internet
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