Der 100jährige Streit um die Flora-Büste im Bode-Museum: Stammt sie von Leonardo da Vinci oder nicht?
Unabhängig davon, ob sie nun von Leonardo da Vinci oder viel später von einem anderen Künstler geschaffen wurde, die Flora-Büste ist eines meiner Lieblingsobjekte im Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel. Trotz oder gerade wegen ihrer Morbidität strahlt die Abgebildete eine innere und äußere Schönheit aus und das ist natürlich auch von photographischem Interesse.
»In lebensgroßer Halbfigur erscheint die kräftige junge Frau; das mit einem Blumenkranz geschmückte Haupt nach rechts gewendet und leicht gesenkt. Ein leises Lächeln bestimmt ihre klassisch schönen, klassizistisch überarbeiteten Züge. Ein blauer Mantel bedeckt die linke Schulter, fällt am Rücken zur rechten Hüfte herab und betont vorne den Abschluss der Figur« [Zitat Sammelblatt Bode-Museum].
Risse durchziehen die Büste, große Teile der Oberfläche sind abgeblättert oder zerschabt; die Unterarme sind abgebrochen. Das Gesicht hingegen ist einwandfrei, wurde aber nachträglich bearbeitet. Woher die Halbfigur kommt, wer sie geschaffen hat, darüber gehen die Meinungen seit dem Erwerb der Büste 1909 durch Wilhelm von Bode, dem Generaldirektor der Berliner Museen, für das Berliner Kaiser-Friedrich-Museum (heute: Bode-Museum), auseinander.
Kurz nachdem Bode die Büste zum für die damalige Zeit horrenden Preis von 175.000 Goldmark im Londoner Handel erworben hatte, meldete die Londoner Times das Werk sei nicht von Leonardo (16. Jahrhundert), sondern vom Wachsbildner Richard Cockle Lucas (19. Jahrhundert).
»Alle herstellungstechnischen Erkenntnisse sprechen dafür, dass die Flora-Büste bereits als ruinöses Fragment in die Werkstatt von Richard Cockle Lucas kam und offenbar dort restauriert werden sollte. Lucas Senior hat die Büste mit verschiedenen Materialien von innen befestigt und die Oberfläche an einzelnen Stellen überarbeitet. An diesen Arbeiten dürfte sein damals 18-jähriger Sohn beteiligt gewesen sein. Der weitere Weg der Büste ist nicht rekonstruierbar. Erst im frühen 20. Jahrhundert tauchte sie wieder auf« [Zitat Sammelblatt Bode-Museum].
Der Streit um die Florabüste ist bis heute nicht entschieden und dessen ungeachtet empfängt die junge Frau weiterhin die Besucher mit einem süffisanten, angedeuteten Mona-Lisa-Lächeln.