Die Schöne Helene für 72 Stunden in der Berliner Luft oder »Eros, C´est la vie«
Alles ist inzwischen in der Hauptstadt möglich: zum Beispiel direkt nach der After-Show-Party um drei Uhr morgens, ins Museum zu gehen. Die Neue Nationalgalerie hat die obere Halle komplett leer geräumt und zeigt seit dem 27. Januar 2011, 24.00 Uhr, durchgehend für 72 Stunden das Assisted Readymade Belle Haleine – Eau de Voilette von Marcel Duchamp.
Es handelt sich um den Parfumflakon Un Air Embaumé (Duftende Luft) der Firma Rigaud, den Marcel Duchamp 1921 ›modifizierte‹, indem er das ursprüngliche Etikett durch den neuen Schriftzug »Belle Haleine – Eau de Voilette« ersetzte. Auf der Rückseite der Verpackung signierte er das Werk in Anspielung auf Eros, c’est la vie mit seinem Pseudonym Rrose Sélavy.
Belle Haleine oder Schöner Atem verweist auf die Schöne Helene aus der gleichnamigen Operette von Jacques Offenbach und somit auf die schönste Frau der Welt an sich. Auf dem neu entworfenen Flakon-Etikett hat Duchamp zusätzlich ein von Man Ray gemachtes Foto angebracht, das ihn selbst in Frauenkleidern zeigt.
Ob das Parfum noch duftet, konnte ich während meines Besuches leider nicht feststellen. Der Flakon steht unter einem riesengroßen, gläsernen Panzer, der dieselben Maße wie Nofretetes Schutzhaube im Neuen Museum aufweist. Damit wird die Belle Haleine als Ikone der Neuzeit auf eine Stufe mit der schönen Nofretete als Ikone der Antike gestellt.
Marcel Duchamp entwickelte in den 1910er Jahren sein Konzept der Readymades. Kraft seines Amtes erklärte er Serienprodukte, die industriell hergestellt wurden, zu Kunstwerken. Berühmteste Beispiele sind das umgedrehte Urinal und die Fahrradfelge auf einem Hocker. Das Interesse an den nicht-materiellen Anteilen von Kunst, an einem Konzept und das Nachdenken über Originalität und Autorenschaft haben bis heute großen Einfluss auf die nachfolgenden Künstler.
Das Readymade Belle Haleine befand sich zuletzt im Nachlass von Yves Saint Laurent und ist der einzige im Original erhaltene Flakon. Im Februar 2010 wurde er bei Christie’s in Paris für 7,9 Millionen Euro (sic!) versteigert. Der Käufer ist nicht bekannt. Auch Udo Kittelmann, der Direktor der Nationalgalerie, verriet den Sammler nicht.
Während die Nofretete im Neuen Museum nicht mehr fotografiert werden darf, dürfen sich die Besucher in der Neuen Nationalgalerie bei freiem Eintritt noch bis heute Abend, 24.00 Uhr, von der Schönen Helene ›ein Bild machen‹.