Zur Ausstellung »Invasion – Exiles – Wall« von Josef Koudelka bei C/O Berlin
Nachdem ich die Tschechoslowakei verlassen hatte, entdeckte ich die Welt um mich herum. Nichts drängte mich mehr, als zu reisen, um Fotos machen zu können. [Josef Koudelka]
Prag, Wenzelsplatz, 22. August 1968: Ein Arm stößt ins Bild. Die Uhr am Handgelenk zeigt die Zeit an. In den Tagen zuvor waren Panzer des Warschauer Pakts in die Stadt gerollt, mit dem schrillen Geräusch ihrer auf dem Kopfsteinpflaster quietschenden Ketten.
Dieses Foto von Josef Koudelka gehört chronologisch zu seiner Serie Invasion, in der er den leidenschaftlichen Widerstand seiner Landsleute gegen die Entschlossenheit der Roten Armee zeigt, die demokratische Flamme des Prager Frühlings mit blutigen Mitteln zu ersticken. Es ist aber auch das erste Foto in seinem Buch Exiles, das zwanzig Jahre später von Robert Delpire herausgegeben wurde.
Nachdem Koudelka 1970 mit einem drei Monate gültigen Visum aus der Tschechoslowakei ausgereist war, blieb er im Westen und erhielt in England Asyl als politischer Flüchtling. 1971 wurde er Mitglied der Fotoagentur Magnum und zog 1980 nach Paris. Das Exil hat sein fotografisches Werk maßgeblich geprägt.
In den zwanzig Jahren, die er ohne festen Wohnsitz, ohne Besitz, nur mit einer Kamera ausgestattet unterwegs war, schuf er zahlreiche Bilder von Landschaften, Menschen und dem Alltagsleben in Ländern wie Italien, Spanien, Portugal und Irland mit ihren Traditionen und Riten aus der Vergangenheit. Diese wurden erstmals 1988 in jenem Buch unter dem Titel Exiles veröffentlicht.
Für seine jüngste Arbeit bereiste Josef Koudelka zwischen 2008 und 2012 Israel und die Palästinensergebiete und dokumentierte die von Israel im Westjordanland errichtete Mauer sowie israelische Siedlungen. Das Ergebnis war eine Serie mit dem Titel Wall. Den Bau dieser Mauer hatte Israel Anfang der 2000er-Jahre eigenmächtig beschlossen, mit der Begründung, sich damit vor Terroranschlägen zu schützen. Eine neun Meter hohe und heute mehr als 700 Kilometer lange Festung aus Stahl und Beton, Stacheldraht und Bewegungsmeldern – fast drei Mal so hoch und fünf Mal so lang wie die ehemalige Berliner Mauer. Koudelkas Panorama-Aufnahmen der monumentalen Sperranlage sind erneut ein persönliches Projekt des Fotografen, der hinter dem Eisernen Vorhang aufwuchs und immer wieder zum Thema der Freiheit zurückkehrt.
Koudelkas Schwarz-Weiß-Fotografien sind intim und zugleich einfühlsam. Sein Interesse gilt ethnischen und sozialen Gruppen, die von Vertreibung oder Aussterben bedroht sind und oft auch Koudelkas eigene nomadische Lebensweise spiegeln. Josef Koudelka zählt zu den wenigen herausragenden Fotografen, deren Bilder die Entwicklung der Fotografiegeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch ihren eindringlichen, bewegenden und authentischen Blick entscheidend beeinflusst haben. [Quelle: Ausstellungsflyer]. Die Ausstellung ist bereits zu Ende gegangen. Zurzeit ist bei C/O Berlin Danny Lyons „Message to the Future“ zu sehen. Ein Bericht folgt.