Jafar Panahi: »Closed Curtain« (»Parde«), Iran
Ein wahrer Freund ist gleichsam ein zweites Selbst [Cicero, 44 v. Chr.]
Jafar Panahi erhielt 2006 den Silbernen Bären für seinen Film »Offside«. 2011 wurde er in die Jury der Berlinale berufen, sein Platz blieb leer. Er wurde vom Teheraner Regime zu einem 20-jährigen Berufs-, Sprech- und Reiseverbot und sechs Jahren Haft verurteilt (bis zum Ende der Berufung ist er unter Auflagen frei). Panahi gilt heute als einer der wichtigsten unabhängigen Filmemacher des Irans.
In seinem neuen Film »Parde«, den er eigentlich nicht drehen durfte, verarbeitet Panahi (zusammen mit dem Co-Regisseur Partovi, beide ›spielen‹ auch mit) seine aktuelle Situation, indem er mehrere Identitäten als Zweites Ich auftreten lässt:
Ein Drehbuch schreibender Mann (Kambozia Partovi), der alle Fenster mit schwarzem Stoff verhüllt, eine junge Frau (Maryam Moghadam) als Verkörperung des freien Denkens, die wieder Licht ins Haus lässt und abgehängte Bilder enthüllt (und später im Meer untergeht) und der Hund ›Boy‹ als Verfolgter des Mullah-Regimes, spielen die Hauptrollen.
Und plötzlich läuft Jafar Panahi persönlich durch das Bild; die Zuschauer klatschen spontan Beifall im Berlinale-Palast. So berichtet sein mutiger Film gleichzeitig sinnbildlich und konkret über die Gefangenschaft im eigenen Land und es ist gleichzeitig ein Werk über Mut und Hoffnung und Aufbegehren gegen die Unterdrückung.
Der Film gibt Panahi, unter Anwesenheit von Kulturstaatsminister Bernd Neumann, weltweit eine Stimme; mit einem Film den es eigentlich nicht geben dürfte und der hinter verschlossenen Vorhängen gedreht wurde.
Die Vielschichtigkeit der verschiedenen Ebenen hier wiederzugeben, würde den Rahmen sprengen. Der eigentliche Film findet im Kopf statt und was dies minimalistisch gedrehte Kammerspiel dort entfacht, ist enorm. Der bisher anspruchsvollste Film des Wettbewerbs.
Sie werden gesucht: der Mann und sein Hund, den er eigentlich nicht besitzen darf, da das Tier nach islamischen Geboten als unrein gilt. Die junge Frau, die an einer verbotenen Party am Ufer des Kaspischen Meers teilgenommen hat. Sie verbarrikadieren sich in einer abgelegenen Villa mit verhängten Fenstern und beäugen einander misstrauisch.
Warum hat er sich den Schädel kahl rasiert? Woher weiß sie, dass er von der Polizei verfolgt wird? Beide sind sie Gefangene eines Hauses ohne Aussicht inmitten einer bedrohlichen Umgebung. Aus der Ferne hört man die Stimmen von Polizisten, aber auch das beruhigende Rauschen des Meeres. Einmal betrachten die beiden nachts den Sternenhimmel, bevor sie wieder hinter die Mauern zurückkehren.
Ob man es hier mit Outlaws in mehrfacher Hinsicht zu tun hat? Oder sind der Mann und die junge Frau Phantome, Kopfgeburten eines Filmemachers, der nicht mehr arbeiten darf? Jetzt betritt der Regisseur die Szene, die Vorhänge werden wieder aufgezogen. Die Wirklichkeit erhält Einzug, doch wird sie von der Fiktion immer wieder eingeholt. Eine absurde Situation: Zwei Drehbuchgestalten suchen und beobachten ihren Regisseur. [Quelle: Filmbeschreibung] www.berlinale.de