Das Werk der großen Fotografin im Berliner Martin-Gropius-Bau
Nichts ist so, wie es angeblich sein soll. Ich erkenne nur das wieder, was ich noch nie gesehen habe [Diane Arbus]
Vorab: die Berliner Ausstellung zeigt neben den bekannten Werken der Diane Arbus auch viele neue Fotos, aber der Gesamteindruck von Arbus Werk verändert sich dadurch nicht. Die besten Fotografien hatte sie bereits zu Lebzeiten selbst veröffentlicht.
Der Sinn, warum in der Ausstellung auf eine chronologische, thematische oder wissenschaftliche Ordnung verzichtet wurde, hat sich mir nicht erschlossen. So gesehen zeigt der Gropius-Bau für diejenigen, die ihr Schaffen kennen, keine neuen Erkenntnisse.
Rund 200 Schwarz-Weiß-Bilder hängen von Diane Arbus (New York 1923 – 1971) im Gropius-Bau: Porträts von Mittelklassefamilien, Paaren, Kindern, Obdachlosen, Jahrmarktartisten, Dominas, Tätowierten, Nudisten, Transvestiten, Exzentrikern und Prominenten.
Ein Transvestit mit Lockenwicklern, eine nackte Kellnerin mit kleiner Spitzenschürze, eine ältere Dame mit Schleier und Perlenohrringen, das eineiige Zwillingspaar in New Jersey oder ein Junge mit einer Spielzeuggranate; sie alle leben von der Mischung aus Distanz und Arbus Fähigkeit, sich in die Porträtierten hineinzuversetzen.
Zum Schluss noch etwas Nerviges: Der Gropius-Bau glänzte bisher bekanntlich durch sein ständiges Fotografierverbot. Und zur Arbus-Ausstellung schon wieder: bis zu zwei Fotografierverbot-Aufsteller wurden zusätzlich an den Eingängen platziert. Auch die Praktiken zur Verwendung der Pressebilder sind rigoros durch die Estate of Diane Arbus LLC beschnitten: so müssen zum Beispiel die zur Verfügung gestellten Bilder spätestens 60 Tage nach Ausstellungsende aus dem Netz genommen werden. Nein, Danke.
Nach Diane Arbus Tod beauftragten die Erben Neil Selkirk, ihre Dunkelkammer mit den 7000 Filmrollen zu durchforsten und limitierte Abzüge herzustellen, die mittlerweile auf Auktionen Zehntausende Dollar erlösen. Ob dieser Kommerz im Sinne von Diane Arbus ist, wage ich zu bezweifeln. Der Martin-Gropius-Bau leistet mit dieser Ausstellung diesbezüglich noch Vorschub. Mit Kunst hat das eher weniger zu tun – oder gerade doch? Dessen ungeachtet gilt Diane Arbus, neben Robert Frank und Richard Avedon, zu Recht als Kultfigur der US-amerikanischen Fotografie.
Es ist ein bisschen, als würde man in eine Halluzination hineinspazieren, ohne genau zu wissen, wessen Halluzination es ist… Es ist, als hätten Adam und Eva nach dem Sündenfall Gott angefleht, ihnen zu vergeben, und er in seiner grenzenlosen Verbitterung gesagt hätte: ‚Also gut, dann bleibt. Bleibt im Garten Eden. Werdet zivilisiert. Vermehrt euch. Verpfuscht es.‘ Und genau das haben sie getan. [Diane Arbus zu den Nudisten-Camps]