Die »Jack Freak Pictures« in den Hamburger Deichtorhallen
Wir sind ungesund, mittleren Alters, zotiger Gesinnung, exzentrisch, lüstern, depressiv, zynisch, leer, ausgebrannt, schäbig, hundsgemein, verträumt, ungehobelt, unmanierlich, arrogant, intellektuell, wehleidig, ehrlich, erfolgreich, tüchtig, zuvorkommend, künstlerisch, religiös, faschistisch, blutrünstig, neckisch, destruktiv, ehrgeizig, farbenprächtig, verdammt, stur, pervertiert und gut. Wir sind Künstler.
So stellt sich das Künstlerpaar und neuerdings auch Ehepaar Gilbert & George in der Eingangshalle als erstes vor. Und dann sehen wir die umfangreichste Serie, die die beiden je geschaffen haben. Die vor drei Jahren entstandenen leuchtenden, großformatigen Werke aus der Serie „Jack Freak Pictures“, die an viktorianische Glasmalereien erinnern, sind mit 120 von 150 Arbeiten in der kathedralenartigen Architektur der großen Deichtorhalle vertreten.
Wir sehen kaleidoskopartige, poppig-sakrale am Computer generierte Bilder mit Medaillen, Orden, Bäumen, Blattwerk, Früchten und dem Stadtplan von East London und natürlich mit Gilbert & George persönlich, die aber oft bis zur Unkenntlichkeit verformt sind. Die Bildmotive, die sie in ihren Bildern verwenden, stammen zumeist aus der Umgebung ihres Wohnortes in East London, wo es ihrer Meinung nach „alles gibt, worum es in der Welt geht“. Verbindendes Symbol in allen Bildern ist der britische Union Jack. Und das ist das Problem. Auf Dauer wirken die Bilder ermüdend, 120 Mal Gilbert & George und 120 Mal der Union Jack sind dann doch des Guten zu viel. Links zu drei Bildern aus der Serie habe ich herausgesucht: hier, hier und hier.
Diesen Arbeiten fehlt gegenüber den früheren Bildern von Gilbert & George das Lebendige, das Einzigartige, der Esprit. Man spürt, dass es sich um computergenerierte Bilder handelt. Sie ähneln sich zu sehr und verlieren sich als Ganzes. Obwohl Gilbert & George auf allen Bildern vertreten sind, handelt es sich nicht unbedingt um Selbstinszenierungen, wir sehen nur ihre Hülle. Zustände der menschlichen Existenz sollen aufgezeigt werden und eine Beschreibung der modernen Welt aus der Perspektive der beiden Künstler.
Die Kuratoren schreiben: »Die Jack Freak Pictures gehören zu den symbolträchtigsten, philosophisch ausgeklügeltsten und visuell schlagkräftigsten Arbeiten, die Gilbert & George jemals hervorgebracht haben. Sie nehmen ihren Platz innerhalb der gesammelten Werke von Gilbert & George als gewaltiger Zusammenschluss der Themen und Gefühle ein, welche die beiden Künstler seit mehr als vierzig Jahren in ihrer Kunst erforschen. Die beiden Künstler sind in ihnen zugleich Opfer und Ungeheuer – Marionetten einer kosmischen Revue, schlaflose Wächter auf leeren Großstadtstraßen und irrblickende Kugelköpfe, wie Michael Bracewell in seinem Katalogessay feststellt«.
Trotz alledem, eine empfehlenswerte Ausstellung, denn in dieser Monumentalität werden wir Gilbert & George nicht so schnell wiedersehen. Die Ausstellung läuft noch bis zum 22.05.2011. In einem Video sprechen Gilbert & George über ihre Jack Freak Pictures in den Deichtorhallen (siehe hier). www.deichtorhallen.de