»Eisenstein in Guanajuato« von Peter Greenaway mit Elmer Bäck
Sergej Eisenstein – er machte aus dem Kinofilm eine Kunst (Panzerkreuzer Potemkin, 1925, Iwan, der Schreckliche, 1944) und dazu Peter Greenaway – Kultregisseur der 1980er Jahre (Der Kontrakt des Zeichners, 1982, Der Bauch des Architekten, 1986) und beide gemeinsam in Guanajuato, einer Stadt in Mexiko mit dem berühmten Mumienmuseum (Geburtsort von Diego Rivera).
Aus diesen Zutaten zaubert Peter Greenaway in seinem neuen Film »Eisenstein in Guanajuato« ein lebenspralles, farbenfrohes und verspieltes Kino, das sich mit Lust und Neugier an den Möglichkeiten der digitalen Post-Produktion berauscht. Das dürfte auch Eisenstein schon gespürt haben, als er die Möglichkeit entdeckte, zwei Bilder an- und übereinander zu montieren und dabei ein drittes Bild entstehen zu lassen.
1931 reist Eisenstein nach Guanajuato, um seinen Film »Que viva México« zu drehen, den er nie beenden wird, auch weil er Probleme mit seinem amerikanischen Finanzier, dem Schriftsteller Upton Sinclair, bekommt.
Auf der neobarocken Treppe in Guanajuato wird er vom Künstlerpaar Diego Rivera und Frida Kahlo empfangen (und von drei ›Bodyguards‹ mit vollen Patronengürteln und Gewehren ebenfalls).
Er entdeckt eine fremde, sinnenfrohe Kultur, einen völlig anderen Umgang mit dem Tod und beginnt über seine Heimat und das Stalin-Regime nachzudenken.
Greenaway zeigt, dass Künstlerleben nicht langatmig und historisch korrekt nacherzählt werden müssen, sondern selbst Kunstwerke sein können. Sein Eisenstein ist ein kindisches, aufbrausendes Genie mit wirrem Haar, das sich selbst als traurigen Clown bezeichnet.
Unter seinem neugierigen Blick setzen sich die religiösen und heidnischen Symbole der mexikanischen Kultur neu zusammen. Dazu gehört auch, dass er seine sexuelle Bestimmung finden und ausleben kann.
Bereits beim Einzug ins Hotel findet ein Zimmermädchen Bild-Postkarten, unter anderem mit dem nackten, lasziven Amor von Caravaggio (aus der Berliner Gemäldegalerie).
Wie es der Zufall will, lief am gleichen Tag »Fifty Shades Of Grey« an, sowohl die US-Amerikanischen als auch die russischen Zensoren dürften mit dem keuschen »Sado-Maso«-Film keine Probleme haben. Die russische Filmförderung hingegen verweigerte die Finanzierung von »Eisenstein in Guanajuato«. Das sagt alles!!
Also: den neuen Greenaway unbedingt ansehen und die Lust am Kino wieder entdecken, die war in den ersten Filme auf der Berlinale 2015 schon beinahe verloren gegangen. Ich hoffe, wir haben einen Bärenkandidaten gesehen, allein Elmer Bäck als Eisenstein ist eine Wucht.
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