Anselm Kiefer und die Buchstaben-Maschine

Von Friedhelm Denkeler,

Die Ausstellung »Art and Press« im Berliner Martin-Gropius-Bau macht Schlagzeilen

Der erste Gang im Martin-Gropius-Bau führt in der Regel in den Lichthof. Hier schlägt zurzeit auch das Herz der Ausstellung Art and Press in Form der Monumental-Skulptur Die Buchstaben von Anselm Kiefer. Der 67-Jährige Künstler stellte alte, mit Sonnenblumen verzierte Druckmaschinen in den Renaissancebau an der Niederkirchnerstraße. Diese gewaltige Rauminstallation ist eine Hommage an Johannes Gutenberg und die Entstehung des Buchdrucks. Sie steht symbolisch für die Geschichte unserer Zivilisation, denn diese wäre ohne Schrift, ohne das Buch und ohne die Zeitung nicht denkbar.

"Die Buchstabenmaschine von Anselm Kiefer", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Die Buchstabenmaschine von Anselm Kiefer«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Die drei maroden Druck- und Setzmaschinen wirken wie bleierne Dinosaurier aus einer allzu fernen, fremden Welt. Auf dem Boden liegen verstreut die Bleibuchstaben umher. Somit zeigt die Installation gleichzeitig den Verlust dieser Buchstaben, die über Jahrhunderte per Hand durch die Drucker gesetzt wurden. Für Kiefer begann ein Prozess der Verarmung, als nicht mehr manuell gesetzt wurde. Eine Metapher über das Entstehen von Wissen, Vergänglichkeit und Zukunft, die am Eröffnungsabend gerne digital im Bild festgehalten wurde.

Auf der fünf Meter hohen Schiefertafel (im Hintergrund des Fotos) sind Worte wie Stille oder Wimpernfeuer mit Kreide in Schönschrift eingeschrieben. Es handelt sich um Zeilen aus Paul Celans Abend der Worte. Auch diese Kreideschrift wirkt im Jahr 2012 schon leicht antiquiert. Kiefer zeigt mit der mächtigsten Installation dieser Ausstellung, dass man heutzutage Buchstaben nicht mehr fühlen kann. Die digitale Revolution frisst ihre Kinder. Das Werk wurde extra für diese Ausstellung geschaffen.

Eine so hochkarätig besetzte Ausstellung, die der Frage nach Wahrheit und Wirklichkeit in den Medien nachgeht, war wohl noch nie zu sehen. Die Ausstellung, in der mehr als 50 Künstler wie Ai Weiwei, John Baldessari, Christian Boltanski, Gilbert & Georg, Andreas Gursky, Damien Hirst, Anselm Kiefer, Markus Lüpertz, Mario Merz, Robert Rauschenberg, Thomas Ruff, Julian Schnabel und Andy Wahrhol zeitgenössische Kunst zum Thema Kunst und Presse zeigen, ist noch bis zum 24. Juni 2012 zu sehen (siehe auch mein Post Gilbert & George – Vom Londoner Zeitungsboulevard in den Berliner Gropius-Bau). www.artandpress.de