Die nicht enden wollende Utopie vom großen Glück

Von Friedhelm Denkeler,

»Als wir träumten« von Andreas Dresen. Ein Techno-Musikfilm mit dem Sound von Marusha.

Als wir träumten war der Stadtrand von Leipzig die Welt. Die DDR war weg und wir waren noch da. Pitbull war noch kein Dealer. Mark war noch nicht tot. Rico war der größte Boxer und Sternchen war das schönste Mädchen, doch sie hat mich nicht so geliebt, wie ich sie. Alles kam anders. Aber es war unsere schönste Zeit. [Prolog von Dani in »Als wir träumten«]

Andreas Dresen zeigt eine »filmische Parabel über Freundschaft und Verrat, Zuversicht und Illusion, Brutalität und Zärtlichkeit. Sie erzählt die Geschichte einer verlorenen Jugend und präsentiert zugleich ein Spiel um Rebellion und die nicht enden wollende Utopie vom großen Glück«. Und das alles mit viel Techno-Musik und Stroboskop-Geflacker unterlegt. Der Film ist ein paar Jahre nach der Wende angelegt und spielt in Leipzig.

Fünf junge Nachtgestalten, vor nicht allzu langer Zeit noch Pioniere mit rotem Halstuch, testen aus, was man im wiedervereinigten Land so alles mit der neuen Freiheit anstellen kann. Zwei Ereignisse ragen dabei heraus: die Gründung des (illegalen) Techno-Clubs Eastside und der Kampf mit den Neonazis. Dazwischen werden Autos geklaut, Drogen ausprobiert (einer stirbt daran), eine Boxer-Karriere scheitert, zwischendurch gibt es mal vier Wochen Jugendarrest und die Sehnsucht nach der großen Liebe, dem schönsten Mädchen von Leipzig, bleibt unerfüllt. Wie schon bei Sebastian Schippers Victoria ist auch hier kein Happy-End in Sicht. Dresen verfilmte mit »Als wir träumten« den gleichnamigen Bestseller von Clemens Meyer aus dem Jahr 2006. „

Er würde jedes Festival der Welt zieren. Weil es sich um Weltklassekino handelt [FAZ].

»Marusha beim Berlin Summer Rave 2015«, von Denis Apel, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=40962620
»Marusha beim Berlin Summer Rave 2015«, von Denis Apel, Quelle: Wikipedia

Das Ansehen von »Als wir träumten« lohnt sich in jedem Fall, allein wegen der Musik, denn es ist auch ein großer Musik-Film. Das beginnt mit der Titel-Melodie Moderat: »A New Error« und den mir weniger bekannten DJs Trentemøller: »Nightwalker« und Josh Wink »Higher State of Consciousness«.

Eng war die Zusammenarbeit zwischen Dresens Musikberater Jens Quandt und der DJane (wie man weibliche DJs im deutschen Sprachraum oft nennt) Marusha. Die beiden kannten sich vom Jugendsender DT 64. Zwei Marusha-Tracks sind im Film zu hören: einmal der neuere von 2012 Marusha: »Club Arrest« und der mehr zeitbezogene Song aus dem Jahr 1992: Marusha: »Rave Channel«.

DJ Marusha (Marusha Aphrodite Gleiß, geb. 1966 in Nürnberg) wurde 1990 mit einer der ersten Techno-Musik-Sendungen »Dancehall« im DDR-Radio-Sender DT64 bekannt. Ein Jahr später begann sie mit der Produktion von eigenen Musikstücken und 1994 startete ihre Weltkarriere in den Techno-Clubs und den Raves mit dem Titel »Somewhere over the Rainbow«, einer Coverversion des gleichnamigen Songs aus dem Film-Soundtrack »Der Zauberer von Oz« aus dem Jahr 1939. Die Single verkaufte sich über eine halbe Million Mal. Auf Radio Fritz (vom RBB) moderierte Marusha 17 Jahre lang (bis 2007) die Sendung Rave Satellite.