Die Sommer-Highlights im Lichtspieltheater

Von Friedhelm Denkeler,

Im richtigen Kino waren wir nie im falschen Film – Ein kurzer Rückblick auf 21 Filme im Juli bis September 2023

Asteroid City« (2023) von Wes Anderson mit Scarlett Johansson und Tom Hanks
Asteroid City« (2023) von Wes Anderson mit Scarlett Johansson und Tom Hanks, Foto © Friedhelm Denkeler 2023

»When all Hope is gone, there is no Reason for Pessimism.« [Aki Kaurismäki]

Einzelne Artikel zu den gesehenen Filmen in diesem Sommer zu schreiben war mir zu aufwendig. Aber zum Quartalsende will ich sie in Kurzform doch einmal erwähnen (Quelle der Inhaltsangaben: Yorck-Kino). Natürlich waren auch »Oppenheimer« von Christopher Nolan, »Barbie« von Greta Gerwig und »Roter Himmel« (2023) von Christian Petzold dabei. Alle Filme stammen aus dem Jahr 2023 mit einer Ausnahme: »Die Verachtung(Le Mépris)« aus dem Jahr 1963 von Jean-Luc Godard mit Brigitte und Michel Piccoli. Alle Filme sahen wir in den Berliner Yorck-Kinos. Deren Motto »Im richtigen Kino bist du nie im falschen Film« hat sich bewahrheitet: Alle Filme waren sehenswert.

»Die Verachtung (Le Mépris)« (1963) von Jean-Luc Godard
»Die Verachtung (Le Mépris)« (1963) von Jean-Luc Godard, Foto © Friedhelm Denkeler 2023
  • »Die Nachbarn von oben« (2023) von Sabine Boss mit Maximilian Simonischek. Der wilde Sex des benachbarten Paares lässt bei Thomas und Anna die Bilder an den Wänden wackeln und trifft ihre in 20 Ehejahren festgefahrene Beziehung ins Mark. Übermüdet und genervt streiten sie noch mehr als sonst. Dabei gab es Zeiten, da konnten auch sie kaum die Finger voneinander lassen. Als Anna die Nachbarn auch noch zum Apéro einlädt und diese ihnen ein überraschend freizügiges Angebot unterbreiten, überschlagen sich die Ereignisse: Die Nacht wird zu einem Moment der Wahrheit.  
  • »All the Beauty and the Bloodshed« (2023) von Laura Poitras mit Nan Goldin, Marina Berio, David Wojnarowicz, Cookie Mueller, Noemi Bonazzi. Das Leben der international bekannten Künstlerin und Aktivistin Nan Goldin wird anhand von Diashows, intimen Interviews, bahnbrechenden Fotografien und seltenen Aufnahmen ihres persönlichen Kampfes, die Familie Sackler für die Überdosis-Krise zur Verantwortung zu ziehen, erzählt.  
  • »Die Verachtung (Le Mépris)« (1963) von Jean-Luc Godard mit Brigitte Bardot als Camille Javal, Michel Piccoli als Paul Javal,  Fritz Lang als Fritz Lang und Jack Palance als Jeremy Prokosch. Jeremy Prokosch, ein Banause im Kunstfilmgeschäft, ist ein Produzent, der mit der Arbeit seines Regisseurs unzufrieden ist. Prokosch hat Fritz Lang als Regisseur für eine Verfilmung von »Die Odyssee« engagiert, doch als es scheint, dass der legendäre Filmemacher einen Film dreht, der an den Kinokassen floppen wird, holt er einen Drehbuchautor, der dem Skript neuen Schwung verleihen soll. Das Berufliche überschneidet sich mit dem Persönlichen, als es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Autor und seiner Frau kommt.  
  • »Nostalgia« (2023) von Mario Martone. Nach 40 Jahren kehrt Felice in seine Heimatstadt Neapel zurück, um seine Mutter ein vielleicht letztes Mal zu sehen. Dort angekommen, begibt er sich auf eine Reise zum Ort seiner Jugend, einem Viertel im heutigen Neapel, aus dem die Gefahr nie ganz verschwand.  
  • »Asteroid City« (2023) von Wes Anderson mit Scarlett Johansson und Tom Hanks. In einer fiktiven amerikanischen Wüstenstadt um 1955 wird der Ablauf eines Junior Stargazer/Space Cadet-Kongresses (der Schüler und Eltern aus dem ganzen Land zu einem freundschaftlichen und wissenschaftlichen Wettbewerb zusammenbringen soll) durch weltverändernde Ereignisse spektakulär gestört.  
  • »Sisi & Ich« (2023) von Frauke Finsterwalder mit Susanne Wolff, Sandra Hüller, Angela Winkler. Die Kaiserin Sisi (Susanne Wolff) ist in der letzten Hälfte Ihres Lebens angelangt. Gräfin Irma (Sandra Hüller) findet sie, umgeben von Frauen, in einer adligen Kommune in Griechenland. Weit entfernt von der Etikette des österreichischen Hofes, lebt Sisi in absoluter Freiheit, in der weder ihre Kinder noch Ihr Mann Kaiser Franz Joseph eine Rolle spielen. Irma verliebt sich Hals über Kopf in die mitreißend charismatische Sisi und ihre modernen Ideen. Gemeinsam reisen sie, wohin sie die Laune trägt. Und alles könnte ewig so weiter gehen, wäre Sisi nicht Kaiserin.  
  • »Springtime in Amsterdam« (2023) von Christof Loy mit Sunnyi Melles. Der Musicalfilm Springtime in Amsterdam erzählt die Geschichte von vier Menschen, die an einem Scheideweg ihres Lebens stehen und die in Amsterdam zufällig aufeinander treffen. Die Stadt wird zu ihrer magischen Traumwelt, die scheinbar Chancen und Antworten auf einen Schlüsselmoment in ihren Leben bietet.
  • »Roter Himmel« (2023) von Christian Petzold mit Paula Beer, Matthias Brandt Enno Trebs, Langston Uibel, Thomas Schubert. Sommerhitze an der Ostsee. In einem Ferienhäuschen auf Ahrenshoop treffen ein hadernder Jungautor und sein bester Freund auf eine junge Eisverkäuferin und deren Lover, den Rettungsschwimmer. Christian Petzold („Undine“) ist eine wunderbar flirrende Tragikomödie in wechselnden Konstellationen gelungen. Es gibt das Glück und die Sehnsucht, aber auch Eifersucht, Empfindlichkeiten, Spannungen. Dann schlagen die Flammen über.  
  • »Empire of Light« (2023) von Sam Mendes mit Olivia Colman, Micheal Ward, Toby Jones, Colin Firth, Tom Brooke. Das Empire ist ein wunderschöner und etwas in die Jahre gekommener Filmpalast in einer englischen Kleinstadt am Meer. Für die Mitarbeiter, eine bunt zusammengewürfelte Truppe skurriler und liebenswerter Typen, ist er Arbeitsstätte und Familie in einem. So auch für Hilary (Olivia Colman), die nach längerer Abwesenheit ins Empire zurückgekehrt ist. Hilary hat sich verändert, sie wirkt abwesend und deutlich zurückgenommener als früher. Routiniert geht sie ihrer Arbeit nach und erträgt stoisch die Übergriffigkeiten ihres Chefs (Colin Firth). Als Stephen (Micheal Ward), ein charismatischer junger Mann im Empire anfängt, entsteht zwischen den beiden eine spontane Zuneigung. Die beiden Außenseiter finden aneinander den Halt, den sie so lange gesucht haben. Doch nach und nach werden sie von der Wirklichkeit eingeholt und es kommt für beide zu einem unerwarteten Aufbruch.  
  • »Die Unschärferelation der Liebe« (2023) von Lars Kraume mit Caroline Peters, Burghart Klaußner. Greta ist Schulsekretärin und nebenbei laut, spontan und unberechenbar. Alexander ist ein pleitegehender Metzger, nebenbei Musikliebhaber und verkappter Intellektueller, der stets auf seine strikte Ordnung bedacht ist. An einer Bushaltestelle küsst sie ihn in den Nacken, völlig unvermittelt, einfach so. Eine Verwechslung. Oder steckt doch ein Plan dahinter? Auf alle Fälle ist es der Anfang einer Liebesgeschichte. Die unausweichliche Erkenntnis: Liebe ist immer eine Chance, mit der wir alle rechnen sollten.  
  • »Mein fabelhaftes Verbrechen« (2023) von François Ozon mit Isabelle Huppert. Die erfolglose Schauspielerin Madeleine Verdier wird des Mordes an einem berühmten Produzenten bezichtigt. Auf Anraten ihrer besten Freundin, der arbeitslosen Anwältin Pauline, soll Madeleine sich schuldig bekennen, allerdings auf Notwehr plädieren. Es folgt ein Aufsehen erregender Prozess, in dem die beiden jungen Frauen eindrucksvoll die Männer vorführen. Madeleine wird freigesprochen und als neuer Star mit lukrativen Rollenangeboten überhäuft. Doch dann taucht eine Zeugin des Verbrechens auf, die die Wahrheit um jeden Preis enthüllen will.  
  • »Oppenheimer« (2023) von Christopher Nolan mit Cillian Murphy, Emily Blunt, Matt Damon, Rami Malek, Robert Downey Jr., Florence Pugh, Kenneth Branagh. Als dem Physiker Julius Robert Oppenheimer während des Zweiten Weltkriegs die wissenschaftliche Leitung des Manhattan-Projekts übertragen wird, können er und seine Ehefrau Kitty sich nicht vorstellen, welche Auswirkungen Oppenheimers Arbeit nicht nur auf ihr Leben, sondern auf die ganze Welt haben wird. Nolan versammelt für seine Verfilmung des mit dem Pulitzer-Preis prämierten Buches eine Top Besetzung.  
  • »Barbie« (2023) von Greta Gerwig mit Margot Robbie, Ryan Gosling, Will Ferrell. Im Barbie-Land zu leben bedeutet, ein perfektes Wesen an einem perfekten Ort zu sein. Es sei denn, du hast eine existenzielle Krise. Oder du bist ein Ken.  
  • »L’immensità – Meine fantastische Mutter« (2023) von Emanuele Crialese mit Penélope Cruz. Rom in den 1970ern: Die Familie Borghetti ist gerade in einen der Wohnkomplexe gezogen, die am Rand der Stadt gebaut wurden. Doch das schicke Apartment kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Clara in einer lieblosen Ehe gefangen ist. Ihr Lebensinhalt liegt in der Beziehung zu ihren drei Kindern. Dabei verbindet sie besonders mit ihrer Tochter Adriana eine innige Beziehung. Als diese sich in der neuen Nachbarschaft als Junge vorstellt, droht das fragile Familienband zu zerreißen.  
  • »Lars Eidinger – Sein oder nicht Sein« (2023) von Reiner Holzemer mit Lars Eidinger, Juliette Binoche, Isabelle Huppert, Angela Winkler, Edith Clever. Lars Eidinger ist in jeder Hinsicht ein außergewöhnlicher Schauspieler. Auf der Bühne überzeugt er durch seine körperliche Präsenz, sein variationsreiches Spiel und seine Emotionalität. Dadurch verleiht er seinen Charakteren Tiefe und Glaubwürdigkeit und sorgt für ausverkaufte Theater auf der ganzen Welt. Der rastlose Star dreht Filme mit internationalen Stars wie Juliette Binoche, Isabelle Huppert und Adam Driver. Sein Leben hat er voll und ganz der Kunst verschrieben, sei es als Schauspieler, Regisseur, Fotograf oder DJ.  
  • »Black Box« (2023) von Aslı Özge mit Luise Heyer, Felix Kramer, Christian Berkel. Es herrscht Ausnahmezustand. Ein Berliner Innenhof ist gesperrt. Aufgrund eines nicht erklärten Vorfalls riegelt die Polizei alle Hofzugänge ab. Die Bewohne sind verunsichert. Gerüchte befeuern allmählich Ängste. Argwohn und Verdächtigungen greifen um sich, Vorurteile spalten die Nachbarschaft. Die Hausgemeinschaft gleicht einem Mikrokosmos der Gesellschaft. Beziehungen beruhen auf Machtstreben und Profitgier. Und vielleicht kommt die eigentliche Gefahr nicht, wie angenommen von außen, sondern von innen…  
  • »Jeanne du Barry – Die Favoritin des Königs« (2023) von Maïwenn mit Maïwenn, Johnny Depp, Benjamin Lavernhe, India Hair, Pierre Richard. Jeanne Vaubernier, ein einfaches Mädchen aus dem Volk, das nach sozialem Aufstieg strebt, nutzt ihre Reize, um auf der gesellschaftlichen Leiter immer weiter nach oben zu klettern. Ihr Geliebter, Graf Du Barry, der durch Jeannes lukrative Galanterien zu beachtlich großem Reichtum gelangt, möchte sie schließlich dem König Frankreichs vorstellen. Er organisiert also das Treffen durch das vermittlerische Geschick des einflussreichen Herzogs Richelieu. Die Begegnung übertrifft allseitig die Erwartungen: Zwischen Ludwig XV. und Jeanne ist es Liebe auf den ersten Blick… Mit der Kurtisane findet der König seine Lebenslust wieder – so sehr, dass er nicht mehr auf sie verzichten kann und beschließt, sie zu seiner offiziellen Favoritin zu machen. Ein Skandal, denn offenbar niemand will ein Straßenmädchen wie Jeanne am Hof von Versailles haben.  
  • »Die toten Vögel sind oben« (2023) von Sönje Storm. 350 ausgestopfte Vögel. 3000 Schmetterlinge, Pilze, Käfer. Wer nimmt sich so viel Zeit. Was war in diesem Kopf los? Die Regisseurin erkundet in ihrem Film den Nachlass des exzentrischen Bauern und Fotografen Jürgen Friedrich Mahrt (1882-1940), der ihr Urgroßvater war. Schon 1919 beobachtet er den Rückgang der Arten und fotografiert die Zerstörung der Moore. Bilder aus der Frühzeit des Anthropozäns.  
  • »Past Lives« (2023) Eine Liebesgeschichte von Celine Song mit Greta Lee und Yoo Teo. Kindheitsfreunde Nora und Hae Sung werden auseinandergerissen, nachdem Noras Familie aus Südkorea auswandert. Zwei Jahrzehnte später treffen sie sich für eine schicksalhafte Woche in New York wieder. 
  • »Fallende Blätter« (2023) von Aki Kaurismäki mit Alma Pöysti, Jussi Vatanen. Fallen Leaves erzählt die Geschichte von zwei einsamen Menschen, die sich nachts in Helsinki zufällig begegnen und versuchen, die erste, einzige und endgültige Liebe ihres Lebens zu finden. Ihr Weg zu diesem Ziel wird durch die Alkoholsucht des Mannes, verlorene Telefonnummern, die Unkenntnis des Namens oder der Adresse des anderen und die allgemeine Tendenz des Lebens, denjenigen, die ihr Glück suchen, Steine in den Weg zu legen, getrübt.
  • »Die einfachen Dinge« (2023) von Éric Besnard mit Grégory Gadebois, Lambert Wilson. Vincent, ein rastloser Manager, der von Panikattacken geplagt wird, strandet eines Tages dank einer Autopanne mitten in den Bergen. Gerettet wird der Unternehmer von Pierre einem zurückgezogenen Hüttenbewohner, der ein einfaches Leben führt. Die Begegnung der zwei Männer zwingt sie dazu, sich mit ihren tief verwurzelten Überzeugungen auseinanderzusetzen. Schließlich sieht Vincent sich mit der Frage aller Fragen konfrontiert: Ist er wirklich glücklich?
»Oppenheimer« (2023) von Christopher Nolan
»Oppenheimer« (2023) von Christopher Nolan, Foto © Friedhelm Denkeler 2023

»This is the most romantic Film I ever made since the last One.« Aki Kaurismäki