1960 (2) – Wanda Jackson: »Funnel Of Love«. Fritz Rau hatte den Blues … und brachte die Rockmusik nach Deutschland.
Nur Menschen mit einer großen Liebe zu Musik und Büchern bleiben am Leben – so könnte man Jim Jarmuschs Film »Only Lovers Left Alive« auch beschreiben, denn er lebt zu großen Teilen von der Musik und den Leidenschaften eines Rock-Nerds namens Adam (Tom Hiddleston) und seiner Bücher verschlingenden und überaus gebildeten Gattin Eve (Tilda Swinton). Haben wir nun einen vampiristischen Musikfilm oder einen musikalischen Vampirfilm für Bildungsbürger gesehen? Hier soll es um die Musik im Film gehen, die auch inhaltlich einen Schwerpunkt bildet. Mit den klassischen Vampir-Filmen und den neumodischen Teenie-Soaps desselben Themas hat Jarmuschs Film jedenfalls nichts gemein.

Musik spielte in den Filmen von Jim Jarmusch immer schon eine große Rolle (John Lurie, Tom Waits, Iggy Pop). Diesmal hören wir einen wunderbaren Soundtrack, der herrlich stimmig auf Bilder und Handlung Bezug nimmt; eine wilde Mischung aus Country, Sixties Soul, Rock, Garage Punk und Paganinis Geigen. Die moderne Rockmusik, die Adam im Film spielt, stammt von Jarmuschs eigener Band »Sqürl«. Der Film beginnt aber mit einem Track aus dem Jahr 1960 von Wanda Jackson. Die Kamera kreist traumhaft über Adam und Eve, überblendet durch einen Plattenspieler, auf dem sich eine Single dreht: Wanda Jackson mit »Funnel Of Love«.
Die Rockabilly- und Country-Sängerin Wanda Jackson (*1937, Oklahoma) war die erste Frau, die ›wilde‹ Musik in den 1960er Jahren machte (wenn nicht noch schlimmere Ausdrücke damals verwendet wurden) und sie ging mit Elvis Presley auf Tournee. Ihre rauhe Männerstimme kam bei den prüden US-Amerikanern nicht gut an; sie hatte ihre größten Erfolge im Ausland. In Deutschland war der Schlager »Santo Domingo« (1965) ihr stärkster Triumph. Mein Lieblingssong von ihr aber ist »Let’s Have A Party« (1958). Anfang der Sechziger war er auf jeder Party ein Muss. Kein Wunder, es war hochkarätiger Rock ’n’ Roll, denn begleitet wurde Jackson durch die Musiker von Gene Vincent.
Sein erstes Jazz-Konzert veranstaltete Fritz Rau 1955 mit Albert Mangelsdorff. Seit 1963 arbeitete er mit Horst Lippmann in der Konzertagentur »Lippmann & Rau« zusammen. Die Tourneen der Rolling Stones organisierte er ab 1970 und zum Dank erhielt Rau von ihnen ein silbernes Tablett mit der Inschrift »To Fritz with Thanks from the Rolling Stones«. Sein Lieblingslied war und blieb natürlich ein Bluessong aus dem Jahr 1960 von dem er sagte, den »könnt ihr einem Marsmenschen vorspielen, und sofort würde der begreifen, was Blues ist«, es ist »Five Long Years« von Muddy Waters.
Die Großen des Jazz und Blues, wie Ella Fitzgerald, Nat King Cole, Duke Ellington, Muddy Waters, Miles Davis, Janis Joplin und später die Heroen des Rock und Pop, wie The Doors, Frank Zappa, Jimi Hendrix, Bob Dylan, The Who, Queen, Tina Turner, Madonna, Bruce Springsteen und viele andere holte Fritz Rau nach Deutschland. Aber genau so engagiert setzte er sich auch für die deutsche Rock- und Popmusik, wie Udo Lindenberg und Peter Maffay, ein. Wahrscheinlich wusste Rau selber nicht, wie viele Konzerte er veranstaltet hat; an die 6000 sollen es gewesen sein. 2004 zog sich Fritz Rau dann aus dem aktiven Geschäft zurück; im August 2013 ist er im Alter von 83 Jahren im Taunus gestorben.
Songtext – Wanda Jackson: »Funnel Of Love«
Here I go, Falling down, down, down, My mind is a blank, My head is spinning around and around, As I go deep into the funnel of love. It's such a crazy, crazy feeling, I get weak in the knees, My poor old head is a reelin', As I go deep into the funnel of love. I tried and I tried, to run and hide, I even tried to run away, You just can't run from the funnel of love, It's gonna get you someday.
It's such a crazy, crazy feeling, I get weak in the knees, My poor old head is a reelin', As I go deep into the funnel of love. I tried and I tried, to run and hide, I even tried to run away, You just can't run from the funnel of love, It's gonna get you someday. Here I go, falling down, down, down, My mind is a blank, My head is spinning around and around, As I go deep into the funnel of love, Deep into the funnel of love.
Anmerkung zur Kategorie »Siebzig Jahre – Siebzig Songs»
Hier finden Sie Beiträge zu Songs und ihren Interpreten aus 70 Jahren Rock- und Pop-Geschichte 1946 bis 2016. Alle im Text erwähnten Songs sind als Video oder Audio auf den bekannten Musik-Portalen wie YouTube, Vimeo, etc. zu finden. Jeder Artikel ist ein Auszug aus meinem geplanten Künstlerbuch »Siebzig Jahre – Siebzig Songs«.
In der folgenden Listenansicht sind alle bisher erschienenen Beiträge mit ihrem jeweiligen Titel zu finden. Neben dem Beitragstitel ist ein ein kleiner Textauszug mit dem Interpreten und dem Titel des jeweiligen Songs aufgeführt.
Die bisherigen Beiträge seit 1946 zu »70 Jahre – 70 Songs«
- Zweitausend Meilen auf der Route Sixty-Six1946 – Nat King Cole: »(Get Your Kicks On) Route 66«. Der Jump-Blues-Song »Caldonia« von Louis Jordan. Mein Rock-Archiv beginnt im Jahr 1946.
- »Near You« von Francis Craig – Der Nummer-eins-Hit 19471947 – T-Bone Walker: »Bobby Sox Blues«. T-Bone Walker – der Pionier des Jump und des Electric Blues. Die Melodie ist mir aus der Kindheit in Erinnerung geblieben.
- Ein Leben durch die rosarote Brille1948 – Edith Piaf: »La Vie En Rose«. Der 1,50 Meter große Spatz von Paris wurde nur 47 Jahre alt, aber weltberühmt. Das Chanson wurde in zwölf Sprachen übersetzt.
- Der Dicke und die kreolischen Girls1949 – Fats Domino: »The Fat Man«. Der Beatles-Song »Lady Madonna« eine Hommage an Dominos Klavierspiel. Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt.
- Der dritte Mann1950 – Anton Karas: »Harry-Lime-Thema«. Instrumentals der frühen Rockgeschichte – von »The Third Man Theme« zum «Egyptian Reggae«.
- V8-Motor, modernes Design, schwarzes Cabriodach und ein Mädchen1951 – Jackie Brenston and his Delta Cats: »Rocket 88«. »Rocket 88« – eine der ersten Rock ’n’ Roll-Aufnahmen. Der Song handelt von Mädchen, Alkohol und Autos.
- Ein poetischer Tango mit Rafaela1952 – Rudi Schuricke: »Florentinische Nächte«. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Der Song ist eine angenehme Erinnerung an meine Kindheit.
- Bitte sei mein und bleib in meinem Herzen1953 – Al Martino: »Here in my Heart«. Das Pferdehalfter war der Boxen-Schlager des Monats Dezember 1953 (Kilima Hawaiians).
- Elvis the Pelvis1954 – Elvis Presley: »That’s All Right (Mama)«. Die Zeit rast, aber auf dem Hängeboden harrt sie aus – der SIEMENS Plattenwechsler PW3.
- Der Siegeszug des Rock ’n‘ Roll nahm seinen Anfang1955 – Bill Haley & His Comets: »Rock Around The Clock«. Wie Bill Haley auf der Hochzeitsfeier meiner Cousine in Ost-Westfalen der Star war.
- Die Moritat von Mackie Messer oder: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?1956 – Louis Armstrong: »Mack the Knife«. Die Bettler betteln, die Diebe stehlen, die Huren huren. Ein Moritatensänger singt eine Moritat.
- Oh, bitte bleib bei mir, Diana!
1957 – Paul Anka: »Diana«. Ich bin so jung und du bist so alt, dies wurde mir gesagt. Diana auf Schallbildkarte, diese waren in den 1950er Jahren beliebt.
- Ein zeitloser Klassiker aus dem Jahr 19581958 (1) – The Kalin Twins: »When«. Eine Erinnerung an die Zeit vor den Beatles. Die Everly Brothers mit dem Popsong »All I Have to Do Is Dream«.
- Aufruhr in Brooklyn als Vorläufer des Punk und Metal1958 (2) – Link Wray & His Ray Men: »Rumble«. ›Great Balls Of Fire‹ – Eine der denkwürdigsten Textzeilen der Rockmusik. Johnnie Ray: »Yes Tonight, Josephine«.
- Das HiFi-Mädel aus Tallahassee1959 (1) – Freddy Cannon: »Tallahassee Lassie«. Rocken was das Zeug hält. Das Instrumental »Red River Rock« Johnny & The Hurricanes: Die Red-River-Rebellion.
- Why must I be a Teenager in Love?1959 (2) – Dion and the Belmonts: »A Teenager in Love«. The Platters: »Smoke Gets In Your Eyes«. Wie Neil Sedaka seinen Hit »Oh! Carol« fabrizierte.
- Una mujer fantástica oder Natural Woman1960 (1) – The Shirelles: »Will You Love Me Tomorrow?«. Wenn die Trommeln der Apachen rufen … The Shadows: »Apache«.
- Nur Liebende bleiben am Leben – Funnel Of Love1960 (2) – Wanda Jackson: »Funnel Of Love«. Jim Jarmusch: »Only Lovers Left Alive«. Fritz Rau hatte den Blues … und brachte die Rockmusik nach Deutschland.
- Chubby Checker ist der Twist1960 (3) – Chubby Checker: »The Twist«. Wie ein ›kleiner Drall‹ des ›Molligen‹ in den 60er-Jahren nach Rock ’n‘ Roll die gesamte westliche Welt eroberte: Der »Twist«.
- My Bonnie Lies Over the Ocean1961 (1) – Tony Sheridan & the Beat Brothers: »My Bonnie«. Tony Sheridan & The Beatles – Wie aus einem schottischen Volkslied ein Beatstück wurde.
- Als Elvis noch mit Puppen spielte …1961 (2) – Elvis Presley: »Muss i denn zum Städtele hinaus (Wooden Heart)«. Als Elvis noch mit Puppen spielte und ich auf einer Fahrradtour im Harz war.
- Back in the United States of America1962 – Elvis Presley: »Return to Sender«. Speedy Gonzales im Loco-Motion, zwei kleine Italiener im heißen Sand und Tommy Roe’s Sheila in Mexico.