»Inszenierte Bildnisse« von Amin El Dib in der Kommunalen Galerie. Der Betrachter muss das Geheimnis der Bilder selbst entschlüsseln.
Heutzutage verstehen wir unter einem Porträt alles Mögliche: Porträt einer Stadt, eines Landes, einer Gruppe von Menschen und dies alles als gemaltes, fotografisches, literarisches oder auch gefilmtes Porträt. Aber zuerst kommt einem das fotografische Porträt in den Sinn, das es von Anfang an in der fast 200-jährigen Geschichte der Fotografie gegeben hat – von William Henry Fox Talbot (1840), über Alfred Stieglitz (1915), August Sander (1930), Richard Avedon (1965), Diane Arbus (1965), Ralph Gibson (1975) bis Helmut Newton (1990), um willkürlich nur sieben Fotografen zu nennen.
Amin El Dibs Bilder sind in einem Zeitraum von fünfzehn Jahren (1988-2003) in Berlin entstanden und wahrscheinlich in dieser Form auch nur in Berlin möglich gewesen. Und vor allen Dingen auch nur in Berlin auszustellen, denn wie der Künstler bei der Vernissage am letzten Sonntag betonte, sind die Bilder bei anderen Institutionen in anderen Gegenden nicht so gut angekommen. In Berlin wurde die Serie mit den 43 Porträts dagegen mit Hochachtung aufgenommen.
Mehr als zehn Jahre nach ihrer Entstehung sind die Bilder in dieser Zusammenstellung nun erstmalig in Berlin zu sehen. Damit ein Künstler seine eigene Arbeit qualitätsmäßig beurteilen kann, ist oft ein gewisser Abstand nötig. Hinzu kommt, dass, insbesondere bei Photographien, durch die Zeit die Werke neben der Qualität eine Patina erhalten, bedingt durch die äußere Technik, aber speziell bei Porträts durch das Aussehen und Verhalten der damals Abgebildeten. Beides trifft auf El Dibs Arbeiten besonders zu. Meist erkennt man das Besondere erst ein oder zwei Generationen später.
Natürlich könnte man aus den »Inszenierten Bildnissen« einige mehr oder weniger klassische Porträts heraussuchen, auch Aufnahmen von halb verdeckten (und auch nackten) Menschen haben wir schon oft gesehen, aber diese Serie zeigt in ihrer Ganzheit eindeutig die Handschrift des Künstlers. Erst die Gesamtheit und die Gegenüberstellung, so wie die Porträts in der Ausstellung zu sehen sind, zeigt ein besonderes Berlin-Bild; ein Bild, das Nähe und Intimität erzeugt, auch über die ausgewählten Personen hinaus.
Die abgebildeten Personen, Frauen und Männer, Junge und Alte, Verletzte und Tätowierte, Paare, Mutter und Kind, kennt nur der Künstler allein, aber der Betrachter erkennt ihre Verletzlichkeit, ihren Stolz und ihre Trauer. Im Endeffekt muss der Betrachter das Geheimnis der Bilder selbst entschlüsseln bzw. er muss es spüren. Da die Bilder keine erklärenden Titel aufweisen, braucht es dazu mehr als flüchtiges Hinsehen. Amin El Dib hat seine eigene Bildsprache gefunden, deshalb kann die Werkreihe auch als eine Weiterentwicklung der Porträtfotografie angesehen werden.
Der 1961 in Kairo geborene, ab 1966 zuerst in Duisburg, seit 1983 in Berlin und inzwischen (seit 2003), in der Nähe von Basel lebende und arbeitende Amin El Dib ist mit seinen Werken in diversen öffentlichen Sammlungen vertreten. Seine Photographien waren in vielen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland zu sehen. Die Ausstellung in Berlin läuft noch bis zum 24. Mai 2015 in der Kommunalen Galerie Berlin in Wilmersdorf, Hohenzollerndamm 176. Passend zur Ausstellung ist das Buch »Amin El Dib, Autonome Bilder« bei Peperoni Books, 2011, erschienen. Die Website von Amin El Dib gibt einen sehr guten Überblick über seine bisherigen Arbeiten.
An dieser Stelle soll einmal die Arbeit der Kommunalen Galerien in Berlin hoch gelobt werden (man denke nur an die zehn Ausstellungen in sieben Bezirken von Karl-Ludwig Lange im Monat der Fotografie 2014). Dies trifft auch auf die aktuelle Fotoausstellung in der Kommunalen Galerie unter Leitung von Elke von der Lieth in Wilmersdorf zu. Die Galerie im ersten Stock ist vorzüglich für (Foto)-Ausstellungen geeignet und die Werke sind vorbildlich gehängt worden. Ein Ausstellungsbesuch ist unbedingt zu empfehlen.