Wolf Vostells »La Tortuga«, 1987, auf dem Gelände des Anhalter Bahnhofs
Normalerweise heißt die Redensart »Etwas vom Kopf auf die Füße stellen«. Zur 750-Jahr-Feier der Stadt Berlin im Jahr 1987 machte es der Aktionskünstler Wolf Vostell umgekehrt: Er legte am Anhalter Bahnhof für die Ausstellung Mythos Berlin eine komplette Dampflokomotive wie eine Schildkröte auf den Rücken. Die auf dem Kopf stehende Skulptur nannte er La Tortuga. Sie sollte als Mahnmal auf den Missbrauch von Industrie und Technik für den Krieg hinweisen und symbolisch den Niedergang alter Industriezweige versinnbildlichen.
Am 1. August 1987 arbeiteten hinter dem Portikus des Anhalter Bahnhofs bis in die Abendstunden drei schwere Kräne daran, die Lokomotive in der Luft zu drehen und kopfüber wieder abzusetzen. Ein feinsinniger Moment und ein ästhetisches Event. 1993 gelangte die Skulptur zum Theater in Marl. Hier im Ruhrgebiet ist die wohl größte Skulptur von Vostell sehr passend platziert. Die Güterzuglokomotive der Baureihe 52 stammt aus dem Zweiten Weltkrieg; mit ihr hat die Deutsche Reichsbahn das Material an die Fronten, aber auch Menschen in Konzentrationslager transportiert. Mit diesem Wissen wurde aus dem Kunst-Event eine politische Aktion.
Vostell war einer der Pioniere der Fluxus-Bewegung, bei denen die Grenzen zwischen (politscher) Kunst und Alltag aufgehoben wurden. Von dem im Jahr 1998 mit 65 Jahren verstorbenen Künstler stammt auch die Plastik »Zwei Beton-Cadillacs in Form der nackten Maja« am Rathenauplatz, am oberen Ende des Kurfürstendammes. Sie ist Teil des Skulpturenboulevards anlässlich der 750-Jahr-Feier.