Meret Oppenheim. Retrospektive, Martin-Gropius-Bau Berlin bis 1.12.2013
Jede wirklich neue Idee ist eine Aggression‘ [Meret Oppenheim]
Zufall oder nicht, der Grabstein für »das Meretlein« in Gottfried Kellers Roman »Der grüne Heinrich« trägt die Jahreszahl 1713. Genau 200 Jahre später wird wieder ein Meretlein geboren: Meret Oppenheim. Weitere biographische Parallelitäten erübrigen sich, denn die aktuell in ihrer Geburtsstadt Berlin mit einer Retrospektive zum 100. Geburtstag geehrte Meret Oppenheim ist keine vom Schriftsteller erdachte Kunstfigur, die an »irdischer Kurzsichtigkeit« [Gottfried Keller] zugrunde ging, sondern sie eroberte sich das Reich der Surrealisten – von der Muse zur eigenständigen Künstlerin.
Als Fotograf kennt man natürlich die legendären Fotografien der Serie »Érotique voilée« von Man Ray, in der sich Meret Oppenheim als Aktmodell im Atelier des Malers Louis Marcoussis inszenierte. Hiermit wurde sie berühmt und der Grundstein zu ihrem Mythos war gelegt. Auf dem wohl bekanntesten Foto steht Oppenheim mit einer von Druckerschwärze beschmierten Hand vor einer Kupferstichpresse.
Jeder hat auch schon einmal von der drei Jahre später entstandenen Pelztasse gehört, die leider in Berlin nicht im Original zu sehen ist. Sie wurde bereits zwei Wochen nach ihrer Herstellung von Alfred H. Barr, Direktor des New Yorker Museum of Modern Art, in einer Pariser Galerie entdeckt und weggekauft. Seitdem steht sie dort in einem Glaskasten. Humor hatte Meret bereits mit 16 Jahren unter Beweis gestellt: Nach einem Besuch in der Kunsthalle Basel mit Werken von Ernst Klee malte sie in ihr Schulheft X = Hase.
Die Vielfältigkeit ihres Werkes, das Malerei, Schmuckkreationen, Objekte, Gedichte, Zeichnungen und Aufzeichnungen von Träumen umfasst wird in den Ausstellungsräumen großzügig präsentiert. Die Werkschau trägt dazu bei, Oppenheims vielseitiges Gesamtwerk zu entdecken.
In Bern hat Meret Oppenheim auf dem Waisenhausplatz den 1983 eingeweihten Brunnen geschaffen. Er soll symbolisch für das Wachsen und das Leben stehen. Das Wasser fließt in Spiralen von der hohen Säule herunter, an der sich durch das kalkhaltige Wasser Tuffsteinbrocken bilden. So verändert der Brunnen mit der Zeit sein Aussehen. Um die weitere Standfestigkeit zu gewährleisten, mussten jetzt nach 30 Jahren die ersten Kalkbrocken teilweise entfernt werden. Dass sich im Laufe der Zeit Moos, Gräser und Pflanzen an der Säule ansiedeln, ist von der Künstlerin so gewollt (Video 1, Video 2).
Es sind die Künstler, die träumen für die Gesellschaft [Meret Oppenheim]