Guillaume Nicloux: »Die Nonne« (»La Religieuse«) mit Pauline Etienne, Isabelle Huppert, Martina Gedeck
Um 1760 war die Säkularisierung noch weit weg und Denis Diderots Roman »Die Nonne« eine Kampfansage an die Kirche. Auch als 1966 Jacques Rivette den Diderot-Stoff verfilmte und in Cannes zeigte, gab es einen Skandal.
Heutzutage ist man versucht zu sagen, was hat das alles mit uns zu tun? Angesichts der bekannt gewordenen, sexuellen Übergriffe, die im Schutzraum der Kirche stattfinden, scheint das Thema doch sehr aktuell zu sein. Muss man aber heute, wenn man Frauen zeigt, die gegen Autoritäten rebellieren, unbedingt auf den Diderot zurückgreifen?
Dennoch, der Film bietet eine unerwartete Schönheit: Die Kamera fängt eine wahre Ästhetik wie in der Malerei ein: Halbdunkle Landschaftsbilder, karge klösterlichen Zellen, das Kerzenlicht, zeitlose Stillleben (die Schale Obst, der Teller mit Gebäck) und die reinen, ungeschminkten Gesichter der Novizinnen unter ihrer Nonnenhaube. Das kann man, wie die FR schreibt, auch als »visuelle Propaganda des Verzichts« sehen. Fazit: Ein zu langer (106 Minuten) und zwiespältiger Film, dessen Ästhetik angesichts der dunklen Machenschaften dennoch überirdisch schön ist.
Suzanne Simonin erzählt in Briefen ihre Lebens- und Leidensgeschichte: Als junge Frau wird sie von den Eltern gegen ihren Willen in ein Kloster gebracht. Sie soll Ordensschwester werden, da für eine standesgemäße Heirat die nötigen finanziellen Mittel fehlen.
Obwohl sie von einer gütigen und verständnisvollen Oberin in den klösterlichen Alltag eingeführt wird, bleibt ihr Freiheitsdrang bestehen. Als die Oberin stirbt, sieht sich Suzanne mit den Repressalien, Demütigungen und Schikanen der neuen Äbtissin und ihrer Mitschwestern konfrontiert. Für lange Zeit wird Suzanne Bigotterie und religiösen Fanatismus am eigenen Leib erfahren.
Denis Diderots Roman wurde bereits mehrmals verfilmt. Jacques Rivette drehte 1966 mit Anna Karina und Liselotte Pulver eine gewagte und kirchenkritische Adaption, die zeitweise von der französischen Zensur verboten wurde. Guillaume Nicloux konzentriert sich auf das Schicksal einer jungen Frau und auf ihren Kampf gegen ein unerbittliches System, das den Einzelnen zermalmt. Sein Film löst sich zunehmend aus den konkreten Umständen und wird zum zeitlosen Drama. [Quelle: Filmbeschreibung]