In Skyfall rettet Bond nicht die Welt, sondern sein Leben

Von Friedhelm Denkeler,

Wir machen eine Reise zurück in die Zeit, dahin, wo wir noch im Vorteil waren.

Nach 50 Jahren und nun zum 23. Mal bekommt der langlebigste Geheimagent der Filmgeschichte – James Bond – jetzt mit Skyfall ein Denkmal gesetzt und das ist insbesondere Daniel Craig zu verdanken. Bond muss sich in jedem neuen Film neu erfinden. Das ist 2012 vorzüglich gelungen: Neben den vielen Anspielungen an frühere Bondfilme spielt auch die Rückkehr zu den (neuen) alten Wurzeln eine große Rolle.

Skyfall ist eine Mischung aus Western (spielend in Schottland) und »Kevin – Allein zu Haus«, eine Anspielung auf Wilhelm Tell und »The Dark Knight«. Regisseur Sam Mendes hat einen der besten Bonds der Geschichte geschaffen und Daniel Craig ist die perfekte Besetzung (gleich nach Sean Connery): Er ist nicht mehr so aalglatt, es geht auch einmal etwas schief, und er muss eine Menge einstecken. Außerdem gibt einen wunderbaren Soundtrack (zum Titelsong siehe „This Is The End – Adele’s Skyfall„) und der Film hält die Spannung auch ohne chaotische, hektische Schnittsequenzen.

Mit Skyfall ist Bond thematisch im 21. Jahrhundert angekommen, ohne seine Wurzeln zu verraten – der Agent im Dienste Ihrer Majestät ist menschlich verwundbar und nahbarer denn je wieder angetreten, sich selbst zu finden – und dabei den Untergang immer im Nacken zu spüren. Brillant! [Cyberbloc].

Worum geht es in dem Film? Das ist nicht so wichtig, das kann man bei Wikipedia nachlesen. Langjährige Weggefährten und Stereotypen möchte ich kurz vorstellen. Die mittlerweile 77-jährige Judi Dench, die aufgrund ihres Alters im realen Leben unter Sehverlust leidet, dürfte ihren letzten Auftritt als Geheimdienstchefin M gespielt haben. Ihre Vergangenheit hat sie eingeholt: Sie stirbt im Kugelhagel in Bonds Elternhaus in den schottischen Highlands. Als ihr Nachfolger wird Gareth Mallory (Ralph Fiennes) eingeführt.

"Skyfall am Potsdamer Platz", Foto © Friedhelm Denkeler 2012
»Skyfall am Potsdamer Platz«, Foto © Friedhelm Denkeler 2012

Auch die Ära der nicht mehr zeitgemäßen Bond-Girls scheint zu Ende zu sein. Sie tauchen nur kurz auf: Naomie Harris als Eve und Berenice Marlohe als Sévérine. Eve tauscht auf Anraten von Bond ihren Außendienst gegen einen Bürojob aus und wird die neue Miss Moneypenny.

Der neue, sehr junge Quartiermeister Q (Ben Wishaw), der Bond mit den Worten »Ich kann im Pyjama an meinem Laptop noch vor der ersten Tasse Tee mehr Unheil anrichten, als Sie je verhindert haben« begrüßt, läutet ebenfalls eine neue Ära ein. Ein Wandel der zukünftigen Bond-Filme deutet sich an. Von den früheren spektakulären Spezialwaffen scheint Q wenig zu halten: Bond erhält lediglich einen Sender und eine Pistole, die allerdings speziell auf ihn programmiert ist.

Und natürlich ist auch der neue Bösewicht Raoul Silva zu erwähnen, vorzüglich gespielt von Javier Bardem, ein König der Hacker, der in einer verlassenen Trümmer-Stadt auf einer Insel mit Hightech residiert und von Bond mit »Last rat standing« begrüßt wird. Gedreht wurden diese Aufnahmen übrigens auf der japanischen Insel Hashima, von der aus bis 1974 unterseeischer Kohleabbau betrieben wurde.

Autos spielen in jedem Bond-Film eine wichtige Rolle. In Goldfinger erhielt Bond seinen legendären Dienstwagen, einen Aston Martin DB5, der in Skyfall nun wieder aus einer Scheune hervorgeholt wird und zu alter Stärke aufläuft.

Mit dem DB5 flüchtet Bond mit M in seine alte Heimat, ein einsames Herrenhaus namens Skyfall, das in den schottischen Highlands liegt. Das Haus wird mit Sprengfallen und Fluchtwegen präpariert und man denkt unwillkürlich an »Kevin – Allein zu Haus«. Hier findet »Zwölf Uhr Nachts« der High Noon zwischen Bonds Verteidigung und Silvas Hubschrauberangriff, unter dem stampfenden Rhythmus von John Lee Hookers »Boom Boom« (man denkt unwillkürlich an »Apocalypse Now«), statt.

Nicht berichten werde ich über den fantastischen Vorspann mit den tollen Grafiken; nicht über die Verfolgungsjagd über den Dächern des Großen Bazars in Istanbul; nicht über den Kampf auf einem fahrenden Zug, der einen Bagger und viele Kleinwagen geladen hat; nicht wie ein Audi, verfolgt von Bond in einem Landrover, durch die vollen Gassen von Istanbul rast; nicht wie Bond als Wilhelm Tell auf den Drink auf Sévérines Kopf zielen muss und nicht wie das Hauptquartier des MI6 in die Luft fliegt.

Mendes hat an Ironie, Verbeugungen und Dialektik aufgefahren, was in einen Film passt, und Roger Deakins hat dazu Bilder geschaffen, die manchmal flach und überscharf sind wie ein Computerscreen, dann wieder pastell getönt und in die Tiefe gestaffelt wie im Western. Oft steht Bond im Anzug am Rand dieser Bilder, breitbeinig, still, ikonisch. Am Ende, wenn er über London blickt, das verblüffenderweise immer noch steht, trägt er einen Mantel. Ein Verlorener, der friert. [FAZ]