C/O Berlin zeigt mit »Masterclass« die meisterhaften Porträtfotografien von Arnold Newman
Ich wusste, dass ich mich zwischen Malerei und Fotografie entscheiden musste und erkannte, dass nicht beides gleichzeitig ging. Ich entschloss mich, meine ganze Energie in die Fotografie zu stecken.
Sieben Jahrzehnte lang widmete sich Arnold Newman (1918–2006, New York) der Kunst der Porträt-Fotografie. Seine Arbeiten wurden in den einflussreichen Zeitschriften wie Harper’s Bazaar, Life, Look und New Yorker veröffentlicht und finden sich in den bekanntesten Foto-Sammlungen der Welt. Seit 1941 widmete er sich hauptsächlich dem Genre Künstlerporträt. Seit 1968 hielt er auch Vorlesungen und Workshops ab.
Die bestens konzipierte Ausstellung mit über 200 schwarz-weißen Vintageprints gibt in zehn Kapiteln unter den Schlagwörtern Suche, Auswahl, Lebensräume, Licht, Markierungen, Fassaden, Verflechtungen, Geometrien, Sensibilität und Rhythmen, einen guten Einblick in Newmans Schaffen und in seine Arbeitsweise wieder.
Newmans erste fotografische Arbeiten sind von der dokumentarischen Arbeit der Farm Security Administration (FSA), insbesondere der von Walker Evans, beeinflusst. Hier entwickelte er, nach den Anfängen als Maler, seine Arbeit hin zum Porträtfotografen. Er legte auf den richtigen Ausschnitt großen Wert und dies nicht nur bei der Aufnahme und war vom Beschneiden in der Dunkelkammer überzeugt. Ausbelichtungen akzeptierte er nur, wenn sie makellos waren.
Seine Porträts erstellte Newman weniger in den Studios als dort, wo seine Modelle arbeiteten und lebten. Persönlichkeit und Charakter prägte nicht allein der Gesichtsausdruck, sondern auch Dinge, mit denen sich die Abgebildeten umgaben. Natürliches Licht nutzte er gerne, aber wenn es nicht das „richtige“ war, setzte er auch künstliches ein. So gibt es in seinen Bildern subtile, manchmal auch dramatische Lichteffekte.
Newman hat viele Künstler, Architekten und Designer fotografiert, vor und neben ihren, oft noch unfertigen Werken. Auf den ersten Blick könnte man denken, sie wurden bei der Arbeit überrascht, so natürlich wirken die Bilder. In Wirklichkeit war die Anordnung sehr sorgfältig gewählt. Doppelbelichtungen, Sandwich-Negative und Collagen gehörten gleichfalls zu Newmans Repertoire.
In den Porträts einflussreicher Menschen, insbesondere aus der Politik, sieht man, dass viele „ein Gesicht“ aufsetzten. Newman hat dann eben dieses Gesicht als Kern der Persönlichkeit meisterhaft festgehalten. Es war ihm bewusst, dass gerade auch Künstler immer wieder Zweifel an ihrer Arbeit haben und gleichzeitig stolz auf ihr Werk sind. Dieser Zwiespalt findet sich in seinen Porträts wieder. Linien und Kurven, kontrastierende Bildteile in Schwarz und Weiß, starke Diagonalen ergeben in seinen Werken ein harmonisches und dynamisches Ganzes.
Oh, es gibt diese unsinnigen Regeln und Vorschriften. Du darfst nicht beschneiden, du darfst deinen Abzug nicht bearbeiten, etc., etc. … Aber alle bedeutenden Fotografen, die von diesen Menschen bewundert werden, haben genau das getan!
Das professionelle Studio ist für mich eine sterile Welt. Ich muss nach draußen; die Menschen dort treffen, wo sie zu Hause sind. Ich kann zwar nicht Ihre ‚Seele‘ fotografieren, aber ich kann etwas Wesentliches von ihnen erzählen.
Fotografie ist sehr unwirklich. Man nimmt eine dreidimensionale Welt und reduziert sie auf zwei Dimensionen. Man nimmt Farbe und reduziert sie auf Schwarz und Weiß. Und man hält den Fluss der Zeit an. Es steckt viel Trügerisches in der Fotografie. Das muss man erkennen und darauf bauen. Und das gibt dann vielleicht Kunst.
Diese Ausstellung, die man wegen der hervorragenden Prints unbedingt im Original sehen muss, ist noch bis zum 20. Mai 2012 zu sehen. Alle Zitate stammen von Arnold Newman. www.co-berlin.info, http://www.arnoldnewmanarchive.com/