Horst Ademeit im geheimen Universum des Hamburger Bahnhofs
20 Jahre habe ich Polaroid und Digital / Fotos gemacht die Ränder vollgeschrieben / mir dadurch Luft gemacht über den / gesamten Ärger den mir das Wohnen / und das Stadtviertel Flingern in / Düsseldorf gebracht mit Strahlen-Kälte / Zerstörung Diebstahl Schmutz Abfällen / Rädern Sperrmüll Baustellen Autos / Gerüsten Abrissen und Neubauten auch / Gerichts-Prozess-Fluten ich im Ende / ein halbes Jahr mich im Krankenhaus befunden / die Wohnung aufgegeben diese Zeit / besiegelt ward somit / jetzt wo in Ruhe lebe fast ein Jahr / im Senioren Heim wird mir klarer / das ohne mein Ankämpfen gegen das / gesamte Elend mit Fotos und / Schreiben usw. Tätigkeiten ich kaum / Heil hätte überleben können mit / Dank an Herrgott Himmel und Erde [Horst Ademeit, Düsseldorf 2009]
Aus diesem Text von Horst Ademeit, der 1937 in Köln geboren wurde und 2010 gestorben ist, geht seine Lebens- und Leidensgeschichte vollständig hervor. Ein weiterer Kommentar zu seiner Arbeit, die noch bis zum 25. September im Hamburger Bahnhof, Berlin, zu sehen ist, wäre überflüssig.
1990 kauft sich Ademeit eine Polaroidkamera und findet mit ihr seine Berufung. Für die nächsten anderthalb Jahrzehnte dokumentiert er mit Hilfe von Lebensmitteln, Thermometer, Lichtmesser, Feuchtigkeits-Messgerät, Kompass und Geigerzähler, die er täglich auf einer Tageszeitung als Datumsnachweis arrangiert, seine Aktivitäten zum Schutz vor der Strahlenbelastung.
Er fertigt 6006 solcher Tagesfotos an. Polaroid 5006 finden Sie hier. Zusätzlich dokumentiert er außerhalb seiner Wohnung anhand von Observationsbildern akribisch die Wirkungsmacht unsichtbarer Strahlen in seiner Umgebung.
Die Polaroids ergänzt Ademeit auf dem Rand mit komplexen handschriftlichen Notizen, Messwerten, persönlichen Beobachtungen und Nachrichtenmeldungen. Zusätzlich füllt er Kalender und Leporellos mit minutiösen Beschreibungen seiner Beobachtungen und des Tagesgeschehens. Die Schrift ist so klein, dass sie selbst mit der Lupe nicht zu entziffern ist (siehe mein Foto).
Um sich vor dem Einfluss der Kältestrahlen (die es nicht gibt) zu schützen, trug Ademeit selbstgedrechselte kleine Holzkügelchen am Körper, die eine Größe von 8 Millimeter aufweisen, was der maximalen Weitung der menschlichen Pupille entspricht (siehe mein Foto).
2008 übersiedelt Ademeit in ein Seniorenwohnheim in Düsseldorf, wo er die rund 10.000 Polaroids einer Mitarbeiterin seines Vertrauens übergibt. Über den Arzt Dr. Behrends gelangen sie nach Köln in die Galerie Susanne Zander. 2009 werden die Polaroids erstmals dort ausgestellt.
Ademeit absolvierte eine Lehre als Anstreicher, studierte dann Textildesign und ging an die Kölner Werkkunstschule. 1970 war er kurz bei Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie immatrikuliert. Erste dokumentarische Fotos entstanden bei Renovierungsarbeiten in baufälligen Häusern. Seit Ende der 1980er Jahre konzentrierte er sich auf die Dokumentation der Kältestrahlen.
Ademeit absolvierte eine Lehre als Anstreicher, studierte dann Textildesign und ging an die Kölner Werkkunstschule. 1970 war er kurz bei Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie immatrikuliert. Erste dokumentarische Fotos entstanden bei Renovierungsarbeiten in baufälligen Häusern. Seit Ende der 1980er Jahre konzentrierte er sich auf die Dokumentation der Kältestrahlen.
Das fotografische Werk von Horst Ademeit wird in der neuen Ausstellungsreihe Secret Universe, die über drei Jahre angelegt ist, gezeigt. Hier sollen künstlerische Einzelpositionen, unabhängig vom etablierten Kunstbetrieb, vorgestellt werden. Es sind Künstler, die als „Outsider“ bezeichnet werden und die nicht dem Zirkel des Kunstbetriebes zugerechnet werden können, aber ein Werk mit starker bildnerischer Kraft geschaffen haben.
Als nächstes wird in dieser Reihe die Arbeit von Paul Laffoley vorgestellt. Er illustriert in seinen Diagrammen und Bildtafeln komplexe Theorien zur 4. und 5. Dimension, zu Zeitreisen, naturwissenschaftlichen und kulturhistorischen Themen (ab 4. November 2011). Das „Secret Universe“ verspricht eine spannende, mutige und ungewöhnliche Ausstellungsreihe in einem etablierten Museum zu werden.