Vom undurchdringlichen Dschungel zu den Maschinenräumen der Moderne

Von Friedhelm Denkeler,

Thomas Struth: Fotografien 1978 − 2010 in Düsseldorf

Wenn mir jemand sagt, du bist Fotograf, dann ist das nur die halbe Wahrheit!

"Im Felsenmeer", Foto © Friedhelm Denkeler 2009
»Im Felsenmeer«, Hemer, Foto © Friedhelm Denkeler 2009

Die Welt, na ja zumindest Europa, ist zu Gast in Düsseldorf − beim Eurovision Song Contest, den die Liebhaber natürlich weiterhin Grand Prix nennen. Dieser war aber nicht das Ziel meines Kurzbesuches in Düsseldorf, sondern die große Retrospektive von Thomas Struth (*1954) in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen im K20 am Grabbeplatz. Viel gehört und in Kultursendungen gesehen hatte ich schon über die Schau, aber meine Erwartungen wurden mit den gemäldeartigen Großfotografien alle übertroffen.

Während bisher lediglich einzelne Werkgruppen vorgestellt worden sind, gibt es in Düsseldorf und somit erstmals in Europa, einen repräsentativen Überblick über das Gesamtschaffen Struths zu sehen. Beide Hallen, die sehr hohe und schwierig bespielbare Grabbehalle und die riesengroße Kleehalle, die entsprechend der gezeigten Werkgruppen unterteilt ist, sind mit diesen Arbeiten im Großformat vorzüglich gefüllt und großzügig werden die folgenden Werkgruppen gehängt:

In der Grabbehalle finden sich Struths 2,5 x 3,5 Meter (sic!) große Urwaldbilder mit dem Titel Paradise aus den Jahren 1998 bis 2007 und seine eher klein-formatigen (60×80 cm) früheren schwarz/weißen Stadtbilder aus Städten wie Düsseldorf, New York, Paris, Rom, Neapel, Tokio, Chicago oder Shanghai aus den Jahren 1978 bis 1986.

 "Jahrtausendblick", Foto © Friedhelm Denkeler 2009
»Jahrtausendblick«, Foto © Friedhelm Denkeler 2009

In der Kleehalle sind Struths Museums-Fotografien (1996 bis 2001) aus den berühmtesten Museen der Welt, vom  Pergamon-Museum über den Louvre bis zum Art Institute of Chicago, seine Familienportraits (1996 bis 2008), die Fotos von Kultstätten (1995 bis 2003), wie der El Capitan im Yosemite National Park, der Mailänder Dom oder der Times Square in New York zu sehen, ebenso die Werkgruppe Audiences, in der Struth das Museums-Publikum beim Betrachten der Bilder beobachtet und eine neue Werkgruppe Industrieansichten aus den Jahren 2007 bis 2009, die technologische Spitzenleistungen, wie das Kennedy Space Center oder ein Trockendock in Island, zum Inhalt haben.

Thomas Struth hat zunächst Kunst bei Gerhard Richter und dann Fotografie bei Bernd und Hilla Becher studiert (1973 bis 1980). Seine erste Ausstellung hatte er 1978 im P.S.1 in New York, 1992 war er auf der documenta IX in Kassel vertreten und stellte als erster lebender Künstler im Prado in Madrid aus. Die aktuelle Ausstellung, die noch bis zum 19. Juni 2011 in Düsseldorf läuft, war vorher in Zürich zu sehen und wandert weiter nach London und Porto.

Mit der Eintrittskarte erhalten die Besucher zugleich einen kostenlosen Kurzführer durch die Ausstellung, der einzelne Fotos von Struth und Gemälde aus der Sammlung gegenüberstellt und in Beziehung setzt. Thomas Struth lebt in Düsseldorf und Berlin und arbeitet mit einer Großbildkamera der Marke „Plaubel“. In zwei noch folgenden Artikeln werde ich ausgewählte Werkgruppen ausführlicher vorstellen.

Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ist nicht nur im K20 am Grabbeplatz beheimatet, sondern auch im weiter entfernt gelegenen ehemaligen Ständehaus, genannt K 21, in der Ständehausstraße. Zwischen dem K20 und K21 gibt es einen von Mercedes-Benz gesponserten, kostenlosen Busshuttle. Ich nahm die Gelegenheit war, mir im K21 auch noch Ausstellung Intensif-Station − 26 Künstlerräume im Schnelldurchgang anzusehen.

Und auch dieser Besuch war sehr lohnenswert. Bereits der Fahrer des Busshuttles, Herr Hellmann, wies während der Fahrt sachkundig und kompetent auf die Besonderheiten der Ausstellung hin. So hinterließen  die Mitarbeiter, die Ausstellungsgebäude, das Ausstellungsdesign und die editierten Materialien und Kataloge einen hervorragenden Gesamteindruck von der Institution Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Leider war mein Besuch im K21 angesichts der dargebotenen Kunst viel zu kurz, vielleicht ergibt sich diesen Sommer noch ein weiterer Besuch, die Ausstellung läuft noch bis zum 4. September 2011. www.kunstsammlung.de