Cala Ratjada – Photographien aus der Vorsaison. Ein neues Portfolio von Friedhelm Denkeler auf der Website LICHTBILDER
Es fällt mir schwer zu schreiben; mein Denken ist optisch [Rodtschenko]
Mit dem Beginn des massenhaften Reisens entstand zwangsläufig die Reisefotografie. Das verwundert nicht, denn der Fotografie wird ihre vermeintliche Fähigkeit der authentischen Wiedergabe der Wirklichkeit nachgesagt. Genau das habe ich während eines Aufenthalts auf Mallorca zur Osterzeit, in der sogenannten Vorsaison, versucht. Entgegen aller Vermutungen war das Leben in Cala Ratjada (Rochenbucht) noch verschlossen, bzw. es erwachte erst langsam und stellte sich auf die zu erwartenden Osterbesucher ein.
Nicht die allseits bekannten Mallorca-Impressionen des deutschen Urlaubsparadieses, sondern die zahlreichen, noch geschlossenen Geschäfte, Cafés und Hotels und die ruhenden Baumaßnahmen prägten sich nunmehr als typisch ein. Unter diesem Einfluss entstanden die scheinbar unwirklichen, zu Bildpaaren arrangierten, Tag- und Nachtaufnahmen auf den täglichen und nächtlichen Spaziergängen. Der Titel der Serie lehnt sich an die Amerikanische Nacht an, bei der im Film mit entsprechenden Techniken, Nachtaufnahmen auch am Tage produziert werden.
In den 1930er-Jahren wurde Cala Ratjada in der Gemeinde Capdepera durch eine Kolonie von antifaschistischen deutschsprachigen Exilanten bekannt; die Schriftsteller Karl Otten, Franz Blei und Herbert Schlüter, der Maler Rudolf Levy, der Philosoph Walter Benjamin und der Dadaist Raoul Hausmann sind zu nennen. Nach dem Franco-Putsch im Juli 1936 gelang es den meisten, die Insel wieder zu verlassen.
Die vorliegenden Fotografien entstanden im März/ April 1993 im Ort Cala Ratjada, auf der Baleareninsel Mallorca. Die gesamte Serie besteht aus 121 Photographien auf Fotopapier im Format 30×45 cm, davon sind 102 zu Bildpaaren im Passepartout 50×60 zusammengestellt. Die Bilder sind auch als gedrucktes Autorenbuch mit 136 Seiten im Format 40×30 cm erschienen (2017).
Erstmalig war die Serie »Eine Mallorquinische Nacht« in der Ausstellung »Begrenzte Grenzenlosigkeit« in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK), Oranienstraße 25, 10999 Berlin, vom 19. Oktober bis 1. Dezember 1996 und im gleichnamigen Katalog, zu sehen. Auf meiner Website finden sie 20 ausgewählte Doppelbilder aus der Serie Eine Mallorquinische Nacht. Cala Ratjada – Photographien aus der Vorsaison.
Jede Fotografie ist eine Art memento mori. Fotografieren bedeutet teilnehmen an der Sterblichkeit, Verletzlichkeit und Wandelbarkeit anderer Menschen (oder Dinge). Eben dadurch, dass sie diesen einen Moment herausgreifen und erstarren lassen, bezeugen alle Fotografien das unerbittliche Verfließen der Zeit. [Susan Sontag]