Die dänische Fotokunstgruppe »Vingesus« mit »Identity Lost« in der Fotogalerie Friedrichshain
Die bereits zu DDR-Zeiten überregional bekannte »Fotogalerie am Helsingforser Platz« hätte nach der Wende beinahe ihre Identität verloren. Die Kommunale Galerie in der Trägerschaft des Bezirksamtes Friedrichshain wäre 2000 bereits dem Rotstift zum Opfer gefallen, wenn nicht der Kulturring e.V. daraufhin ein Konzept zum Weiterbetrieb der Institution vorgelegt hätte. Der Bezirk übernahm die Mietkosten und der Kulturring war für die Organisation, Öffentlichkeitsarbeit und Öffnungszeiten verantwortlich. Zwei Jahre später war selbst das dem Bezirksamt zu viel. Also übernahm der Kulturring die Galerie ganz in Eigenregie. So liegen für Fotokünstler weiter großzügige Ausstellungsmöglichkeiten vor.
Die dänische Künstlergruppe VINGESUS (›Flügelschwirren‹) stellt unter dem programmatischen Titel »Identity Lost« in allen vier Räumen der Fotogalerie Friedrichshain, Helsingforser Platz 1, 10243 Berlin, (Di, Mi, Fr, Sa 14-18 Uhr, Do 10-18 Uhr, bis 2. Mai 2014) aktuell ihre Arbeiten aus. Die acht Fotografen »zeigen in einer Mischung aus Realität und fotografischer Fiktion, wie Identität und etablierte Wahrheit aufgelöst werden können und zu einer neuen Interpretation der Wirklichkeit werden« [aus: Ausstellungsbeschreibung].
Der erste Eindruck löste bei den Besuchern Begeisterung aus; auf den zweiten Blick hatte man leider bei einigen Werken den Eindruck, dass durch die digitale Bildbearbeitung zu viel des Guten getan wurde. Die erreichte farbliche Sättigung könnte trotz spannender Sujets schnell zu einer Übersättigung seitens des Betrachters führen. Die ausstellenden Künstler sind Annemette Rosenborg Eriksen, Dorte Bundesen, Else Vinæs, Erik Jørgensen, Jesper Bo Jensen, Josephine Ernst, Peder Brødstedt Pedersen und Tor Einstabland. Sie alle geben anhand ihrer Arbeiten, einen Eindruck in die unterschiedlich benutzten fotografisch-digitalen Techniken und ihre individuelle Interpretation der Wirklichkeit oder einer Fiktion wieder.
Im letzten Raum der Galerie wurde es farblich und inhaltlich gesehen wohltuend ruhiger. Der einzige Norweger der Gruppe VINGESUS Tor Einstabland stellt dort seine Arbeit »Indistinct Contours« aus. Die »undeutlichen Konturen« beginnen bereits mit dem handgeschöpften Papier als Trägermaterial auf das Tor Einstabland in zurückhaltenden Farben seine Bilder druckt. Und die Bilder selber sind auch undeutlich (unscharf): Personen, Umgebung und Formen lassen sich nur erahnen.
Durch diese Undeutlichkeit wird der Betrachter eingefangen und sucht nach der Identität der Personen und der sie umgebenden Umwelt. Er darf sich seine Geschichte und Interpretation selber aussuchen: nichts ist vom Künstler vorgegeben. Man wird bei Einstablands Arbeit »mit der Frage nach etwas oder jemand zurückgelassen, aber auch mit etwas Unruhe und Freude« [aus: Brennpunkt 1/2014]. In unserem Gespräch benutzte Tor Einstabland das Wort »Melancholie« und wer diesem Wort nicht mit Abneigung gegenüber steht, der wird in diesen Arbeiten eine große Schönheit und etwas Unaussprechliches entdecken.